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Corona-Folgen: Für das Gesamtjahr rechnet die deutsche Zeitschriftenbranche mit einem Rückgang des Anzeigenvolumens um 40 Prozent.

© Arno Burgi/dpa

Zeitschriften in der Corona-Krise: Logistik-Gipfel gefordert

Deutschlands Zeitschriftenverleger wehren sich angesichts der Coronakrise gegen weiter steigende Zustellkosten.

Die deutschen Zeitschriftenverleger haben derzeit vor allem eine Frage, die sie besonders bewegt: Wie können ihre Druckerzeugnisse zu vertretbaren Kosten zu den Abonnenten gelangen? Im Februar hatte die Branche noch mit einem leichten Rückgang des Anzeigenaufkommens von 3,4 Prozent gerechnet, durch die Coronakrise werde sich das Anzeigenminus bis Ende des Jahres auf 40 Prozent erhöhen, in einigen Monaten sei sogar mit einem Rückgang von 80 Prozent zu rechnen, erwartet der Lobbyverband VDZ. „Im Mai werden wir den Keller ausleuchten, und zwar über alle Mediengattungen“, sagte Vizepräsident Philipp Welte, der zugleich Verbandssprecher für den Bereich der Publikumszeitschriften ist, am Mittwoch vor Journalisten auf einer Web-Pressekonferenz.

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Während Zeitungen vor allem über private Zustellsysteme zu den Lesern gelangen, sind die Zeitschriften überwiegend auf die Postzustellung angewiesen. Weitere Preissteigerungen seien in der aktuellen Situation nicht akzeptabel, meinen die Mitgliedsunternehmen des Verbandes und fordern darum einen „zügig einzuberufenden Logistik-Gipfel“ mit allen relevanten Entscheidungsträgern aus Politik, Post und Verlagen. „Wir müssen schnell an einem runden Tisch klären, was jeder zu einer einvernehmlichen und dauerhaft tragbaren Lösung in der Zustellung beitragen kann“, begründete Welte diese Forderung.

Zur Unterstützung der Zustellung von Zeitungen und Anzeigenblättern hatte der Bundestag im vergangenen Jahr einen Fördertopf mit einem Volumen von 40 Millionen Euro aufgemacht. Damit soll sichergestellt werden, dass diese Medien trotz rückläufiger Auflagen und sinkender Anzeigenerlöse auch bis in die kleinsten Dörfer zugestellt werden.

Jährlich eine Milliarde Zeitschriften per Post

Für Zeitschriften gilt diese Förderung bislang nicht. Dabei werden jährlich rund eine Milliarde Zeitschriften von der Post zugestellt. „Wir halten nichts davon, wollte man Zeitungen und Zeitschriften gegeneinander ausspielen. Beide Kategorien sind unverzichtbarer Teil der freien Presse und ergänzen sich in idealer Weise“, sagte dazu VDZ-Präsident Rudolf Thiemann.

Per Skype zugeschaltet: VDZ-Präsident Rudolf Thiemann.

© Tsp

Unterdessen forderte eine Reihe von EU-Abgeordneten Vertreter der Kommissionsspitze auf, einen europäischen Notfallfonds zur Unterstützung von Medien und Journalismus zu prüfen. In einem Brief heißt es, besondere Aufmerksamkeit sollte auf lokale und regionale Medien sowie Nachrichtenmedien, die in kleinen Märkten agieren, gerichtet werden. Eine Idee in dem zu Wochenanfang versandten Schreiben ist auch, als Unterstützung Gutscheine an junge Leute für Abos von Nachrichtenmedien auszustellen; ebenso das Umleiten von Kommunikationsbudget der Kommission und des Europäischen Parlaments weg von großen Online-Plattformen hin zu nationalen Medien.

Besonders hart trifft die Coronakrise jene Fachzeitschriften, die in den vergangenen Jahren weitere Standbeine im Veranstaltungsbereich aufgebaut haben und nun Einbrüche von 20 bis 100 Prozent in diesem Bereich verkraften müssen. Selbst wenn durch die Rücknahme der Corona-Beschränkungen wieder Veranstaltungen in kleinem Rahmen stattfinden dürfen, sei nicht vorherzusagen, wie die potenziellen Besucher und die Werbekunden reagieren. Es gebe somit große Unsicherheiten besonders für diese Fachverlage. Weitere Preissteigerungen für die Zustellung seien darum nicht mehr hinnehmbar. „Viele Titel, die systemrelevante Berufe unter anderem in der Medizin betreuen, sind dann von der Einstellung bedroht“, mahnte Klaus Kramer, Sprecher Deutsche Fachpresse und VDZ-Vizepräsident.

Bei den Zeitschriftentiteln hat die derzeitige Krise besonders den Stadtmagazinen den Boden unter den Füßen weggezogen. Für Titel aus den Bereichen Sport und Entertainment stellt die Situation eine große Herausforderung da, sagte VDZ-Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer. Auf der anderen Seite gibt es eine gestiegene Nachfrage nach TV-Zeitschriften und Entertainment-Titeln für Kinder. „Nicht alle Familien haben Netflix oder Amazon Prime. Da wird viel gelesen“, sagte Scherzer.

Von der Politik forderte der VDZ-Hauptgeschäftsführer überdies „ein Belastungsmoratorium für unsere Branche“. Wenn man an einer freien Presse interessiert sei, dürfe es keine weitere Regulierung geben, sagte er mit Blick auf die E-Privacy-Verordnung, Einschränkungen beim Telefonmarketing und Überlegungen in Brüssel über weitere Werbebeschränkungen. „Es gibt den mündigen Verbraucher, er muss nicht als Schäfchen an der Leine geführt werden“, sagte Scherzer. (mit dpa)

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