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Der Nutri-Score soll Verbraucherinnen und Verbrauchern die Auswahl gesunder Lebensmittel erleichtern. Das funktioniert oft gut, doch an manchen Stellen muss nachgesteuert werden.

© dpa/Patrick Pleul

Lebensmittel-Ampel für Verbraucher: Wo der Nutri-Score noch besser werden muss

Das grüne A steht für gesund, das rote E für ungesund. Der Nutri-Score ist verbraucherfreundlich und wirkt auch schon. Doch an einigen Stellen weist er noch Schwächen auf.

Zweieinhalb Jahre ist es her, dass der Nutri-Score, der ursprünglich aus Frankreich stammt, Einzug auch in deutsche Supermärkte erhielt. Das Ziel: Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Wahl gesunder Lebensmittel unterstützen. Dafür teilt der Nutri-Score Lebensmittel in fünf Kategorien von A bis E ein. Lebensmittel mit einem grünen A gelten als besonders gesund, jene mit einem tiefroten E dagegen als ungesund.

Für die Kategorisierung berücksichtigt der Nutri-Score sieben Kriterien. Ein schlechter Score kommt zustande, wenn ein Lebensmittel viel Energie (also viele Kalorien), Zucker, gesättigte Fette und Kochsalz enthält. Ein hoher Anteil an Früchten oder Gemüse, Ballaststoffen und Protein wirkt sich dagegen positiv aus. Der Nutri-Score eignet sich dadurch vor allem, um verschiedene Produkte einer Produktgruppe auf Basis ihrer Inhaltsstoffe miteinander zu vergleichen.

Der Nutri-Score ist verständlicher als andere Systeme

Doch wie gut ist dieses System? Nun, damit eine Verpackungskennzeichnung sinnvoll die Kaufentscheidung beeinflusst, muss sie zunächst einmal von den Verbrauchern verstanden werden. Das klingt banal, ist aber längst nicht selbstverständlich, das zeigen Beispiele aus anderen Ländern. An diesem Punkt spielt der Nutri-Score seine Stärken aus. Verbraucher verstehen leicht, dass das grüne A gut, das tiefrote E hingegen schlecht ist und die restlichen Buchstaben irgendwo dazwischenliegen.

Der Nutri-Score wird auch von Menschen beachtet, für die eine gesündere Ernährung essenziell ist, zum Beispiel von Menschen mit starkem Übergewicht.

Mathias Fasshauer, Ernährungsmediziner

Andere Verpackungskennzeichnungen sind deutlich komplizierter und verwirren die Konsumenten eher. Und der Nutri-Score hat weitere Vorteile: Verbraucher verstehen ihn nicht nur, sondern passen sogar ihr Kaufverhalten an, wie erste Untersuchungen zeigen. Und es kommt noch besser: Der Nutri-Score wird demnach auch von Menschen beachtet, für die eine gesündere Ernährung essenziell ist, zum Beispiel von Menschen mit starkem Übergewicht, also Adipositas. Auch das ist nicht selbstverständlich, denn allzu häufig werden Gesundheitsinformationen lediglich von Verbrauchern beachtet, die ohnehin schon gesund leben.

Auch teilt der Nutri-Score viele Lebensmittel korrekt ein: Wasser ist der gesündeste Durstlöscher und erhält folgerichtig ein A. Zuckergesüßte Softdrinks sind mit Übergewicht und zahlreichen Folgeerkrankungen verbunden und bekommen deswegen ein E. Energiedichtes und nährstoffarmes junk food landet ebenfalls verdient bei einem E.

Doch es gibt auch Schwächen: Bei bestimmten Lebensmittelgruppen lässt sich der Nutri-Score relativ einfach künstlich verbessern. Wird zum Beispiel in Softdrinks der Zucker durch Süßstoffe ersetzt, so sinken Energie- und Zuckergehalt drastisch. Das Ergebnis: Der Softdrink verbessert sich von E in seiner gezuckerten Variante plötzlich auf B in seiner light-Variante. Das Problem dabei: Es existieren umfassende Daten, die zeigen, dass Zucker- und Süßstoff-gesüßte Softdrinks ähnlich ungesund sind. Zudem lässt sich durch nachträgliche Zugabe von Ballaststoffen und Protein der Nutri-Score verbessern, ohne dass gute Daten existieren, die belegen, dass hierdurch das Lebensmittel wirklich gesünder wird.

Aus wissenschaftlicher Perspektive sollte der Verarbeitungsgrad eines Lebensmittels stärker Berücksichtigung finden.

Mathias Fasshauer, Ernährungsmediziner

Kaltgepresste Öle sind zu Unrecht schlecht bewertet

Hinzu kommt, dass einige Lebensmittel einen unfair schlechten Nutri-Score haben. Kaltgepresste Öle erhalten aufgrund ihres hohen Energie- und Fettgehalts beispielsweise einen relativ schlechten Nutri-Score im Bereich C bis D. Und das obwohl diese Öle in zahlreichen Studien mit vielfältigen gesunden Effekten assoziiert und ein wichtiger Bestandteil der gesunden mediterranen Kost sind.

Um eines deutlich zu sagen: Angesichts der eingangs dargestellten Vorteile ist eine Welt mit Nutri-Score besser als eine ohne ihn. Noch besser wäre sie übrigens, wenn man den Nutri-Score verpflichtend einführen würde. Bisher ist die Kennzeichnung für Hersteller nämlich freiwillig. Allerdings besteht auch Potenzial für Verbesserungen. Aus wissenschaftlicher Perspektive sollte vor allem der Verarbeitungsgrad eines Lebensmittels stärker Berücksichtigung finden.

Es existieren schließlich überzeugende Daten, dass der Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln zu Überessen, Übergewicht und vielfältigen Folgeerkrankungen führt. Als Marker für hochverarbeitete Lebensmittel dienen dabei Zusatzstoffe wie Aromen, Süßungsmittel und Emulgatoren, welche in natürlichen und gesunden Lebensmitteln nicht enthalten sind.

Das Auftauchen dieser Zusatzstoffe in der Zutatenliste sollte als weiterer Marker für ungesunde Lebensmittel fungieren. Dann würden light-Getränke als hochverarbeitete Lebensmittel ihr unverdientes B verlieren und kaltgepresste Öle als gering verarbeitete Lebensmittel einen besseren Nutri-Score erlangen. Gelingt es, den Nutri-Score in diese Richtung weiterzuentwickeln, würde er von einer guten zu einer sehr guten Erfindung reifen.

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