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Karl Holzamer arbeitete von 1962 bis 1977 als Gründungsintendant des ZDF.

© ZDF/Georg Meyer-Hanno

Update

ZDF-Gründungsintendant machte falsche Angaben über NS-Zeit: Karl-Holzamer-Platz heißt jetzt Platz der Köpfe

ZDF benennt Platz um. Karl Holzamer hatte seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen und seine NSDAP-Mitgliedschaft reduziert.

| Update:

Das Zweite Deutsche Fernsehen stellt sich der Vergangenheit seines Gründungsintendanten Karl Holzamer, der sich seiner Vergangenheit nicht gestellt hatte. Holzamer, 1962 bis 1977 im Amt, hatte falsche Angaben über seine Biografie während der NS-Zeit gemacht. Das war das Ergebnis einer Untersuchung, die das ZDF durchgeführt und anschließend dem Historiker Martin Sabrow für eine wissenschaftliche Bewertung und Einordnung zugänglich gemacht hatte. Ergebnisse daraus wurden vom ZDF im Februar veröffentlicht.

Der Sender hat nicht nur die ZDF-Biographie von Karl Holzamer überarbeitet, sondern auch, wie eine Tagesspiegel-Anfrage ergab, den Karl-Holzamer-Platz auf dem Sendergelände umbenannt. Er heißt wieder Platz der Köpfe.

Erst hieß er Platz der Köpfe im Sendezentrum Mainz, dann Karl-Holzamer-Platz, jetzt wieder Platz der Köpfe.
Erst hieß er Platz der Köpfe im Sendezentrum Mainz, dann Karl-Holzamer-Platz, jetzt wieder Platz der Köpfe.

© ZDF und Rico Rossival

Die Recherchen des Historikers Martin Sabrow hatten ergeben, dass Holzamer unter anderem seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen und seine von 1937 bis 1945 bestehende NSDAP-Mitgliedschaft auf eine 1937 eingegangene und 1939 angeblich selbstständig aufgelöste Anwartschaft reduziert habe.

Außerdem stellte er sich mit seiner publizistischen Tätigkeit erst als Reporter des damaligen Westdeutschen Rundfunks und später als Kriegsberichterstatter der Wehrmacht offenbar stärker in den Dienst der NS-Herrschaft, als er nach 1945 eingeräumt hat.

Sabrow gelangt zu der Einschätzung, dass sich Holzamer dem Typus des „pragmatischen Opportunisten“ zurechnen lasse, der zur Anpassung an die neuen Verhältnisse bereit war, ohne sich die Nazi-Ideologie und ihren virulenten Antisemitismus gänzlich zu eigen zu machen. Sabrow: „Holzamers lebensgeschichtliche Stilisierung in den Jahrzehnten nach dem Krieg entsprach einem Zeitgeist, der auf Entlastung und Verdrängung der Vergangenheit zielte.“ Holzamer hat dafür sein Gedächtnis insofern genutzt, als er deutliche Lücken einfügte.

Auch wenn er sich während der NS-Zeit weder innerhalb der parteipolitischen Institutionen noch in seinen Medienbeiträgen - soweit diese bekannt seien - über das geforderte Maß hinaus engagiert habe, fänden sich in Holzamers damaligen Texten Ingredienzien des nazistischen Weltbildes, und er habe in seinem beruflichen Wirken zur Aufrechterhaltung und Stärkung des „Dritten Reichs“ beigetragen.

Inwieweit die nach 1945 teils eingeräumte, teils beschwiegene NS-Verstrickung Medienmacher und -intellektuelle wie Holzamer in ihrem Engagement für eine demokratisch fundierte Gesellschaft behinderte oder im Gegenteil sogar bestärken konnte, bleibe eine über den Fall Holzamer hinausweisende Interpretationsfrage der deutschen Zeitgeschichte.

ZDF-Intendant Norbert Himmler sagte zu den Ergebnissen: „Das Gesamtbild, das Karl Holzamer von sich gezeichnet hat, hält der historischen Wahrheit nicht stand. Seinen großen Verdiensten in der Zeit nach dem Krieg, als Hochschullehrer der neu eröffneten Mainzer Universität und als erster Intendant des ZDF stehen Verstrickungen in das NS-Regime gegenüber, die er teils verschwiegen und teils uminterpretiert hat.“

Biografische Angaben bei Vorbereitungen für ZDF-Jubiläum überprüft

Bei den Vorbereitungen zum Jubiläum „60 Jahre ZDF“ waren laut ZDF biografische Angaben in der Vita des Gründungsintendanten durch das Unternehmensarchiv des ZDF geprüft worden. Dabei ergaben sich im Abgleich mit dem auf der ZDF-Webseite und an anderen Stellen veröffentlichten Lebenslauf Holzamers Abweichungen bei den Daten zur NS-Zeit.

ZDF-Intendant Himmler habe daraufhin eine interne Recherche beauftragt, in die neben dem ZDF-Archiv auch die Bestände einschlägiger staatlicher Archive zum Thema Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg einbezogen wurden. Dabei tauchten neue Hinweise und Fakten auf, die auch die Mitgliedschaften in der NSDAP und der SA betreffen.

Nach den Recherchen und Quellenfunden hat die Geschäftsleitung des ZDF eine Prüfung und Einordnung der neuen Erkenntnisse bei dem renommierten Historiker Martin Sabrow beauftragt. Sabrow ist seit September 2021 Sprecher des Leibniz-Forschungsverbunds „Wert der Vergangenheit“ und hat zum Thema eine „gutachterliche Stellungnahme“ verfasst.

Der Lebenslauf von Karl Holzamer im Presseportal des ZDF wurde auf Basis der jetzt vorliegenden neuen Erkenntnisse korrigiert. Auf Anfrage hatte das ZDF mitgeteilt, dass keine weiteren Biografien von Sendemitarbeitern zur Überprüfung anstünden.

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