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Giorgia Meloni wirft Mafia Kannibalismus vor.

© action press/Mauro Scrobogna/LaPresse

Aufregung um zwei Bücher in Italien: Meloni und die Kannibalen

Die italienische Regierungschefin wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Aber auch ein hochdekorierter General macht Schlagzeilen mit Hetztiraden.

Italien döst in den Sommerferien. Schlagzeilen liefern aktuell dafür zwei Bücher. Das erste stammt von einem bisher weitgehend unbekannten, aber hochdekorierten Armee-General namens Roberto Vannacci.

In seinem vor knapp zwei Wochen veröffentlichten Pamphlet mit dem programmatischen Titel „Il mondo al contrario“ rechnet der 55-jährige ehemalige Fallschirmjäger mit allen ab, die in seinen Augen für diese „verkehrte Welt“ - so die Übersetzung des Buchtitels - verantwortlich sind: mit der „Schwulen-Lobby“, den Feministinnen und natürlich mit den Migranten.

Die verbrächten, statt Italien für dessen Großherzigkeit dankbar zu sein, ihre Zeit damit, mit Drogen zu handeln und zu vergewaltigen. „Ich beanspruche für mich das Recht, meinen Hass und meine Geringschätzung öffentlich ausdrücken zu dürfen“, schreibt der General und Putin-Fan in einer Schlüsselpassage seines Werks.

„Persönliche Wahnvorstellungen eines Generals“

Vannaccis oberster Vorgesetzter, Verteidigungsminister Guido Crosetto, fackelte nicht lange und nannte den Inhalt des Buchs „persönliche Wahnvorstellungen eines Generals“, die „die Armee, die Verteidigung und die Verfassung“ in Misskredit brächten. Vannacci wurde in der Folge von der Militärführung von seinem Posten als Chef des Instituts für Militärkarten abgesetzt.

Crosetto ist Mitbegründer der von Giorgia Meloni angeführten postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia und enger politischer Vertrauter der Regierungschefin.

Mit seinem raschen und entschlossenen Handeln machte Crosetto klar, dass diskriminierende und rassistische Äusserungen keinen Platz haben in der Armee und in den staatlichen Institutionen - auch wenn viele Wählerinnen und Wähler der aktuellen Rechtsregierung wohl ähnlich denken wie der General.

Meloni fantasierte von „riesigen Nigerianern“

Dank Crosettos Intervention schien die Sache eigentlich erledigt. Doch dann tauchte am Wochenende ein zweites Buch mit dem Titel „Mafia Nigeriana“ auf. Es ist zwar schon etwas älter - es wurde 2019 veröffentlicht -, dafür aber stammt es aus einer sehr prominenten Feder: Giorgia Meloni firmiert als Ko-Autorin zusammen mit dem Publizisten, Impfgegner und Psychiater Alessandro Meluzzi.

Der Inhalt des Buchs: Krudeste rassistische Verschwörungstheorien, die die Tiraden von General Vannacci als geradezu harmlos erscheinen lassen. Meloni und Meluzzi phantasieren darin von „90 bis 100 Kilo schweren, riesigen Nigerianern, die unsere Sicherheitskräfte angreifen“. Sie seien alle „durchtrainiert und potentielle Mörder“ und würden von italienischen Richtern nach ihrer Verhaftung immer gleich wieder auf freien Fuß gesetzt.

In den abstrusesten Passagen des Buches werfen Meloni und Meluzzi der „Nigeria-Mafia“ auch Kannibalismus vor. Im Visier des Autoren-Duos ist insbesondere die Ethnie der Yoruba: Auf deren Wochenmärkten werde Menschenfleisch verkauft, wobei die „Kadaver der Weißen“ besonders nachgefragt seien.

Krude rechte Verschörungstheorien

Und: Die nigerianische Mafia habe nicht nur den Drogenhandel Italiens unter Kontrolle, sondern auch den Handel mit Organen, der über die Autostrada del Sole laufe, die Nord- mit Süditalien verbindet. Und natürlich darf in dem Machwerk auch die Gefahr der „Umvolkung“ nicht fehlen, die vor wenigen Monaten Melonis Schwager, Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida ins Regierungsvokabular einspeiste.

Die Nigerianerinnen, betonen Meloni und ihr Ko-Autor Meluzzi, brächten im Lauf ihres Lebens durchschnittlich fünf Kinder zur Welt, die Italienerinnen nur eines.

Die Turiner „La Stampa“, die am Wochenende zusammen mit anderen italienischen Zeitungen aus dem in Vergessenheit geratenen Buch der Regierungschefin zitierten, fragte sich ironisch, ob Crosetto dessen Inhalt ebenfalls als „persönliche Wahnvorstellungen“ der Autorin einstufen und ihre Entfernung aus dem Amt verlangen wird.

Der Verteidigungsminister hat sich, wie auch Meloni selber, bisher nicht dazu geäußert. Fest steht, dass Meloni seit ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin vor knapp einem Jahr ihre frühere fremdenfeindliche Rhetorik deutlich entschärft hat.

Aber gelegentlich fragt man sich in Italien schon, welches nun die wahre, die authentische Giorgia Meloni sei: Jene, die „Mafia Nigeriana“ mitverfasst hat, oder jene, die heute die Regierung führt und jeden Tag Hunderte von Bootsflüchtlingen durch die Küstenwache retten lässt.

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