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Gesundheit: „Streik!“ – jetzt auch an der Humboldt-Uni

3500 Studenten stimmen für „massive Proteste“ gegen die Sparpolitik des Berliner Senats

Von Tilmann Warnecke

und Amory Burchard

„Streik“. Nur ein Wort hatten Aktivisten an der Humboldt-Universität gestern Vormittag vorsorglich auf eine meterhohe weiße Stoffbahn geschrieben. Sie konnten das Banner am frühen Nachmittag vor dem Hauptgebäude hissen. Mit wenigen Gegenstimmen beschlossen etwa 3500 Humboldt-Studenten in einer Vollversammlung, ab sofort zu streiken. Wie die Kommilitonen von der Technischen Universität, die schon vor 14 Tagen in einen Ausstand gegen das Sparen an den Unis und gegen die Einführung von Studienkonten traten.

Im überfüllten Audimax der Humboldt-Uni eröffnete ein Student der Technischen Universität die Vollversammlung mit einem lauten Ruf in die Menge: „Wir wollen von euch ein Ja zum Streik hören.“ Flugblätter segelten von der Empore: „Der Streik startet jetzt.“ Nach dem überwältigenden Beschluss zu uniweiten Protesten – an der Technischen Universität werden sie bislang von nur 1500 Studenten getragen – zogen einige Hundert Humboldianer von Unter den Linden durch das Brandenburger Tor in die Straße des 17. Juni. Ziel: das Hauptgebäude der TU, wo gerade über Fortsetzung oder Ende des Streiks beraten wurde.

Streik – und für diesen Streik hart arbeiten: Das forderten viele Studenten auf der Versammlung in der Humboldt-Uni. „Streik heißt nicht Zu-Hause-bleiben“, rief ein Student der Menge zu. „Wenn ich vormittags studiere und nachmittags den Ku’damm sperre, das sind richtig gute Aktionen.“ Mehrere Studenten fürchteten, dass ein längerer Streik sich totlaufen könnte. So stimmte die Versammlung gegen den Antrag, gleich für zwei Wochen zu streiken. Eine Woche „massiver Proteste“ sei erst einmal genug, war man sich einig. Eine Stunde nach der Abstimmung herrschte im HU-Hauptgebäude allerdings „komplett normaler Studienbetrieb“, wie ein Geschichtsstudent berichtete.

Der diesjährige Studentenstreik ist eben ein sensibles Pflänzchen. Nach spektakulären ersten Aktionen droht er ständig einzugehen – am mangelnden Engagement der nicht in den Studentenvertretungen organisierten Kommilitonen. „Wenn die Humboldt-Uni nicht streikt und die Freie Universität sich morgen auch nicht anschließt, ist es auch bei uns aus“, hatte der stellvertretende Asta-Vorsitzende der Technischen Universität, Mathias Hofmann, am Mittwochmittag gesagt. Nach der TU-Vollversammlung klang Hofmann schon wieder ganz enthusiastisch: „Als wir den Streikbeschluss der Humboldt-Uni verkündeten, wurde die Stimmung gut“, sagte er. Die rund 1000 anwesenden TU’ler stimmten nun ebenfalls für eine Fortsetzung der Proteste. Gemeinsam mit den HU-Studenten zogen sie dann zum Hardenbergplatz, den sie am späten Nachmittag für zehn Minuten blockierten. „Rauskommen, rauskommen“ skandierten die Studierenden, als sie an der Universität der Künste vorbeikamen. Es winkten aber nur einige der Künstler freundlich aus den Fenstern – und blieben in ihren Ateliers. Die UdK kommt bislang in den Sparplänen des Senats nicht vor. Kein Grund also, auf die Straße zu gehen.

„Es bleibt an den Aktivisten hängen, die meisten Studenten sind unpolitisch“, sagt Günter Bärwolff, Mathematikprofessor an der Technischen Universität. Sein Institut wurde am Dienstagvormittag für fünf Stunden blockiert. Studenten, die in Bärwolffs Sprechstunde wollen, warteten vor dem Institutseingang, bis die Blockierer gegangen waren. Dann standen sie gleich bei ihrem Professor auf der Matte. Der Mathematiker, der sein Studium 1969 aufnahm, wünscht sich mehr Aufbegehren gegen „schlechte Studienbedingungen in überfüllten Vorlesungen“, versteht aber, dass die Studenten keine Scheine oder gar ein Semester riskieren wollen.

Unterdessen formiert sich auch an der Freien Universität der Protest. Am Nachmittag kamen einige hundert Studenten zum Henry-Ford-Bau in Dahlem, wo Unipräsident Dieter Lenzen vor dem Akademischen Senat ein detailliertes Spar-Szenario für alle Fächer ausbreiten wollte. Die Studenten legten sich vor dem Gebäude auf den Gehweg, um die Senatsmitglieder aufzuhalten – und mit ihnen zu diskutieren. Die studentische Kritik: Die Unileitung leiste nicht genug Widerstand gegen die Sparauflagen der Landesregierung. Lenzen sagte die Senatssitzung „wegen des großen Andrangs“ ab. Das Informationsbedürfnis der Studenten wolle er am kommenden Montag um 9 Uhr mit einer Infoveranstaltung im Audimax des Henry-Ford-Baus stillen, sagte Lenzen. Am heutigen Donnerstag entscheiden die FU-Studenten in einer Vollversammlung (14 Uhr im Hörsaal 1a der Silberlaube) über „Streik“.

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