zum Hauptinhalt
Die Vertreter der Asean-Staaten in Indonesien.

© REUTERS/Pool

Das widersprüchlichste Bündnis der Welt: Kann der Staatenbund Asean den Konflikt in Myanmar lösen?

Demokratie, Monarchie und Militärjunta: Die zehn Mitglieder des Gipfels könnten unterschiedlicher kaum sein. Das hat Auswirkungen auf seine Handlungsfähigkeit.

Ein Gastbeitrag von Ansgar Graw

„Epizentrum für Wachstum“ – so preist Indonesiens Staatspräsident Joko „Jokowi“ Widodo den südostasiatischen Staatenverbund Asean. Von Dienstag bis Donnerstag ist Jokowi Gastgeber des 42. Asean-Gipfels auf der Insel Flores, lobte vorab die „schnell wachsende, integrative und nachhaltige Wirtschaftsregion“. Der Staatenverbund bleibe „wichtig für seine Menschen, die Region und die Welt“, sagte er.

Zudem rief er zu einem Ende der Gewalt in Myanmar auf. Der Block versucht schon lange, in dem Konflikt zu vermitteln, der nach der Entmachtung von De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi entbrannt ist – bisher erfolglos.  

Erst zu Wochenbeginn sei ein Konvoi der Asean, in dem auch zwei Diplomaten aus Indonesien und Singapur unterwegs waren, in Myanmar unter Beschuss geraten, sagte Präsident Widodo am Dienstag vor Journalisten. Der Angriff werde die Entschlossenheit seines Landes und der Asean aber nicht mindern, Myanmar Frieden zu bringen, erklärte Widodo in dem Fischerdorf Labuan Bajo. In Richtung Militärjunta, die zu dem Gipfel nicht eingeladen ist, sagte er: „Stoppen Sie die Gewalt, weil das nur Zivilisten schadet und niemandem etwas nützt.“

Kritiker werfen der Asean aber vor, nicht hart genug gegen Myanmars Führung vorzugehen. Die Mitgliedsstaaten hatten sich im April 2021 auf einen Fünf-Punkte-Plan zur Lösung der Krise verständigt. Dieser sieht unter anderem ein sofortiges Ende der Gewalt und einen Dialog aller Konfliktparteien vor. Bis heute hat die Junta aber keinerlei Willen gezeigt, den Plan zu erfüllen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

An selbstbewussten Zielen hat es Asean nie gemangelt. Die zehn Mitglieder beschwören seit Jahrzehnten einen gemeinsamen Markt nach Vorbild der Europäischen Union. Aber ihre Heterogenität relativiert jeden Schulterschluss. Gäbe es einen Wettbewerb um den widersprüchlichsten Staatenverbund der Welt, hätte Asean gute Aussichten auf den Preis.

670
Millionen Menschen leben im Staatenblock Asean.

Regierungssysteme

Asean gründete sich im August 1967 als antikommunistische Trutzburg der untereinander damals teilweise verfeindeten Staaten Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand. Heute setzen sich die Mitglieder zusammen aus mehr oder weniger ambitionierten oder gar nur nominellen Demokratien (Indonesien, Kambodscha, Malaysia, Philippinen, Singapur), konstitutionellen (Thailand) und absoluten Monarchien (Brunei), einem Militärregime (Myanmar) – und mit Vietnam und Laos sogar zwei marxistisch-leninistische Einparteiensysteme.

Indonesische Spezialeinheiten sichern den Veranstaltungsort auf der Insel Flores.
Indonesische Spezialeinheiten sichern den Veranstaltungsort auf der Insel Flores.

© AFP/WILLY KURNIAWAN

Religion

Es gibt territoriale Spannungen zwischen Mitgliedsländern, etwa Thailand und Kambodscha. Auch religiös geht es nirgends auf dem Globus diverser zu als unter den 670 Millionen Südostasiaten: 42 Prozent der Menschen gehören dem Islam an, zumeist der sunnitischen Richtung. Das macht sie aber zu keinem geschlossenen Block. Die fundamentalistischen Achinesen auf Sumatra führten bis 2005 einen nahezu 30-jährigen blutigen Sezessionskampf gegen das aus ihrer Sicht zu säkulare Indonesien. Buddhisten und Christen stellen jeweils rund 18 Prozent der Bevölkerung, Hindus etwa ein Prozent.

