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Ukrainische Soldaten feuern eine Kanone in der Nähe von Bachmut in der Region Donezk ab.

© dpa/Libkos

Update

„Ukrainer haben massive Überlegenheit“ : Russische Soldaten berichten von Chaos an der Front in Bachmut

Die Ukraine meldet einen „ersten Erfolg“ der Offensive rund um Bachmut. Das liegt wohl auch an den russischen Einheiten vor Ort. Deren Berichte deuten auf eine prekäre Lage hin.

| Update:

Über das Wochenende haben ukrainische Truppen an den Flanken der hart umkämpften Stadt Bachmut weitere Erfolge erzielt, teilte der Befehlshaber der ukrainischen Bodentruppen, Oleksandr Syrskyj, am Montag im Onlinedienst Telegram mit. Syrskyj soll sich seit einigen Tagen in Bachmut befinden und von dort die Operation steuern, wie es aus ukrainischen Armeequellen heißt.

Die letzten Tage hätten gezeigt, schreibt Syrskyj, „dass wir auch unter solch extrem schwierigen Bedingungen voranschreiten und den Feind vernichten können. Wir kämpfen mit weniger Ressourcen als der Feind. Gleichzeitig gelingt es uns, seine Pläne zu zerstören.“

Die russischen Truppen auf der Gegenseite berichten derweil, dass die ukrainischen Einheiten in vielen Bereichen überlegen seien. Laut Berichten von russischen Soldaten vor Ort herrscht in den russischen Reihen rund um Bachmut Chaos. Es gebe keine funktionierenden Kommandostrukturen, teilweise würden Rekruten in Blitzaktionen ohne klare Befehle an die Front verlegt, um Löcher in der Verteidigung zu schließen.

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Ein ehemaliger Offizier der ukrainischen Armee berichtet auf Twitter unter Berufung auf Aussagen von Kriegsgefangenen, dass Reserveeinheiten ohne Training und Einweisung innerhalb von Tagen an die Front beordert wurden. Diese Einheiten seien dann weitgehend aufgerieben worden, mit Verlusten von fast der Hälfte der Soldaten. Die Moral der russischen Truppen nehme rapide ab.

Ukrainische Panzer sind in der Nähe von Bachmut im Einsatz.

© dpa/Libkos

Laut den Aussagen der russischen Gefangenen habe es an der Front kaum Kommandeure gegeben. Teilweise hätten Wagner-Soldaten das Kommando über die frischen Truppen übernommen und diese schlecht behandelt. Wagner habe die Rekruten in die besonders gefährlichen Missionen geschickt, was für erhebliche Konflikte sorge.

Der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, bestätigte den Bericht am Sonntag auf Telegram indirekt, stellte den Vorgang aber als Hilfe seiner Truppen für die Soldaten der regulären Armee dar. „Die Kämpfer, die nicht desertiert und geflohen sind, sind uns beigetreten und Teile von ihnen halten durchaus erfolgreich ihre Position und wehren Angriffe des Gegners ab“, ließ Prigoschin durch seinen Pressedienst mitteilen.

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Weiter erklärte er, dass Wagner in der Nacht zu Samstag Teile seiner Einheiten versetzen und „Löcher am Berkhivka-Stausee stopfen“ musste, um künftige Angriffe der Ukraine abzuwehren. Der Stausee befindet sich nordwestlich von Bachmut, wo die ukrainischen Truppen aktuell vorrücken. Russische Soldaten würden die Schützengräben dort angeblich aus Mangel an Munition verlassen, sagte Prigoschin.

Russland schickt Gefangene in den Kampf

Zum Chaos an der Front trägt laut den Berichten der russischen Kriegsgefangenen auch bei, dass das russische Verteidigungsministerium neuerdings Gefangene an die Front schickt; eine Praxis, die bisher der Wagner-Gruppe vorbehalten war. Auch der ukrainische Generalstab berichtete am Montag, dass rund 1000 russische Gefangene in der Ostukraine im Einsatz seien.

Ein russischer Freiwilliger, der sich Murz nennt, berichtet derweil auf dem Messenger Telegram, dass die Ukrainer bei ihren Vorstößen an der Südflanke von Bachmut „keinerlei Munitionsmangel“ hätten. Die ukrainischen Kräfte würden vor allem auf solche Stellungen und Einheiten vorrücken, die von den monatelangen Kämpfen stark geschwächt seien. Zudem hätten die Ukrainer „eine massive Überlegenheit“ in der Luft, indem sie auf große Drohnenverbände zurückgriffen und gleichzeitig jede Aktivität russischer Drohnen mit Störsignalen unterdrückten.

Ukrainische Soldaten an der Artillerie in der Region Bachmut.

© dpa/Libkos

Die Berichte der Gefangenen und von Murz lassen sich nicht unabhängig überprüfen, aber fügen sich in das Bild, das zahlreiche Berichte in den vergangenen Tagen von der Lage um Bachmut zeichneten.

