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Noch allein zu Hause. Am kommenden Mittwoch startet Anne Will wieder ihre Talkshow im Ersten. Mit dem ersten Jahr auf dem neuen Sendeplatz ist sie zufrieden. Durchschnittlich 1,64 Millionen Zuschauer schalteten ein, der Marktanteil lag bei 10,6 Prozent. Foto: ARD

© NDR/Andreas Rehmann

Interview mit Anne Will: "Quote nur um der Quote willen? Nicht mit mir!"

Noch wissen nicht alle, dass Anne Will am Mittwoch talkt. Jetzt geht sie ins zweite Jahr. Ein Gespräch über Reaktionen, Relevanz und die Reise nach Jerusalem.

Frau Will, wie flink sind Sie auf den Beinen?

Danke der Nachfrage, es geht noch ganz gut. Ich hatte ein paar Probleme mit dem Knie, aber das ist behoben. Ich fühl mich also gerade ziemlich flink.

Dann sind Sie ja bestens vorbereitet.

Worauf denn? Muss ich weglaufen oder irgendwo hinlaufen?

Wir fürchten ja. Die ARD plant ja zurzeit eine Reise nach Jerusalem, was die Talkshows angeht. Eine von fünfen müsse weg, hört man. Kennen Sie überhaupt die Spielregeln?

Die kenn ich, da bin ich kindergeburtstagstrainiert. Sie spielen auf die Forderung des Programmbeirates der ARD und anderer Gremien an, die Anzahl der Talkshows im Ersten zu reduzieren.

Ganz genau.

Solange es keine Kriterien gibt, nach denen im Fall des Falles ausgewählt werden sollte, bin ich da gelassen. Wenn nur pauschal gesagt wird, ein Talk müsse weg, dann kann ich damit wenig anfangen. Ich habe jedenfalls aufgehört, mir darüber den Kopf zu zerbrechen.

Wie kommt's?

Weil ich finde, dass wir bei „Anne Will“ unsere Arbeit sehr ordentlich machen. Die Hauptkriterien sind Relevanz und Zuschauerinteresse. Und da liegen wir ganz weit vorne.

Was genau meinen Sie mit Relevanz?

Zum Beispiel das richtige Thema zum richtigen Zeitpunkt zu machen. Wir waren die ersten, die über Christian Wulff diskutiert haben, die ersten, die sich mit der Piratenpartei beschäftigt haben, die ersten, die über Syrien gesprochen haben, die ersten, die sich dem Beschneidungs-Urteil gewidmet haben. Wenige Stunden, nachdem Norbert Röttgen entlassen worden war, wurde bei uns darüber diskutiert – eine unserer bestgesehenen Sendungen. Alles hoch relevant. Wenn wir dann auch noch viele Zuschauer haben, dann freu' ich mich einen Ast. Weil es ein Beleg dafür ist, dass wir einen Nerv bei den Zuschauern getroffen haben. Dann haben wir unser Ziel, eine aktuelle und relevante politische Talkshow zu sein, erreicht.

Sind Talkshows relevant?

Es gibt die Ansicht, Talkshows seien lässig zusammengestrickte Plauderrunden mit Kaffeeklatschcharme. Das ist, gelinde gesagt, eine Frechheit. Es gehört eine Menge Arbeit dazu, eine Talkshow wie unsere zu stemmen. Alle Praktikanten, die bei uns waren, sagen am Schluss immer, Mann, das habe ich mir gar nicht so aufwendig vorgestellt. Das geht übrigens jedem so, der mal hinter die Kulissen geschaut hat, egal, ob es sich um eine Schülergruppe oder Gremienvertreter aus dem Hause handelt.

Warum soll es dann ausgerechnet einer Talkshow an den Kragen gehen?

Kann ich Ihnen auch nicht sagen. Ich freue mich aber darüber, dass sie so herausgehoben wahrgenommen werden. Das zeigt doch, dass das Interesse an diesen Sendungen nach wie vor groß ist. Aber wenn plötzlich allerorts von einer Talkshowschwemme die Rede ist, obwohl die Zahl nur von vier auf fünf erhöht wurde, dann stehe ich vor einem Rätsel.

Aber die Quote muss stimmen!

Wenn Sie nicht gesehen werden, dann dringen Sie mit Ihren Themen nicht durch. Dann können Sie Ihren Talk auch per Kassette an Interessierte verschicken, das kommt billiger. Nein, natürlich, wir brauchen eine gute Quote. Aber die kriegen wir nur, wenn wir relevante Themen behandeln. Quote nur um der Quote willen? Nicht mit mir. Das werden Sie mir auch nicht nachweisen können.

