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Das Koloskop wird in den gut gesäuberten Dickdarm eingeführt.

© Getty Images

„Der Aufwand lohnt sich für jeden“: Keine Angst vor der Koloskopie!

Der Darmkrebsmonat März rückt die Tumorvorsorge wieder in den Mittelpunkt. Die Vorbereitung ist nicht angenehm. Doch die Untersuchung rettet Leben.

Darmkrebs besitzt eine Eigenheit, die ihn von den meisten anderen Krebsarten unterscheidet: Er entwickelt sich in über 90 Prozent der Fälle aus Vorstufen heraus, den Polypen. Darmpolypen sind zunächst harmlos und nur so groß wie ein Stecknadelkopf, tragen aber bereits erste Genveränderungen in sich.

Nimmt die Natur ihren Lauf, wachsen die Winzlinge zu immer größeren Polypen heran und entarten innerhalb von fünf bis zehn Jahren schließlich zu Krebs. Aus einem harmlosen sogenannten Adenom ist dann ein Karzinom geworden.

Die beste Chance: Schneller sein als der Krebs

Das lange Zeitfenster bietet eine reale Chance, schneller zu sein als der Krebs. Bei einer Darmspiegelung (Koloskopie) können Ärzte auffällige Veränderungen an der Darmschleimhaut nicht nur entdecken, sondern auch gleich entfernen, bevor sie bösartig werden.

Darum ist die sogenannte Vorsorgekoloskopie mehr als nur Krebsfrüherkennung: Sie ist eine echte Vorsorge. „Die Vorsorgekoloskopie ist eine Früherkennungsuntersuchung, mit der man Krebs verhindern kann“, sagt Wolfgang Spitz, niedergelassener Gastroenterologe aus Zehlendorf. „Wir können damit tatsächlich Leben retten.“

25.000
Menschen versterben in Deutschland jährlich an Darmkrebs.

Die Vorsorgekoloskopie wurde im Jahr 2002 im Rahmen des gesetzlichen Früherkennungsprogramms eingeführt. Männer haben ab 50 Jahren, Frauen ab 55 Jahren Anspruch darauf. Die Untersuchung kann bis zum 75. Lebensjahr beziehungsweise nach zehn Jahren noch einmal wiederholt werden. Wenn Auffälligkeiten gefunden werden, dann auch öfter.

Die aufwendige Vorbereitung zahlt sich aus

Die jeweiligen Nachsorgeintervalle sind abhängig vom Befund und in den medizinischen Leitlinien genau festgelegt. Aber das ist dann jenseits des Screenings, das im Übrigen die „klassische“ Darmspiegelung nutzt, die „virtuellen“ Koloskopien mit einer Kapsel oder per CT bis heute überlegen ist.

Obwohl der Nutzen der Vorsorgekoloskopie inzwischen gut belegt ist und Personen ab 50 eine schriftliche Einladung von ihrer Krankenkasse bekommen, schrecken immer noch viele davor zurück. Das liegt wohl hauptsächlich an der Vorbereitung, die aufwendiger ist als ein Stuhltest, dafür aber auch zu sehr viel zuverlässigeren Ergebnissen führt.

Für die Untersuchung muss der Darm komplett sauber, sprich entleert sein, damit der Arzt die Koloskopie unter optimalen Sichtbedingungen durchführen kann. Darum darf man knapp 24 Stunden vor der Untersuchung nichts Festes mehr essen und muss zwei scheußlich schmeckende Darmspüllösungen mit gefühlten Unmengen an Wasser trinken – eine am Vorabend und eine am Morgen des Untersuchungstags.

Das größte Risiko bei der Koloskopie ist die Vorbereitung.

Wolfgang Spitz, Gastroenterologe aus Berlin

Dank der Spüllösungen wird so viel Zeit auf der Toilette verbringen, bis das Ausgeschiedene so klar und flüssig ist wie Kamillentee. Angenehm ist das nicht, besonders für ältere und geschwächte Menschen, die laut Spitz dabei „auch mal umkippen“ könnten. „Das größte Risiko ist die Vorbereitung“, sagt er.

Die eigentliche Untersuchung ist schmerzfrei

Doch wer die Abführprozedur einmal hinter sich gebracht hat, hat das Schlimmste bereits überstanden. Die eigentliche Untersuchung ist schmerzfrei und gilt als sehr sicher. Genau wie Propofol, das Schlafmittel, das heute fast vor jeder Endoskopie über einen Venenzugang gegeben wird.

