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Das Wohnhaus des Paares im französischen Forbach.

© dpa/BeckerBredel

Update

Kehrtwende im Fall Forbach: Deutscher kommt nach Foltervorwurf aus Gewahrsam frei

Hat ein Deutscher in Forbach seine Partnerin jahrelang eingesperrt und gefoltert? Was zunächst nach einer schrecklichen Gewalttat aussah, stellt sich nun ganz anders heraus.

| Update:

Im aufsehenerregenden Fall eines deutschen Paares in Ostfrankreich ist der Verdächtigte nun aus dem Gewahrsam entlassen worden. Der 55-Jährige verließ die Polizeistation am Dienstagabend und wurde in einem nicht gekennzeichneten Polizeifahrzeug nach Hause gebracht, auf dem Rücksitz sitzend und mit der Kapuze seines Sweatshirts über dem Kopf. 

Für eine strafrechtliche Verfolgung des Mannes gebe es keine Anhaltspunkte, sagte der Staatsanwalt von Saargemünd, Olivier Glady. Er bestätigte zuvor der Deutschen Presse-Agentur, dass man die Theorie der Freiheitsberaubung verwerfe.

„Zurzeit scheint die Fährte am wahrscheinlichsten, dass es keine strafrechtlichen Vergehen gegen diese Frau gibt.“ Zunächst waren Ermittlungen wegen möglicher Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und Folter aufgenommen worden. 

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Seine Frau hatte zuvor die deutschen Sicherheitskräfte angerufen. Sie werde seit 2011 von ihrem Mann gefangen gehalten und misshandelt. Die Polizei fand die Frau in der Wohnung des Paares, die Beamten entdeckten allerdings keine eindeutigen Hinweise darauf, dass die Frau eingesperrt worden sei. In der Befragung wiederholte sie ihre Anschuldigungen. Ihr Mann hingegen sprach im Polizeigewahrsam von einer Krankheit, unter der die 53-Jährige seit Längerem leide.

Keine Hinweise auf Folterungen der Frau

„Alle Feststellungen, die während der Untersuchung, besonders vor Ort, getroffen werden konnten, können ihre Aussagen bisher nicht untermauern, während sie die Erklärungen ihres Mannes vollständig bestätigen“, sagte Glady.

Die Beamten hatten die Frau ohne Blutergüsse und wunde Stellen gefunden. In ihrer Nähe habe es auch keine Blutspuren gegeben. Bei Untersuchungen im Krankenhaus habe man keine Brüche festgestellt, was dem Staatsanwalt zufolge zumindest den Vorwurf schlimmster Folter auszuschließen scheine.

An welcher Erkrankung die Frau genau leiden soll, war zunächst nicht klar. Auch das Paar könne keine eindeutige Diagnose nennen, sagte Glady. Es habe keinerlei medizinische Betreuung gegeben. Die Krankheit der Frau scheine aber echt zu sein, betonte er.

In den privaten französischen Rundfunkmedien RMC und BFMTV zirkulierten schnell mit Verweis auf „polizeiliche Quellen“ Berichte über Folterwerkzeuge und gar eine „Folterbank“.

Ich habe manchmal Schreie gehört, doch da sie Krebs hat, dachte ich, sie schreie vor Schmerzen.

Nachbarin

Von der Frau hieß es, sie sei unterernährt und ihr Schädel kahl rasiert. Doch bei der Pressekonferenz, die der zuständige Staatsanwalt der Stadt Saargemünd, Olivier Glady, am Montagabend gab, warnte dieser vor voreiligen Schlüssen und Falschinformationen. Ihm zufolge fanden die Ermittler keine Hinweise auf Folterungen der Frau vor, deren erste Aussagen „Ungereimtheiten“ aufwiesen. In ihrer unmittelbaren Umgebung habe es keine Blutspuren „als Folge einer möglichen Gewaltanwendung“ gegeben.

Bei einer Computertomografie im Krankenhaus von Metz, in das sie am Montag eingeliefert wurde, entdeckten die Mediziner keine Brüche oder Blutergüsse.

Sie litt nicht an Dehydrierung und habe sich beim Eintreffen der Polizei gegen sechs Uhr morgens „ohne irgendeine Form von Fesseln“ im Bett befunden. In Greifweite stand ein Festnetztelefon, das sie für ihren Notruf benutzt hatte. Ihr Gesundheitszustand sei „kein guter“, sagte Glady.

Gitter in der Wohnung sollten nicht sie, sondern die neun Hauskatzen am freien Durchgang hindern. Alles in allem „scheinen wir uns von einer Version von Blaubart in Ostfrankreich zu entfernen“, sagte der Jurist in Anspielung auf das Märchen von Charles Perrault, in dem eine junge Frau um ein Haar zum Opfer ihres brutalen Ehemannes geworden wäre.

Bei einem durch den Anruf einer beunruhigten Nachbarin ausgelösten Polizeieinsatz im Jahr 2019 hatte das Paar den Verdacht von Problemen zurückgewiesen. Von Journalisten befragte Anwohner zeigten sich nun überrascht und erschüttert über die Anschuldigungen. Die Frau habe sie nie gesehen, der Mann sei freundlich, aber zurückhaltend gewesen, sagte eine Nachbarin. „Ich habe manchmal Schreie gehört, doch da sie Krebs hat, dachte ich, sie schreie vor Schmerzen.“

Die Information, dass die Frau an Krebs leide, bestätigte Glady in einer zweiten Pressekonferenz am Dienstagabend nicht, sprach jedoch von einer „Entzündungskrankheit rheumatologischer Art“, verbunden mit Allergien und übermäßigem Haarausfall. Alle bisherigen Feststellungen bestätigten die Aussagen des Mannes, nicht aber der Frau. In der Wohnung sei saubere Wäsche zum Trocknen für sie aufgehängt gewesen. 

Die Zeitung „Le Parisien“ schrieb am Dienstag in ihrer Druckausgabe, die 53-jährige Deutsche sei „inmitten ihrer Exkremente“ aufgefunden worden, ohne Quellen für diese Information anzugeben.

RMC und BFMTV passten die ersten Versionen ihrer Berichte leicht an. Eine Entschuldigung oder Erklärung für die Fehlinformationen veröffentlichten sie nicht. Woher Journalisten oder ihre „polizeilichen Quellen“ diese hatten, blieb unklar und ist Teil des Rätsels um den Fall. (mit dpa)

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