Keine Angst, dass Sie am Ende der Reise nach Jerusalem ohne Stuhl dastehen?

Davon abgesehen, dass ich gar nicht weiß, ob die wirklich geplant ist: Nein, denn wir liefern gute Arbeit ab. Ich gehe davon aus, dass wir auch in den nächsten Jahren mit von der Partie sein werden.

Es wird ja gerne behauptet, die Talkshows würden alle immer dasselbe Thema behandeln und immer die gleichen Gäste haben.

Das sehe ich anders. Nicht nur bei uns, sondern auch bei meinen Kollegen. Die Profile könnten noch klarer werden, stimmt. Die Abgrenzung könnte schärfer sein. Aber es war für uns alle auch nicht einfach. Jeder musste sich erst einmal mit seinem neuen Sendeplatz arrangieren. Auch wir wussten ja nach dem Umzug vom Sonntag auf den Mittwoch nicht gleich, wie der Tag funktioniert und was das Publikum erwartet. Wir haben dann aber festgestellt, dass der Mittwoch nachrichtentechnisch gar nicht so übel ist.

"Eine hochkompetente und frischgekämmte Moderatorin"

Wie schnell können Sie auf ein aktuelles Thema reagieren?

Wenn Sie die richtigen Mitarbeiter haben – und die habe ich –, innerhalb von Stunden. Und mir selbst liegt das auch, das aktuelle Arbeiten. Wir haben schnell gemerkt, dass die Zuschauer das auch von uns erwarten. Wir haben am Mittwochabend in der Regel die zweithöchste Einschaltquote im Ersten. Das bedeutet, dass wir unabhängig vom Vorlauf bewusst eingeschaltet werden. Das ist das beste Kompliment, das man uns machen kann.

Sie hatten jetzt ein Jahr Zeit, den für Sie neuen Mittwoch auszutesten. Was jetzt, Frau Will?

Die Zeit des Probierens ist vorbei. Jetzt zünden wir die zweite Stufe.

Alles neu macht der September?

Nein, im Gegenteil. Alles, fast alles bleibt, wie es ist. Weil es sich bewährt hat. Im Grunde genommen sind wir zum klassischen Format der politischen Talkshow zurückgekehrt.

Ist es denn inzwischen bei allen angekommen, dass Sie vom Sonntag auf den Mittwoch gewechselt sind?

Bei fast allen. Neulich im Supermarkt sagte mir eine Frau mit mitleidigem Blick: „Wirklich schade, dass Sie nicht mehr beim Fernsehen arbeiten, Frau Will, was machen Sie denn jetzt so?“ Das heißt: Einen Sendeplatz zu etablieren, das dauert. Man muss Geduld haben, sonst wird das nichts.

Und wie gefällt Ihnen der Mittwoch?

Gut. Wir genießen immer noch alle sehr, wieder ein normales Wochenende zu haben. Das würde ich mir nicht mehr anders wünschen.

Wir gehen in das große Wahljahr 2013. Schon mit Ihren Kollegen dabei, den Talkshowkuchen unter sich aufzuteilen?

Nein, darüber haben wir noch nicht gesprochen.

Kommt einer aus dem Ausland nach Deutschland, kennt kein deutsches Fernsehen und will wissen, warum er sich „Anne Will“ ansehen soll. Was sagen Sie?

Dass dieser Mensch, wenn er sich für politische Debatten interessiert, bei uns goldrichtig ist. Weil bei uns richtig diskutiert wird und Fäden auch mal weiter gesponnen werden. Außerdem hat dieser Mensch natürlich das Vergnügen, eine hochkompetente und frischgekämmte Moderatorin bei der Arbeit zu erleben.

Wer arbeitet, macht auch Fehler, sagt man. Sie arbeiten.

Sie wollen von mir wissen, was wir alles falsch gemacht haben? So richtig krachend falsch haben wir wenig gemacht. Aber wir haben zum Beispiel mal in einer Sendung über Fußball diskutiert, ohne dass es an diesem Tag ein Spiel gegeben hätte. Das werden wir so nicht mehr machen. Das Gesetz lautet: Der Ball muss rollen. Sonst funktioniert's nicht.

Ein Satz zur schönsten Nebensache der Welt: Waldemar Hartmann hat „Waldis Club“ zugesperrt, bis zum Ende des Jahres werden drei Herren aus der „Sportschau“ die Aufgabe übernehmen. Aber dann wäre die Zeit gekommen: für eine Frau?!

Warum nicht?!

Laut Umfrage haben 50 Prozent der Zuschauer die Talkshows in der Sommerpause nicht vermisst. Was sagt Ihnen das?

Ich hab' sie auch nicht vermisst. Aber nur wegen Olympia.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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