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Die UN-Mission veröffentlichte am Dienstag einen neuen Bericht über die Lage der Menschenrechte in der Ukraine.

© dpa/Leo Correa

Krieg in der Ukraine: UN-Ermittler dokumentieren Folter und Mord

Putins Truppen exekutierten mindestens 77 inhaftierte ukrainische Zivilisten. Ein neuer UN-Bericht zeigt auch, wie grausam sie ihre Opfer misshandelten – und Verbrechen der ukrainischen Seite.

Von Jan Dirk Herbermann

Folter, Vergewaltigungen, Hinrichtungen: Die russischen Truppen haben nach Erkenntnissen von UN-Ermittlern Kriegsverbrechen in einem großen Ausmaß an gefangenen Zivilisten in der Ukraine verübt.

Das geht aus einem Bericht über Inhaftierungen hervor, den die Mission der Vereinten Nationen zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine am Dienstag in Genf veröffentlichte.

Die dokumentierten Verbrechen könnten in Strafverfahren Verwendung finden. Vor dem aktuellen Bericht hatten die UN schon mehrere Auflistungen russischer Verbrechen publik gemacht. Der Report über die Jagd auf Zivilisten trägt nun weiter dazu bei, das Ausmaß der russischen Gewalt in der Ukraine transparent zu machen.

Folter ist alltäglich

Die Ermittler dokumentierten jetzt 864 Fälle willkürlicher Inhaftierungen von Zivilisten durch russische Einheiten. Der Zeitraum erstreckt sich von Beginn der großangelegten Invasion der russischen Armee im Februar 2022 bis Mai 2023.

Wir haben dokumentiert, dass über die Hälfte der willkürlich Inhaftierten von den ukrainischen Sicherheitskräften gefoltert oder misshandelt wurden.

Matilda Bogner, Chefin der Ermittlungen

„Die tatsächlichen Zahlen sind sehr viel höher“, sagte die Chefin der Ermittler, Matilda Bogner.

Die australische Strafrechtlerin und ihre Kollegen sammelten Beweise für die willkürliche Hinrichtung von 77 inhaftierten Zivilisten. Bei diesen Exekutionen handelt es sich nach Aussage Bogners um Kriegsverbrechen. An den Orten, an denen die russischen Besatzer ihre Opfer festhielten, standen Misshandlungen, Folter und sexuelle Gewalt auf der Tagesordnung.

Damit wollten die Russen von den Ukrainern Geständnisse erpressen, sie zur Kollaboration zwingen oder einschüchtern.

Die UN-Ermittler zitieren einen Mann, der während seiner Festsetzung in der Region Cherson von russischen Soldaten schwer gefoltert wurde. „Woher haben sie nur diese Brutalität?“ fragte er.

Bogner berichtet über Praktiken der russischen Eroberer, die das menschliche Leid der ukrainischen Zivilisten erahnen lassen: Schläge, Schnitte, Einstechen von scharfen Gegenständen unter die Fingernägel, Würgen, Waterboarding, Elektroschocks, Stresspositionen über lange Zeiträume, kalte Temperaturen, Hitze in einer sogenannten „Hot Box“, die sogar zum Tod führen könne, Wasser- und Nahrungsentzug sowie Scheinhinrichtungen.

Misshandlung auch durch Ukrainer dokumentiert

Die Peiniger setzten auch sexuelle Gewalt ein: Vergewaltigungen, Drohungen gegen die Opfer und ihre Angehörigen, Stromschläge auf bestimmte Körperteile, erzwungene Entkleidung.

Die Spurensucher legten auch den Sicherheitskräften der Ukraine willkürliche Inhaftierungen von Zivilisten in 75 Fällen zur Last. „Wir haben dokumentiert, dass über die Hälfte der willkürlich Inhaftierten von den ukrainischen Sicherheitskräften gefoltert oder misshandelt wurden“, erklärte Bogner. „Dies geschah während des Verhörs, in der Regel unmittelbar nach der Verhaftung.“

864
Fälle willkürlicher Inhaftierungen von Zivilisten wurden bei der UN-Ermittlungen aufgedeckt.

Während ukrainische Behörden nahezu vollständig mit den UN-Fachleuten bei der Erfassung von Verbrechen kooperierten, lehnten die Russen jegliche Zusammenarbeit mit den Experten ab.

Der UN-Bericht fußt auf 1.136 Interviews mit Opfern, Zeugen und anderen Hinweisgebern sowie Besuchen vor Ort. Weitere Ermittlungen sollen folgen.

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