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Demonstration in Florenz gegen die Attacke vor dem Michelangiolo-Gymnasium

© action press/Gianni Pasquini

Italien von rechts: Prügel und Politik

Der Angriff auf Schüler vor einer Schule in Florenz beschäftigt Italien. Die Angreifer gehören zum Umfeld der Regierungspartei, deren Chefin Meloni schweigt. Was sagt das über sie?

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Vor der ersten Schulstunde setzt es Prügel, zwei junge Leute müssen ins Krankenhaus. So geschehen vor genau einer Woche vor dem Eingang eines Gymnasiums in Florenz. Na und, möchte man sagen. Auf und vor dem Schulhof wird schon mal geschlagen, es wird gemobbt, beleidigt. Traurig, aber so ist das halt – was soll’s?

In Italien hat der Vorfall ein weitaus größeres Echo ausgelöst, und dafür gibt es gute Gründe. Traurige. Die Angreifer nämlich waren Mitglieder der rechtsextremen „Azione Studentesca“, früher eine Gliederung der postfaschistischen Partei Alleanza nazionale, die sich inzwischen aufgelöst hat.

Die Nachfolgerin „Fratelli d’Italia“, Partei der amtierenden italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, hält sich AS zwar nicht als offizielle Organisation, aber es gibt enge Verbindungen . Die Reaktion von FdI auf die Prügel von Florenz war beredt: Schweigen. Schweigen auch, als Kameraden der Prügler vor der Schule ein Spruchband anbrachten, indem sie, ausgerechnet, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung für bedroht erklärten.

Schlimmer wurde dann allerdings das Ende der römischen Schweigeübung. Der Schulminister reagierte erst, als eine Florentiner Schulleiterin sich in einem Brief an ihre Schüler:innen wandte und sie aufforderte, derlei entgegenzutreten.

Die Schulleiterin nimmt ihre demokratische Pflicht ernst

Sie erinnerte daran, dass auch der Faschismus, der in Italien zwei Jahrzehnte herrschte, klein begonnen hatte, „auf irgendeinem Bürgersteig“, wo faschistische Schlägertrupps die angriffen, die ihnen nicht passten. „Politisierung“ der Schule, schimpfte der Minister, Ex-Alleanza-Mann Valditara. Gegen derlei werde er notfalls „Maßnahmen ergreifen“.

Dass alles schon nicht so schlimm wird, haben wir auf diesem Kontinent in den letzten hundert Jahren schon zu oft geglaubt.

Andrea Dernbach

Die Politisierung, die er so fürchtet, ist nichts anderes als Verteidigung der italienischen Verfassung, die sich auf den Antifaschismus gründet. Annalisa Savino, die Schulleiterin, hat die Prinzipien des modernen, demokratischen Italien verteidigt.

Sie hat ihre Pflicht als Pädagogin im öffentlichen Schulsystem eines demokratischen Staats ernst genommen. Dass ein Minister der Republik dies als parteipolitische Instrumentatlsierung einordnet, verrät, was er von den Prinzipien der Verfassung hält, auf die er geschworen hat.

Melonis Schweigen ist Zustimmung

Schlimmer noch ist das Schweigen der Ministerpräsidentin. Giorgia Meloni tut viel, um als ganz normale Konservative zu gelten, Hier hätte sie nicht nur die Möglichkeit gehabt, dies zu beweisen. Sie hätte es beweisen müssen.

Doch sie tut es nicht – und macht damit objektiv klar, dass sie Gewalt für ein Mittel der politischen Auseinandersetzung hält. Ein Bruch mit der postfaschistischen Vergangenheit sieht anders aus. Den wollte sie ja auch erklärtermaßen nie. Jetzt zeigt sich, dass das keine vernachlässigbare Folklore ist.

Es ist menschlich zu glauben, dass alles schon nicht so schlimm werde. Das wurde in den letzten hundert Jahren auf unserem Kontinent allerdings schon zu oft geglaubt - auch von denen, für die es später am schlimmsten wurde. Man muss nicht „Achtung, Faschismus!“ schreien. Autoritarismus, Gewalt und das Schweigen darüber: Es gibt genug zu fürchten. Und es begann, eben, oft genug auf irgendeinem Bürgersteig.

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