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Salman Rushdie, live aus New York zugeschaltet, redete am Sonntag im Berliner Ensemble über seinen Roman „Victory City“.

© dpa/Annette Riedl

Geschichtenerzähler haben das letzte Wort : Salman Rushdie und Daniel Kehlmann beim Internationalen Literaturfestival Berlin

Salman Rushdie, sein Übersetzer Bernhard Robben und Daniel Kehlmann unterhalten sich im Berliner Ensemble über „Victory City“ und Freundschaften unter Schriftstellern.

Als „absoluten Höhepunkt“ kündigte Lavinia Frey, die Leiterin des Internationalen Literaturfestivals Berlin, diese Veranstaltung vorab an. Und tatsächlich: Obwohl selbst prominente Literaturstars nicht immer halten, was ihr Name verspricht, erwies sich dieser Sonntagnachmittag im Berliner Ensemble mit dem aus New York zugeschalteten Salman Rushdie, seinem Übersetzer Bernhard Robben und Daniel Kehlmann als einer der Höhepunkte der 23. Ausgabe dieses Festivals.

Nachdem Rushdie zugeschaltet worden war, er saß in einem Zimmer voller Bücherregale, musste er zunächst kurz eine Frage nach seinem Gesundheitszustand beantworten. „Pretty much okay“, so Rushdie, mit Ausnahme seines rechten Auges, das nach dem Attentat vor einem Jahr nicht mehr gerettet werden konnte. Auch seine linke Hand funktioniere wieder gut, wie er vorführte, seine Schreibhand sei ja sowieso die rechte. Rushdie trägt seitdem eine dunkelgetöntes Brillenglas über der rechten Augenhöhle, und er erwies sich die halbe Stunde lang als überaus gut gelaunter, munterer Gesprächspartner.

Gut gelaunter Gesprächspartner

Kehlmann und Robben hatten vorher kurz über die Ereignisse referiert, auch über mögliche iranische Auftraggeber spekuliert (der Attentäter besaß einen gefälschten Führerschein mit dem Namen eines Hisbollah-Kommandanten, war mehrere Jahre im Libanon radikalisiert worden); überdies sprachen sie vor Rushdies Auftritt über die Übersetzungsarbeit an „Victory City“.

Bernhard Robben sagte, es gebe viel mehr Bedeutungen von englischen Wörtern als von deutschen, allein weil sich die englische Sprache wegen ihrer Globalität ständig verändere. Dazu komme das „Füllhorn von Sprache“, das Rushdie über den Leser, die Leserin auskippe. Direkte Übersetzungsfragen habe er selten, so Robben, eine Besonderheit aber gebe es: „Wenn ich an seinen Texten sitze, höre ich seine Stimme und er liest mir Absatz für Absatz vor und kommentiert, „okay“, oder „da musst du nochmal ran“.

Nach einer Lesung der BE-Schauspielerin Cynthia Micas aus „Victory City“ ging es mit Rushdie dann ausschließlich um seinen Roman. Mit dem sei er nach seinen letzten Romanen „Golden House“, „Quichotte“ und auch „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ erstmals wieder nach Indien zurückgekehrt: „Ich hatte genug von den Staaten, und Vijayangar ist so weit weg von den USA, wie es nur geht.“

„Victory City“ ist im südindischen Vijayanagar angesiedelt, einem Königreich, das es von 1336 bis 1565 gab. Die Ruinen von Vijayangar firmieren heute unter den Namen Hampi und gehören zum Unesco-Welterbe. Schon in seinem Roman „Die bezaubernde Florentinerin“ habe er eine „Victory City“ erwähnt, sagt Robben, und Rushdie erzählt dann, dass er den Gedanken über Vijayangar zu schreiben tatsächlich seitdem mit sich herumtrage, 15, 16 Jahre.

Er sei nunmal ein „writer of cities“, insbesondere seiner drei Lebensstädte Bombay, London und New York, für ihn allesamt „Victory Cities“. Ihm ginge es da wie Marco Polo in Italo Calvinos wunderbaren Roman „Unsichtbare Städte“. Der spreche darin davon, dass für ihn alle Städte Venedig seien.

Rushdie wiederum erzählte desweiteren, dass er sehr spielerisch an den Roman herangegangen sei. Pampa Kampana, seine Hauptfigur, deren Leben knapp 250 Jahre dauert, habe ihn gefunden und nicht umgekehrt. Zumal die indische Literatur komplett von männlichen Figuren dominiert werde. Ihr Buch, das sie in dem Roman schreibe, sei ein Buch von Sieg und Niederlage, „so wie es im Leben nun einmal zugeht“.

Und weiter: Seine rosa Affen seien das Gegenmodell zu den Affen in Kiplings „Dschungelbuch“, er sei mit Superman, Batman und den anderen aufgewachsen, deshalb die Affinität zu einer bestimmten, natürlich anderen Art von Superhelden in seinen Romanen. Und überhaupt: „Könige und Königinnen verschwinden, die Mächtigen haben Armeen, Waffen, Geld, das letzte Wort jedoch, das haben immer die Geschichtenerzähler.“

Man hätte gern noch mehr von Rushdie gehört. Es machte Spaß ihm zuzuhören, genauso Robben und Kehlmann, der seit vielen Jahren mit „Salman“, (mit langem a) befreundet ist. Allerdings, das verriet Kehlmann noch, über ihre Probleme beim Schreiben würden sie sich nie unterhalten, über ihre neuen Arbeiten. Das mache nur Ian McEwan, der habe Spaß daran, seine Ideen mit anderen zu entwickeln.

Insofern verriet Kehlmann auch nichts über seinen neuen Roman „Lichtspiel“, der am 9. Oktober erscheint. Und Salman Rushdie? Kommt womöglich zur Buchmesse nach Frankfurt, um am 22. Oktober in der Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegenzunehmen. Kehlmann hält die Laudatio.

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