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Antiisraelische Ausschreitungen auf dem Flughafen Machatschkala in der muslimisch geprägten Kaukasusrepublik Dagestan.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Ramazan Rashidov

Update

„Es war wie ein Pogrom“: Präsident Herzog verurteilt antijüdische Ausschreitungen in Dagestan

In der russischen Kaukasusrepublik machten Muslime Jagd auf vermeintliche Juden. Anlass war die Landung eines Fliegers mit angeblichen Flüchtlingen aus Israel. Es gab mehrere Verletzte und 60 Festnahmen.

| Update:

Nach den anti-israelischen Ausschreitungen in der russischen Kaukasusrepublik Dagestan hat Israels Präsident Isaac Herzog die Vorfälle mit einem „Pogrom“ verglichen. „Es war wie ein Pogrom“, sagte der Staatschef am Montag in einem Interview mit „Bild“, Welt-TV und „Politico“. Die Ausschreitungen auf dem Flughafen von Dagestans Hauptstadt Machatschkala seien „schockierend“ und „äußerst beunruhigend“.

„Gott sei Dank wurde es am Ende von den Behörden verhindert, aber es sah wie ein Pogrom aus“, sagte Herzog. „Ich bin froh, dass die russischen Behörden eingegriffen und die Kontrolle übernommen haben und die Menge, die die unschuldigen Zivilisten im Flugzeug bedrohte, vertrieben haben.“

Eine wütende Menge war am Sonntag in den Flughafen der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala eingedrungen und gewaltsam gegen Menschen vorgegangen, die mit einem Flugzeug aus Israel angekommen waren.

Behörden hatten von gezielte Destabilisierungsversuche von „Feinden Russlands“ und Kräften in der Ukraine gesprochen. Das zentrale russische Ermittlungskomitee teilte am Montag in Moskau mit, die Menschen seien über Telegram-Kanäle zu gewaltsamen Protesten aufgerufen worden und hätten dann „Pogrome“ begangen.

„Mehr als 150 aktive Teilnehmer an den Unruhen wurden identifiziert, 60 von ihnen wurden festgenommen“, erklärte das russische Innenministerium am Montag. Neun Polizisten seien verletzt worden, zwei von ihnen seien ins Krankenhaus gebracht worden. Die Beamten hätten zudem vollständig die Kontrolle über den Airport Machatschkala übernommen.

Die Ukraine wies die russischen Vorwürfe zurück. „Die Vorgänge in Machatschkala spiegeln den tief verwurzelten Antisemitismus der russischen Eliten und Gesellschaft wider“, schrieb der ukrainische Außenamtssprecher, Oleh Nikolenko, am Montag bei Facebook.

Moskau versuche mit seinen Vorwürfen gegen Kiew nur, die Verantwortung abzuschieben. Der Aufruhr sei vielmehr Folge der „russischen Staatspropaganda, die jahrzehntelang unter den Russen das Gefühl von Hass gegen andere Völker kultivierte“.

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Der internationale Teil des Flughafens wurde wegen der Zerstörungen an der Infrastruktur vorübergehend stillgelegt, er soll in der Nacht zum Dienstag wieder geöffnet werden. Russische Medien berichteten von Tausenden Teilnehmern an den nicht genehmigten Protesten.

Der Präsident Dagestans, Sergej Melikow, sprach bei einem Besuch auf dem Airport von einem gezielten Versuch, die Lage in Dagestan destabilisieren zu wollen. Er warf Kräften in der Ukraine vor, die Bürger über Telegram-Kanäle zu religiösem Hass und Gewalt aufgerufen zu haben.

In der Region im Nordkaukasus kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Protesten auch etwa gegen die Zwangsrekrutierung von Bürgern für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Melikow warf den „Feinden Russlands“ vor, Spannungen im Land schüren zu wollen.

Die dagestanische Führung hatte sich angesichts der Lage in Nahost solidarisch erklärt mit den Palästinensern. Zugleich kritisierten die lokalen Behörden sowie muslimische und zahlreiche andere Organisationen die gewaltsamen Proteste. Die islamische Geistlichkeit der Region stellte klar: „Der Antisemitismus hat keinen Platz im multiethnischen Nordkaukasus.“

Wegen der Gewalt im Nahen Osten hatte sich Präsident Wladimir Putin vergangene Woche mit den Oberhäuptern der in Russland vertretenen Religionen getroffen. Dabei beschwor er ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen in dem großen Land.

Wütender Mob durchbrach Zäune

Die Angreifer vom Sonntag liefen Medienberichten zufolge sowohl auf das Rollfeld als auch das Dach des Flughafens. Zuvor war dort eine Maschine aus Tel Aviv gelandet, in der angeblich Flüchtlinge aus Israel saßen.

