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Trauernde vor einem Gebäude der Karls-Universität in Prag.

© Imago/Michal Kamaryt

Update

Staatstrauer nach Amoklauf in Tschechien: Motiv für Angriff an der Universität in Prag weiter unklar

In Prag hat ein 24-Jähriger dutzende Menschen getötet und verletzt. Der Schütze tötete zuvor auch seinen Vater und beging offenbar auch einen Doppelmord vor einer Woche.

| Update:

Nach dem Schusswaffenangriff in der Prager Karls-Universität hat Tschechien mit einer eintägigen Staatstrauer der 14 Todesopfer gedacht. Die Flaggen an allen Regierungsgebäuden wehten am Samstag auf Halbmast, nach einer Schweigeminute läuteten Kirchen im ganzen Land ihre Glocken. Präsident Petr Pavel nahm im Veitsdom auf der Prager Burg an einem Trauergottesdienst teil. Die meisten Advents- und Kulturveranstaltungen wurden abgesagt. Die Fernsehsender änderten ihr Programm.

Die Suche nach dem Motiv des Täters ging unterdessen weiter. Der 24-jährige Student der Karls-Universität hatte am Donnerstagnachmittag in einem Hochschulgebäude in der Nähe der berühmten Karlsbrücke in der Prager Altstadt 13 Menschen erschossen und sich danach selbst getötet.

Bereits vor dieser Tat soll der 24-Jährige seinen Vater sowie vor einer Woche einen Spaziergänger und dessen Tochter in einem Wald getötet haben.  Eine ballistische Analyse habe ergeben, dass die im Wald benutzte Waffe „identisch“ sei mit einer Waffe, „die im Haus des Universitätsschützen gefunden wurde“, schrieb die Polizei im Onlinedienst X.

Der tschechische Präsident Petr Pavel (Mitte) nahm an einem Trauergottesdienst in Prag teil.

© AFP/Michal Cizek

Nach Angaben von Polizeipräsident Martin Vondrasek begannen die Beamten am Donnerstag schon vor dem Schusswaffenangriff mit der Suche nach dem 24-Jährigen, nachdem der Vater des Mannes tot im Ort Hostoun westlich von Prag aufgefunden wurde. Der Schütze hatte sich nach Angaben des Polizeichefs auf den Weg in die tschechische Hauptstadt gemacht und gesagt, er wolle sich selbst töten.

Polizei vermutete Täter in Prag in anderem Gebäude

Die Polizei durchsuchte das Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät in der Vermutung, den 24-Jährigen dort bei einer Vorlesung anzutreffen. Der Schütze betrat jedoch ein anderes Gebäude der Fakultät und wurde nicht rechtzeitig gefunden. Gegen 15.00 Uhr gingen schließlich erste Informationen über Schüsse ein, die schnelle Eingreiftruppe war Vondrasek zufolge innerhalb von zwölf Minuten vor Ort. Kurz darauf wurde demnach die Leiche des Schützen gefunden.

Augenzeugen der Uni-Attacke berichteten von dramatischen Szenen. „Wir hatten Unterricht, und auf einmal hörten wir ein merkwürdiges Knallen“, berichtete eine Überlebende im Krankenhaus dem Rundfunk. Dann habe plötzlich jemand durch die Tür geschossen. Erst hätten die Studenten den Eingang mit Bänken verbarrikadiert.

Als der Schütze zurückgekommen sei, seien sie aus dem Fenster geklettert, über den Dachsims balanciert und auf einen darunterliegenden Balkon gesprungen, um sich zu retten. Einsatzvideos der Polizei zeigten eine chaotische Situation und Menschen in Panik. 

Neben den Toten wurden 25 Personen im Kugelhagel verletzt, davon zehn schwer bis lebensgefährlich. Sie wurden in verschiedene Krankenhäuser der tschechischen Hauptstadt gebracht. Es dürfte der schlimmste Schusswaffenangriff in der Geschichte der seit 1993 unabhängigen Tschechischen Republik sein.

Schütze von Prag sollen Waffen legal besessen haben

CT berichtete am Freitag unter Berufung auf die verschiedenen Krankenhäuser, dass sie in einem stabilisierten Zustand seien. Manche erlitten demnach Durchschüsse im Kopf- oder Brustbereich oder an den Extremitäten. „Es ist ein Schock – niemand von uns hätte damit gerechnet, dass so etwas passieren kann“, sagte eine Krankenhaussprecherin.

Unter den Verletzten sind Rakusan zufolge drei Ausländer. Es handele sich um zwei Menschen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und einen niederländischen Staatsbürger.

Polizisten hatten sich auf dem Balkon der Uni in Prag in Stellung gebracht.

© AFP/MICHAL CIZEK

Rakusan teilte ferner mit, dass der Schütze seine Waffen legal besessen habe. Es hätten keine Vorstrafen bestanden. Der Innenminister kündigte eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen im Land aus präventiven Gründen an. Dazu zähle auch eine stärkere Präsenz von Polizisten mit Langwaffen wie Maschinenpistolen an ausgewählten Orten.

Rakusan hatte am Donnerstag im CT gesagt, es gebe keine Hinweise auf einen zweiten Täter oder auf einen terroristischen Hintergrund. Es habe sich um einen einsamen Schützen gehandelt, sagte auch Regierungschef Fiala.

Das liberalkonservative Kabinett war am späten Donnerstagabend in Prag zu einer Krisensitzung zusammengekommen, an der auch Präsident Pavel teilnahm. Pavel warnte davor, die Tragödie für voreilige Kritik an der Polizei oder zur Verbreitung von Falschinformationen zu missbrauchen. Er hatte einen Besuch in Frankreich abgebrochen, um zurück nach Prag zu eilen.

Angriffe in Prag: Wie fallen die Reaktionen aus?

Pavel sprach den Angehörigen der Getöteten sein Beileid aus. Er dankte den Bürgern beim Kurznachrichtendienst X am Donnerstag dafür, dass sie den Anweisungen der Sicherheitskräfte gefolgt seien.

Der Anschlag mitten in Prag trifft Europa im Herzen. Wir sind in Trauer.

Annalena Baerbock, Außenministerin (Grüne)

Der Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda zeigte sich schockiert. „Das ist eine Tragödie“, sagte er dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT. „Das Schlimmste daran ist, dass diese Dinge nicht zu verhindern sind.“ Viele dächten, so etwas könne nur in den USA passieren, weil viele dort bewaffnet seien. Es zeige sich, dass dem nicht so sei.

„Der Anschlag mitten in Prag trifft Europa im Herzen. Wir sind in Trauer“, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im vormals Twitter genannten Onlinedienst X. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte auf X, die „schrecklichen Nachrichten aus Prag“ hätten ihn „tief bestürzt“.

„Mit Entsetzen habe ich die Nachricht von den Schüssen an der Karls-Universität mitten in der Prager Innenstadt gehört“, teilte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit. Seine Gedanken seien bei den Opfern und deren Angehörigen. Seine Genesungswünsche gingen an alle Verletzten.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagierte schnell auf die Nachrichten. „Ich bin schockiert über die sinnlose Gewalt, die heute mehrere Menschenleben in Prag gefordert hat“, erklärte sie bei X und drückte ihr Beileid aus.

Von „erschütternden Nachrichten“ schrieb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die wie auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die Ministerpräsidentin Elisabeth Borne ihre „Erschütterung“ und „Solidarität“ ausdrückten. (dpa, AFP/Reuters)

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