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Mit Hilfe. Im Hamburger Dialoghaus führen Blinde die Besucher.

© picture alliance/ dpa

Blindenprojekt leidet unter Coronakrise: „Dialog im Dunkeln“ vor dem Aus

Ein Projekt in Hamburg, in dem Sehende die Welt der Blinden erfahren können, musste bereits am 3. März schließen. Es lebt zu 90 Prozent von Eintrittgsgeldern.

Eines der renommiertesten sozialpädagogischen Projekte der Bundesrepublik Deutschland steht vor dem Aus. Das Hamburger Dialog-Haus, in dem im Rahmen des „Dialog im Dunkeln“ Sehende die Welt der Blinden erfahren können, musste im Zuge der Coronakrise am 3. März schließen. Die Begegnungsstätte, die jedes Jahr von mehr als 100.000 Menschen besucht wird, lebt zu 90 Prozent von Eintrittsgelder und erhält keinerlei staatliche Unterstützung.

Deshalb sieht der Gründer von „Dialog im Dunkeln“, der 64-jährige Andreas Heinicke, kaum noch eine Möglichkeit, die 130 Arbeitsplätze von vor allem Blinden, Gehörlosen und älteren Menschen retten zu können. Dieses Schicksal droht auch 33 Filialen der deutschen „Dialog im Dunkeln“-Initiative auf allen Erdteilen. Der jüngste Standort wurde gerade in Houston, USA, eröffnet, davor in Mexiko und Saudi-Arabien.

Heinicke hofft auf einen zumindest vorübergehenden Einstiegs des Staates in das Projekt. Er moniert, Bund und Länder hätten für fast alle Unternehmensformen Möglichkeiten der finanziellen Stabilisierung gefunden, nur nicht für Unternehmen in sozialer Trägerschaft.

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Heinecke hatte die Idee für „Dialog im Dunkeln“ während seiner Arbeit für den Südwestfunk im Jahr 1988, als er einen im Alter von 28 Jahren erblindeten Kollegen in den redaktionellen Arbeitsalltag einführen sollte. Aus der Helfer-Opfer-Situation wurde für ihn eine Begegnung mit vertauschten Rollen. Der Effekt war so nachhaltig, dass Heinecke mit einem Erlebnis für Nicht-Blinde in kompletter Dunkelheit experimentierte. So entstand die Ausstellung „Dialog im Dunkeln“. Die sehenden Besucher werden in einer völlig dunklen Umgebung durch blinde „Guides“ durch verschiedene Alltagssituation begleitet und erfahren, wie es ist, sich als Blinder in einer Welt zu bewegen, die für Sehende geschaffen wurde.

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Das Hamburger Dialoghaus habe 2019 bei einem Umsatz von zirka 2,5 Millionen Euro 950.000 Euro Steuern und Sozialabgaben gezahlt, sagt Heinicke. Für ihn ist „Dialog im Dunkeln“ ein Beispiel dafür, dass man am Gemeinwohl orientierte Projekte gewinnbringend organisieren könne. Die im Dialoghaus beschäftigten blinden, gehörlosen und älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten dort eine sie erfüllende und für die Gesamtgesellschaft erkenntnisschaffende Aufgabe gehabt.

Heinecke hofft in Gesprächen mit dem Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel und dem Bundestagsabgeordneten Matthias Bartke (SPD) eine Lösung zu finden. Bartke ist auch Koalitionsbeauftragter für Arbeit und Soziales. Ob damit aber die Dialoghäuser in anderen Ländern und Erdteilen gerettet werden können, ist zweifelhaft.

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