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Irakische Botschaft in Schweden.

© REUTERS/TT NEWS AGENCY

Koran-Schändung vor irakischer Botschaft in Stockholm: Türkei schaltet sich mit Haftbefehl gegen Politiker in Streit ein

Bei einer Kundgebung vor der irakischen Botschaft in Schweden sollte am Donnerstag ein Koran verbrannt werden, im Irak kam es zu Demonstrationen. Nun mischt sich die Türkei ein.

Der Streit zwischen dem Irak und Schweden wegen der Verbrennung eines Korans weitet sich auf die Türkei aus. Der türkische Justizminister Yilmaz Tunc teilte am Freitag mit, es seien Haftbefehle gegen den Politiker Rasmus Paludan und neun weitere Verdächtige erlassen worden, die im Januar vor der türkischen Botschaft in Stockholm einen Koran verbrannt haben sollen.

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf umfassende Ermittlungen gedrängt, um die Verdächtigen zu identifizieren und eindeutige Informationen zur Identität und Beweise für ihre kriminellen Handlungen zu sammeln“, erklärte er.

Unterdessen zog Schweden das gesamte Personal seiner Botschaft aus Bagdad aus Sicherheitsgründen ab. Die Aufgaben der diplomatischen Vertretung im Irak würden übergangsweise von Schweden aus wahrgenommen, teilte das Außenministerium in Stockholm mit. In der Nacht zum Donnerstag hatte eine aufgebrachte Menge die schwedische Botschaft in Bagdad erstürmt und in Brand gesteckt.

Paludan rechtferitgt Koran-Verbrennungen

Die Entscheidung zur Ausstellung des Haftbefehls wurde von einem Gericht in Ankara getroffen. Paludan sagte dem schwedischen Sender SVT: „Ich denke, dies zeigt den Unterschied im Justizsystem der verschiedenen Länder. Sie müssen verstehen, dass etwas, das in der Türkei illegal sein mag, in Schweden nicht unbedingt illegal ist. In Schweden hat sich bereits ein Staatsanwalt meinen Fall vom Januar angesehen und entschieden, dass er nicht illegal war.“

Er sei wegen des Haftbefehls nicht kontaktiert worden. „Wenn sie mich befragen wollen, können sie mich anrufen. Normalerweise lege ich nicht sofort auf, aber ich werde wahrscheinlich lachen, wenn sie mich kontaktieren.“ Nach dem Vorfall hatte Ankaras Generalstaatsanwaltschaft eine Untersuchung gegen Paludan eingelietet, dem „öffentliche Beleidigung religiöser Werte“ vorgeworfen wird.

Geflüchteter tritt Koran vor irakischer Botschaft in Schweden

Auslöser des Haftbefehls war eine von der schwedische Polizei genehmigte Kundgebung vor der irakischen Botschaft in Stockholm, bei der ein Koran verbrannt werden sollte. Nach Augenzeugen-Berichten wurde bei der Protestaktion am Donnerstag ein von Demonstranten als Koran bezeichnetes Buch mit Füßen getreten und beschädigt. Noch während der Kundgebung berief der Irak seinen Botschafter in Stockholm ab.

Hinter der Protestaktion steckt der irakische Flüchtling Salwan Momika. Gegen ihn wird bereits seit einer Koranverbrennung am 28. Juni wegen möglicher Volksverhetzung sowie Verstoßes gegen ein Feuerverbot ermittelt. Zum Motiv seiner Aktionen sagte der 37-Jährige, er wolle die schwedische Gesellschaft auf die Gefahr hinweisen, die vom Koran ausgehe.

Bei beiden Aktionen trug Momika eine eckige Sonnenbrille und zeigte sich unbeeindruckt von den Obszönitäten, die ihm Gegendemonstranten entgegenbrüllten - ein Grinsen stand ihm im Gesicht.

Vor seinen Koran-Schändungen war Momika wenig bekannt. Aus den Onlinenetzwerken lässt sich rekonstruieren, dass er auch schon im Irak politisch aktiv, diese Betätigung aber sehr wechselhaft war. So stand Momika während der Kämpfe gegen die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) mit einer bewaffneten christlichen Gruppe in Verbindung. Ferner taucht sein Name im Zusammenhang mit der Gründung einer obskuren syrischen Partei auf.

Schwedische Behörden ermitteln gegen Volksverhetzung

Die schwedischen Behörden ermitteln nun erneut wegen möglicher Volksverhetzung. Man habe eine entsprechende Anzeige erstellt, eine Voruntersuchung unter Führung einer Staatsanwältin sei aufgenommen worden, teilte die Stockholmer Polizei am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Kritik an Religionen ist in Schweden von der Meinungsfreiheit gedeckt. Inwieweit das Anzünden des Korans als Volksverhetzung betrachtet werden kann, ist in dem skandinavischen EU-Land bislang aber noch nie von einem Gericht geprüft worden.

Demonstrationen im Irak und Iran

Allein die Genehmigung der Versammlung durch die Polizei hatte bereits vor der eigentlichen Aktion zu einem Angriff wütender Demonstranten auf die schwedische Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad geführt.

Auch im Iran sind zahlreiche Demonstranten auf die Straßen gegangen. An den staatlich organisierten und landesweiten Protesten nahmen Gläubige nach dem Freitagsgebet teil, wie der staatliche Rundfunk berichtete. Bereits am Donnerstagabend wurde der schwedische Botschafter ins Außenministerium in der Hauptstadt Teheran einbestellt, eine scharfe Form des diplomatischen Protests.

In Schweden sind bereits mehrmals bei Protestaktionen Ausgaben des Korans verbrannt worden. Der Rechtsextremist Paludan, der die schwedische und dänische Staatsbürgerschaft besitzt, zündete im Januar nahe der türkischen Botschaft in Stockholm einen Koran bei einer anti-türkischen Kundgebung an.

Schon damals verurteilte die Regierung in Ankara den „abscheulichen Angriff auf unser heiliges Buch“. (Reuters, dpa, AFP, Tsp)

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