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Ein Mann schwenkt eine georgische Nationalflagge vor einer brennenden Barrikade in der Nähe des Parlamentsgebäudes in Tiflis.

© AP/dpa/Zurab Tsertsvadze

Update

Nach erneuten Massenprotesten: Regierung in Georgien verwirft Pläne für „Agenten“-Gesetz

Abermals demonstrierten Tausende gegen das umstrittene Gesetzesvorhaben. Am Morgen danach lenkt die Regierung ein. Die Opposition kündigte dennoch weitere Proteste an.

| Update:

Nach den Massenprotesten in den vergangenen Tagen hat Georgien einen umstrittenen Gesetzentwurf über die Einführung eines Registers für „ausländische Agenten“ zurückgezogen. Das teilte die Regierungspartei Georgischer Traum am Donnerstag in der Hauptstadt Tiflis mit.

Kritiker hatten der Regierung vorgeworfen, der Gesetzentwurf sei nach russischem Vorbild ausgearbeitet worden und ebne den Weg für eine autoritäre Ausrichtung Georgiens. Sie sahen damit auch die EU-Perspektive der einstigen Sowjetrepublik in Gefahr. Auch international gab es Kritik.

„Wir sehen, dass der Gesetzentwurf zu Meinungsverschiedenheiten in der Gesellschaft geführt hat“, teilte die Partei Georgischer Traum nun mit. „In Anbetracht all dessen haben wir (...) beschlossen, die von uns unterstützte Gesetzesvorlage ohne Vorbehalte zurückzuziehen.“

Ungeachtet dieses Erfolgs kündigte die Opposition in der Südkaukasus-Republik weitere Proteste an. „Heute wird es auf jeden Fall eine Demo geben“, sagte der Oppositionspolitiker Zotne Koberidse am Donnerstagvormittag georgischen Medien zufolge.

Viele junge Menschen hätten kein Vertrauen in die Regierung, sagte Koberidse. „Wir brauchen Klarheit, wie genau sie dieses Gesetz zurückziehen wollen.“ Zudem forderte er die Freilassung von Dutzenden Demonstranten, die in den vergangenen Tagen festgenommen wurden.

Heftige Proteste gegen Gesetzentwurf

Bei den regierungskritischen und proeuropäischen Protesten versammelten sich in den vergangenen Tagen mehrere Tausend Menschen auf den Straßen von Tiflis. Immer wieder ging die Polizei auch mit Gewalt gegen sie vor und setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Es gab auch Festnahmen.

Zahlreiche Demonstranten schwenkten georgische und ukrainische Fahnen sowie die blaue Sternenflagge der EU. Aus Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine sangen die Georgier auch die ukrainische Hymne.

Die Polizei sperrt eine Straße während einer Demonstration gegen einen Gesetzesentwurf über „ausländische Agenten“.
Die Polizei sperrt eine Straße während einer Demonstration gegen einen Gesetzesentwurf über „ausländische Agenten“.

© REUTERS/Irakli Gedenidze

Teile der Demonstrierenden umringten nach Augenzeugenberichten auch das Parlament der Südkaukasusrepublik in Tiflis. Einige versuchten, in das Gebäude einzudringen. Parlamentssprecher Schalva Papuaschwili hatte Medienberichten zufolge dazu aufgerufen, friedlich zu bleiben.

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Furcht vor russischem Beispiel

In Russland sind zahlreiche unabhängige Medien - aber auch Nichtregierungsorganisationen - als „ausländische Agenten“ gebrandmarkt. Die Regelung wird international als politisch motivierte Maßnahme kritisiert, die darauf abzielt, Kremlkritiker zu stigmatisieren und mundtot zu machen.

Insbesondere seit Beginn des von Präsident Wladimir Putin vor mehr als einem Jahr angeordneten Angriffskriegs gegen die Ukraine geht Russland im eigenen Land massiv gegen Andersdenkende vor.

Laut dem Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, ist der „vom Kreml inspirierte“ Gesetzentwurf „nicht mit dem klaren Wunsch der georgischen Bevölkerung nach europäischer Integration und demokratischer Entwicklung vereinbar.“

Eine Durchsetzung der Pläne würde das Verhältnis Georgiens zu seinen strategischen Partnern schädigen und die „euro-atlantische Zukunft“ des Landes infrage stellen, sagte Price am Mittwoch (Ortszeit) in Washington.

Menschenrechtler von Freedom House zeigten sich alarmiert über die Gewalt bei den Demos in Tiflis. „Das Grundrecht auf friedliche Versammlungen muss gegen Molotowcocktails, Tränengas und Wasserwerfer geschützt werden“, forderte die Nichtregierungsorganisation auf Twitter. Sie bat die georgische Regierung eindringlich, das umstrittene Gesetzesvorhaben noch einmal zu überdenken.

Präsidentin kündigte Widerstand gegen Gesetzentwurf an

Die kleine Ex-Sowjetrepublik Georgien am Schwarzen Meer mit 3,7 Millionen Einwohnern steht seit langem unter Druck des großen Nachbarn Russland. Moskau unterstützt auch die abgespaltenen Gebiete Südossetien und Abchasien.

Die derzeitige Führung von der Partei Georgischer Traum verfolgt einen eher russlandfreundlichen Kurs. In ihrer Mehrheit wollen die Georgier aber, dass ihr Land Mitglied in EU und Nato wird. Sie befürchten, dass diese Chance durch autoritäre Regeln wie in Moskau zunichte gemacht wird.

Staatspräsidentin Salome Surabischwili hat sich hinter die Demonstranten gestellt und angekündigt, sie werde das umstrittene Agenten-Gesetz nicht unterzeichnen. (dpa)

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