Im Online-Netzwerk Telegram und auf X veröffentlichte Videos zeigen, wie Männer Zäune durchbrachen, Türen im Terminal eintraten und versuchten, Autos beim Verlassen des Flughafens zu kontrollieren. Auf einigen waren Gruppen mit Palästina-Flaggen zu sehen.

Ausschreitungen am Flughafen in Dagestan.
Ausschreitungen am Flughafen in Dagestan.

© AFP/-

Bei dem Vorfall seien mehr als 20 Menschen verletzt worden. Zehn Menschen seien im Krankenhaus behandelt worden, zwei von ihnen befänden sich in kritischem Zustand, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass in der Nacht zum Montag unter Berufung auf das örtliche Gesundheitsministerium.

Der Flugplatz wurde vorübergehend geschlossen, ankommende Flugzeuge wurden auf andere Flughäfen umgeleitet, wie die staatliche Flugaufsicht Rosawiazija Tass zufolge mitteilte. Später teilte Rosawiazija mit, Sicherheitskräfte hätten das Gelände geräumt. Der Flughafen bleibe aber bis zum 6. November geschlossen.

Laut der Website Flightradar war ein Flug der russischen Fluggesellschaft Red Wings aus Tel Aviv um 19 Uhr Ortszeit in Mahachtschkala gelandet. Dem unabhängigen russischen Medium Sota zufolge handelte es sich um einen Transitflug, der um 21 Uhr nach Moskau weiterfliegen sollte.

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Bevor sie in den Flughafen eindrangen, hatten einige der Männer noch versucht, die Reisepässe von Passagieren auf der Suche nach israelischen Staatsbürgern zu kontrollieren. Auf den Videos war zu sehen, wie einer ein Schild mit der Aufschrift „Kindermörder haben keinen Platz in Dagestan“ hochhielt. Andere riefen demnach „Allahu Akbar“ (Gott ist groß).

Viele russische Muslime halten zu Palästina

Die USA verurteilten die „antisemitischen Proteste“ in Dagestan „energisch“. „Die USA stehen unmissverständlich an der Seite der gesamten jüdischen Gemeinschaft angesichts des weltweiten Anstiegs des Antisemitismus“, erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Adrienne Watson, auf X.

Es waren nicht die ersten antijüdischen Übergriffe im Nordkaukasus. Russland ist offiziell zwar ein Land vieler Völker und Religionen. Doch die russischen Muslime halten zu den Palästinensern.

Schon am Samstag umringte eine Menge aufgebrachter Menschen ein Hotel in der Stadt Chassawjurt in Dagestan, weil es das Gerücht gab, dort seien Flüchtlinge aus Israel untergebracht. Die staatliche Agentur Ria bestätigte diesen Vorfall. Nach örtlichen Berichten drangen mehrere Dutzend Männer in das Hotel ein, um angeblich die Pässe der Hotelgäste zu kontrollieren. Die Polizei riegelte das Hotel ab.

In Naltschik wurden am Sonntag Reifen neben einem jüdischen Kulturzentrum im Bau angezündet, wie die Nachrichtenagentur Ria meldete. Das Gebäude wurde nach Angaben der Sicherheitsbehörden der Teilrepublik Kabardino-Balkarie mit extremistischen Losungen beschmiert. Fotos zufolge stand dort „Tod den Juden“. In der Teilrepublik Karatschajewo-Tscherkessien riefen Demonstranten dazu auf, die örtliche jüdische Bevölkerung auszusiedeln.

Israel fordert Russland zum Schutz seiner Bürger auf

Israel rief nach dem jüngsten Vorfall am Flughafen von Machatschkala Russland zum Schutz aller israelischen Staatsbürger auf. Sein Land erwarte von den russischen Behörden, dass sie „alle israelischen Bürger und alle Juden schützen und entschlossen gegen die Randalierer sowie gegen die Aufstachelung zur Gewalt gegen Juden und Israelis vorgehen“, erklärte das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu.

Auch der ukrainische Präsident Selenskyj hat sich auf X zu dem Vorfall geäußert: „Dieser Vorfall in Machatschkala ist kein Einzelfall, sondern Teil der in Russland weit verbreiteten Kultur des Hasses gegenüber anderen Nationen, die vom Staatsfernsehen, von Fachleuten und Behörden propagiert wird“, schreibt Selenskyj. Er schreibt weiter, dass es sich um Antisemitismus handle, und dass auch und der russische Präsident zu diesem beitrage und antisemitische Ausdrücke benutze. (AFP, dpa, tsp)

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