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Auf einem Plakat in Pristina: Kosovos früherer Präsident Hashim Thaci (l.) und der ehemalige Parlamentssprecher Kadri Veseli.

© AFP/Armend Nimani

Kosovos „Schlange“ : In Den Haag beginnt der Prozess gegen Ex-Präsident Hashim Thaci

Am Montag steht der frühere Präsident des Kosovo in Den Haag vor Gericht. Als Kommandant der „Befreiungsarmee“ UCK soll er schwere Kriegsverbrechen begangen haben.

Seine Anhänger feiern Kosovos früheren Präsidenten Hashim Thaci als Kriegshelden, seine Ankläger machen ihn für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich. Am Montag beginnt vor dem Sondergerichtshof in Den Haag der Prozess gegen den 54-Jährigen und drei weitere frühere Kommandanten der „Befreiungsarmee“ UCK.

Ob als Premier, Präsident, Außenminister, Parteichef oder Günstling des Westens – kaum ein anderer Politiker hat die Geschicke des seit 2008 unabhängigen Landes so geprägt wie Thaci. Auf der Anklagebank wird er mehr als 24 Jahre nach Ausbruch des Kosovokriegs 1999 nun noch einmal im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stehen.

Vorwurf der schweren Kriegsverbrechen

Mehr als zwei Jahre nach seiner Inhaftierung wird vor dem sogenannten Kosovo-Sondergerichtshof der Prozess gegen ihn und drei weitere UCK-Militärs eröffnet. Die Anklage wirft ihnen die Verantwortung für schwere Kriegsverbrechen an Zivilisten und politischen Rivalen vor. „Die Schlange“ lautete Thacis Kampfname zu Kriegszeiten.

Nicht nur Angehörige der serbischen Minderheit, sondern auch Roma und Albaner sollen mit dem Wissen der Angeklagten in geheimen UCK-Lagern in Kosovo und Nordalbanien vom März 1998 bis September 1999 gefoltert und ermordet worden sein.

Wie Thaci waren auch seine Mitangeklagten – der frühere Parlamentsvorsitzende Kadri Vesili (PDK), der einstige NISMA-Chef Jakup Krasniqi und der frühere Vetevendosje-Fraktionschef Rexhep Selimi – ranghohe Politiker, als sie sich im November 2020 dem Sondergerichtshof stellten.

Zeugen starben unter ominösen Umständen

Das Medieninteresse in Kosovo an dem Prozess ist groß, das Verständnis für die Anklagen allerdings gering: Viele empfinden den Sondergerichtshof als einseitig gegen die UCK gerichtet.

Tatsächlich hatte die juristische Aufarbeitung mutmaßlicher Kriegsverbrechen der UCK lange unter dem mangelhaften Zeugenschutz gelitten. So wurde der frühere UCK-Kommandant und Ex-Premier Ramush Haradinaj vor dem UN-Tribunal 2012 auch in zweiter Instanz freigesprochen, nachdem mehrere Zeugen unter merkwürdigen Umständen verstarben oder ihre Aussagen zurückgezogen hatten.

Thacis Kampfname in Kriegszeiten lautete „die Schlange“.
Thacis Kampfname in Kriegszeiten lautete „die Schlange“.

© AFP/Shaun Curry

Schon vor der Eröffnung des Prozesses gegen den früheren UCK-Kommandanten Fitmir Limaj vor einem heimischen Gericht wurde der geschützte „Zeuge X“ 2015 in einem Duisburger Park erhängt aufgefunden – angeblich ein Selbstmord.

Schon 2010 hatte der damalige Europarat-Berichterstatter Dick Marty einen Rapport veröffentlicht, der Thaci und der UCK zahlreiche Kriegsverbrechen vorwarf. Thaci war Außenminister und Vizepremier, als Kosovos Parlament 2015 auf starken Druck des Westens die Einrichtung des Sondergerichtshofs außerhalb der Landesgrenzen in Den Haag beschloss. 2017 nahm das Gericht seine Arbeit auf. Im November 2020 wurden die ersten Anklagen erhoben – auch gegen den damals amtierenden Staatschef Thaci.

Thacis Anwälte fordern Freispruch

Doch erst zwei Jahre später verkündete der Sondergerichtshof sein erstes Kriegsverbrecherurteil: Im Dezember wurde der frühere UCK-Kommandant Salih Mustafa wegen der ihm zu Last gelegten Folterung und Ermordung von Kosovo-Albanern in erster Instanz zu einer Haftstrafe von 26 Jahren verurteilt.

Die alten Jungs haben in Prtistina keinerlei Einfluss mehr.

 Lulzim Peci, Direktor des KIPRED-Instituts

Auch die Sorge um die Sicherheit der Zeugen hatte den ursprünglich im Frühjahr 2021 geplanten Auftakt der nun beginnenden Prozesse immer wieder verzögert. In deren langen Vorbereitung sehen die Verteidiger von Thaci allerdings auch ein Indiz, dass die Anklage auf tönernen Füßen stehe.

Die Argumentation der Verteidigung für den geforderten Freispruch: In der „Graswurzel“-Armee der UCK habe es keine klare hierarchische Kommandokette gegeben. Als deren politischer Führer könne Thaci, der sich bis März 1999 meist gar nicht im Kosovo aufgehalten habe, kaum für etwaige Kriegsverbrechen einzelner UKC-Kämpfer verantwortlich gemacht werden.

Angesichts der Vielzahl der von der Anklage und der Verteidigung aufgebotenen Zeugen wird in den Haag mit einem jahrelangen Prozess gerechnet. Gleichzeitig hat der Sondergerichtshof einen auffälligen Generationswechsel auf Kosovos Politparkett bewirkt: Nicht mehr die UCK-Legenden des Kosovokriegs, sondern eine jüngere Politikergeneration bestimmt in Pristina nun das Geschehen.

Zwar prangt ein überlebensgroßes Porträt von Hashim Thaci noch immer in der Fußgängerzone in Pristina. Doch laut Lulzim Peci, dem Direktor des renommierten KIPRED-Instituts, haben „die alten Jungs in Den Haag“ selbst in ihren Parteien „keinerlei Einfluß mehr“: „Die Medien berichten über sie. Manchen Leuten tun sie leid. Allen anderen sind sie egal.“

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