10
Mitglieder gehören zum Asean-Bündnis.

Bruttosozialprodukt

In der Asean-weiten Freihandelszone mit Importsteuern von zumeist maximal fünf Prozent müssen das finanzielle Powerhouse Singapur (Bruttosozialprodukt pro Kopf 66.000 EUR) und die Armenstube Myanmar (1.100 EUR) kooperieren. Das erschwert eine Integration von Banken, Märkten und sonstigen Institutionen.

Der Zusammenschluss wird noch bunter, wenn China, Japan und Südkorea an den 1997 eingeführten Sonderkonferenzen von „Asean plus drei“ teilnehmen. Zehn Jahre später wurde daraus durch Australien, Indien und Neuseeland gar „Asean plus sechs“.

In einer aktuellen Umfrage des Singapurer Thinktanks ISEAS äußern 83 Prozent der befragten Entscheidungsträger aus allen zehn Asean-Staaten die Sorge, die Organisation arbeite zu langsam und ineffizient. 61 Prozent monieren mangelnde Einigkeit und 73 Prozent befürchten, Asean entwickle sich zu einer Arena des Machtkampfes zwischen den USA und China.

Problem-Mitglied Myanmar

Ohne Geschlossenheit fehlt es an Durchsetzungsfähigkeit: Nach dem Militärputsch in Myanmar im Februar 2021 einigten sich zwar die übrigen neun Asean-Staaten und die Junta binnen zwei Monaten auf einen zunächst viel gelobten Fünf-Punkte-Konsens.

Ein Asean-Sondergesandter sollte den Dialog vermitteln. Doch obwohl die indonesische Regierung, die aktuell den jährlich rotierenden Asean-Vorsitz innehat, ihre „stille Diplomatie“ verteidigt, hat sich nichts zum Besseren gewendet. Das Militär geht mit unveränderter Härte gegen die pro-demokratische Opposition vor, die umfangreichen Teilen des Landes – die Lage in Myanmar, dessen Militärjunta nicht nach Indonesien eingeladen wurde, ist eines der wichtigsten Themen bei den Beratungen auf dem Gipfel.

Der ausbleibende Erfolg der Asean-Bemühungen hat Indien auf den Plan gerufen. Seit März führt es sogenannte „Track 1.5“-Gespräche, an denen neben Junta-Vertretern Repräsentanten von Bangladesch, China und Japan sowie den Asean-Ländern Indonesien, Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam teilnehmen. Asean habe die „Geduld einiger Anrainer“ bei seiner Politik der stillen Diplomatie überschätzt, heißt es aus Neu-Delhi.

Die Bucht am Hafen von Labuan Bajo, Tor zum Komodo-Nationalpark
Die Bucht am Hafen von Labuan Bajo, Tor zum Komodo-Nationalpark

© dpa/Achmad Ibrahim

Suche nach Minimal-Kompromiss

Die ständige Suche nach dem Minimalkompromiss zwischen unterschiedlichsten Interessen lässt den Kompass der Organisation regelmäßig tanzen. Aber der geringe Grad an Integration bietet auch Vorteile. Asean ist eine flexible und offene Organisation mit einer großen Bandbreite an multilateralen Kontakten der einzelnen Mitglieder.

China ist der wichtigste Handelspartner, aber ein stärkeres geostrategisches Engagement der USA wird sehr gewünscht, zumal etliche Asean-Länder mit Peking um Territorien im südchinesischen Meer streiten.

Europa genießt einen guten Ruf, gilt allerdings nicht als starker Player in der Region. Und so mag die mangelnde Logik der extremen Diversität letztlich Aseans größter Joker sein: Eine umfassende Integration ist nicht möglich. Aber ohne die lockere, sich langsam konkretisierende Einbettung wäre die weitgehende Stabilität zwischen den Staaten Südostasiens kaum denkbar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false