„Propofol ist keine Vollnarkose, sondern ein Schlafmittel mit einer extrem kurzen Wirkdauer“, sagt Spitz mit Blick auf landläufige Fehlannahmen. Das Mittel erlaube den Patienten, den ambulanten Eingriff „buchstäblich zu verschlafen, aber gleich danach wieder fit und klar im Kopf zu sein“, sagt der Facharzt für Magen-Darm-Erkrankungen.

Während der Patient also tief und fest schläft, führt der Arzt über den Anus das Koloskop in den Dickdarm ein. Das schlauchartige Instrument verfügt über eine Lichtquelle und eine kleine Kamera, sodass der Arzt den rund 1,5 Meter langen Dickdarm über einen externen Monitor Schritt für Schritt nach Schleimhautveränderungen absuchen kann.

Über winzige Arbeitskanäle kann er außerdem spezielle Instrumente in den Darm bringen und damit kleine Eingriffe durchführen. Kleinere Polypen wird er mit einer Zange entfernen, größere entweder mit einer Schneide- oder einer elektrischen Schlinge.

Erst ausruhen, dann die Ergebnisse besprechen

Nach rund 20 bis 30 Minuten ist alles vorbei. Der Patient wird sich kurz darauf in einem Aufwachraum wiederfinden, darf sich noch ein wenig ausruhen, um dann mit dem Arzt die Ergebnisse zu besprechen. Auch das Kohlendioxid, mit dem der Darm für die Untersuchung aufgepumpt wurde – bis vor wenigen Jahren nutzte man noch Raumluft dafür –, ist zu diesem Zeitpunkt bereits abgeatmet.

„Wenn die Patienten wach werden, ist der Bauch schon wieder flach und die ganzen Schmerzen und das Kneifen und Zwicken gibt es nicht mehr“, sagt Spitz.

Die Mehrheit der Screening-Teilnehmer wird mit einem negativen Befund nach Hause gehen. Ihnen wird also noch in der Arztpraxis ihre Darmgesundheit bestätigt. Besonders aufatmen aber dürften jene 20 bis 25 Prozent der Untersuchten, bei denen die Ärzte kleine Polypen oder fortgeschrittene Adenome (rund 7%) vorfindet. Ihnen bleibt dank des Eingriffs eine sich anbahnende Darmkrebsdiagnose erspart.

Seit Einführung der Vorsorgekoloskopie sinkt die Sterbequote kontinuierlich.

Wolfgang Spitz, Gastroenterologe

Um sicherzugehen, dass sich in dem Gewebe nicht doch Krebszellen befinden, wird jeder entnommene Polyp anschließend von einem Pathologen im Labor bewertet. Nur bei einem von hundert Untersuchten finden die Ärzte tatsächlich Darmkrebs vor. In rund 70 Prozent der Darmkrebsfälle handelt es sich jedoch um Krebs in einem frühen Erkrankungsstadium, der dann fast immer noch heilbar ist.

„Seit Einführung der Vorsorgekoloskopie sinkt die Sterbequote kontinuierlich“, fasst Wolfgang Spitz den Nutzen des Screenings zusammen. „Der Aufwand lohnt sich für jeden.“

Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat errechnet, dass die Sterblichkeitsrate zwischen 2000 und 2018 bei Männern um 35,8 Prozent und bei Frauen um 40,5 Prozent zurückgegangen ist.

Nach einer weiteren DKFZ-Studie mit 9000 Teilnehmern traten bei Personen, die eine Vorsorge-Darmspiegelung in Anspruch genommen hatten, nahezu 60 Prozent weniger Darmkrebs-Neuerkrankungen auf als bei Teilnehmern, die auf die Untersuchung verzichtet hatten. Das Risiko, an Darmkrebs zu versterben, war in der Screening-Gruppe sogar um 70 Prozent geringer.

Doch der Erfolg könnte noch größer sein. Noch immer sterben in Deutschland jedes Jahr fast 25.000 Menschen an der Erkrankung. Wenn mehr Menschen zur Darmkrebsvorsorge gingen, so die DKFZ-Experten, könnten sich die Sterbezahlen in den nächsten Jahren sogar halbieren.

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