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Das Urteil sei ungerecht, sagt Ex-Kanzler Kurz.

© imago/photonews.at/IMAGO/photonews.at/Georges Schneider

Bewährungsstrafe wegen Falschaussage: Was der Schuldspruch für Österreichs Sebastian Kurz bedeutet

Acht Monate auf Bewährung. So lautet das Urteil gegen Österreichs früheren Bundeskanzler. Weitere Verfahren drohen. Ist Sebastian Kurz’ politische Karriere damit am Ende?

Am Ende, nach dem Schuldspruch, steht er wieder im holzvertäfelten Vorraum des Wiener Landesgerichts und gibt ein Statement ab. Selbstbewusst sagt Sebastian Kurz, 37 Jahre alt und Ex-Bundeskanzler Österreichs, vor den Kameras: „Das Urteil ist sehr ungerecht.“ Er werde in Berufung gehen.

Kurz ist soeben, es ist Freitagabend nach 19 Uhr, zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden – wegen Falschaussage.

Er hat, so sieht es Richter Michael Radasztics, den Abgeordneten im Ibiza-Untersuchungsausschuss 2020 nicht die Wahrheit gesagt über seinen Einfluss bei der Vergabe wichtiger Aufsichtsratsposten im staatlichen österreichischen Großkonzern Öbag. Er hat der Anklage zufolge Leute aus seinem Geflecht installiert, um die Kontrolle zu haben.

Dabei war die Postenvergabe Sache des Finanzministeriums. Im Ausschuss und vor Gericht allerdings hatte Kurz behauptet, zwar „informiert“ gewesen zu sein, aber eben nicht selbst entschieden zu haben.

Das Ende des Prozesses ist ein kleiner Anfang der Aufklärung darüber, was in seiner Ära als einst strahlender Bundeskanzler und Hoffnungsmann von 2017 bis 2021 im Hintergrund geschehen ist.

Darüber, welche Seilschaften es gab, ob und wie er im sumpfigen System der „Freunderlwirtschaft“ die Macht gesteuert hat und vor allem, wo dabei möglicherweise gegen Gesetze verstoßen worden war.

„Entweder du bist mein Freund – oder du bist mein Feind.“ Das hatte Kurz zu Leuten im politischen Umfeld gesagt. Etwa zu Helmut Brandstätter, damals Chefredakteur der Wiener Tageszeitung „Kurier“, heute Politiker der linksliberalen Neos.

Ein Mann mit autoritärem Machtanspruch

Kurz war von vielen Seiten ein autoritärer Herrschaftsanspruch bescheinigt worden, den er mit einigen Mitteln durchgesetzt habe. Auch gegenüber seiner eigenen Partei, der konservativen ÖVP, die er sogar zu einem neuen Namen gezwungen hatte: „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“. Als „Messias“ tituliert, gewann Kurz Wahlen triumphal.

Doch es folgte der Chat-Skandal: Das Handy seines einstigen Vertrauten Thomas Schmid war in die Hände der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gelangt, mit vielen Tausenden von Nachrichten aus dem Innenleben des Machtapparats. Eine Vielzahl an Vorwürfen kam auf, Ermittlungen begannen, im Oktober 2021 trat Sebastian Kurz von seinen Ämtern zurück.

Meinungsumfragen sollen gegen Geld gefälscht worden sein

Im Berufungsverfahren wegen der Falschaussage will Kurz einen Freispruch erster Klasse, das ist klar. Doch weiterhin wird auch noch wegen ungleich schwererer Vorwürfe ermittelt, es drohen neue Prozesse.

Der einstige Vertraute Schmid ist ins Lager der Anklage übergelaufen. Er will Kronzeuge werden und hofft damit auf eine mildere Strafe für sich selbst. Das gilt auch für eine einstige Meinungsforscherin.

So macht Kurz 2017 Wahlkampf.
So macht Kurz 2017 Wahlkampf.

© REUTERS/Heinz-Peter Bader

Der Vorwurf lautet, dass – finanziert mit Steuergeldern – verschiedene Boulevardzeitungen ÖVP-Inserate erhielten und dafür wohlwollende Berichterstattung geliefert haben sollen. Auch sollen Meinungsumfragen zugunsten von Kurz und seiner Partei gegen Geld gefälscht worden sein. Die Aufarbeitung der Vorwürfe vor Gericht wird Jahre dauern.

Er kann Menschen begeistern, das ist unstrittig

Kurz hat immer wieder gesagt, dass sein Ausstieg aus der Politik endgültig ist. Er hat das Wirtschaftsberatungsunternehmen „SK“ gegründet und seine halbe Entourage von früher mitgenommen. Dass er das Zeug dazu hat, im Gegensatz zu vielen anderen Politikern der Alpenrepublik, Menschen zu begeistern, ist unstrittig. Ebenso sein Machthunger.

Österreich ist in vielerlei Hinsicht gespalten. Manche wünschen den „Basti“ zurück, andere fordern die Aufklärung der Vorwürfe. Kurz zeigt sich gern in der Öffentlichkeit, stellt zum Beispiel Bücher vor.

Ist er abgeschrieben? Im ORF sagt Peter Filzmeier, Grandseigneur der österreichischen Politikwissenschaft: „Einen 37-Jährigen sollte man nicht ad acta legen.“

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