Die Strategie der Ukraine unterscheidet sich laut Murz vom Vorgehen der Wagnergruppe. Es würde keine „Fleischwolftaktik“ angewendet, bei der viele Soldaten solange auf die Verteidigung zustürmen, bis sie erobert ist. Gebe es signifikante Gegenwehr der russischen Seite, zögen sich die ukrainischen Soldaten zurück. Ukrainische Artillerie nehme dann die russischen Stellungen unter Beschuss. Wenn genug Soldaten auf der Gegenseite verwundet seien, griffen die Ukrainer erneut an.

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Das Ziel der ukrainischen Truppen, wie schon am Freitag ein in Bachmut kämpfender Soldat mit dem Kampfnamen Kyrylo dem Tagesspiegel bestätigte: Die Einkreisung der russischen Truppen in der Stadt (siehe Grafik oben).

Allerdings: In Bachmut selbst rücken Wagner-Söldner weiter vor. Ukrainische Einheiten kontrollieren nur noch wenige Straßenzüge der einst 70.000 Einwohner zählenden Stadt.

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Der russische Soldat Murz geht aber noch von einem breiter gefassten Ziel der Militärführung in Kiew aus: Ukrainische Truppen würden demnächst in weiteren Städten im Donbas Gegenstöße auf schwach besetzte Verteidigungslinien starten. Moskau müsse dann Truppen aus anderen besetzten Gebieten abziehen. Dort böten sich dann wiederum Lücken für Angriffe der Ukrainer.

Russland scheitert bisher mit Gegenangriffen der Verteidigungspositionen

Der russische Militärblogger „WarGonzo“ berichtet am Montagmorgen auf Telegram, dass die russischen Einheiten mithilfe ihrer Artillerie versuchen würden, die verlorenen Gebiete südwestlich von Bachmut zurückzuerobern – jedoch ohne Erfolg. Nach dem gescheiterten Rückeroberungsversuch hätten die Söldner der Wagner-Gruppe nördlich und westlich von Bachmut angegriffen, doch auch dort gäbe es „kaum Fortschritte“. Auch russische Versuche, verlorene Stellungen nahe Bogdaniwka, westlich von Bachmut, wieder unter russische Kontrolle zu bringen, seien gescheitert.

Der polnische Militäranalyst Konrad Muzyka fasst die vergangenen Tage in Bachmut so zusammen:

„Kiew hat nicht nur die wichtige Verbindungsstraße zwischen Bachmut und Chasiv Jar entlastet, sondern offenbarte mit seinen Angriffen auch grundlegende russische Schwächen: mangelnde Koordination zwischen den regulären russischen Verbänden und den Wagner-Einheiten, schlechte Kommunikation und Moral, was zu einem mehr oder weniger ungeordneten Rückzug führte. Besonders bemerkenswert ist auch, dass die ukrainischen Erfolge ohne den Einsatz wichtiger vom Westen gelieferter Plattformen wie Bradley-Schützenpanzer oder Leopard-Panzer erzielt wurden. Es scheint also, dass die russischen Verteidigungslinien zumindest bei Bachmut leicht zu durchbrechen sind.“

Sollten die Russen die Positionen um Bachmut nicht effektiv verstärken, hält Muzyka einen „chaotischen Rückzug“ der russischen Truppen für möglich. Damit könnten die Ukrainer innerhalb kurzer Zeit Gebiete zurückerobern, für die die russischen Truppen monatelange verlustreich kämpften.

Die Front kollabiert.

Jewgeni Prigoschin

Auf die schlechte Moral der russischen Truppen deuteten auch Äußerungen von Prigoschin am Freitag hin. Er hatte der russischen Armee vorgeworfen, die „Flucht“ ergriffen zu haben. „Die Front kollabiert“, schimpfte er am Freitag. Die Schilderungen der russischen Soldaten scheinen diese Einschätzungen zu bestätigen.

Wagner-Chef Prigoschin liest den Moskauer Generälen die Leviten.

© dpa/Prigroschin Press Service/Uncredited

Bereits am Wochenende hatte die Ukraine einige Erfolge rund um Bachmut gemeldet: Am Freitag hatte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malijar in Onlinenetzwerken mitgeteilt, die ukrainische Armee habe zwei Kilometer Gebiet nahe Bachmut zurückerobert.

Hochrangige russische Kommandeure sterben nahe Bachmut

Einen Tag später meldete die ukrainische Armee Fortschritte in „einigen Gebieten“. Am Sonntag teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit, die eigenen Truppen hätten „mehr als zehn“ russische Stellungen am nördlichen und südlichen Stadtrand eingenommen.

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Das russische Verteidigungsministerium wiederum hatte am Sonntag in einem seltenen Schritt den Tod von zwei hochrangigen russischen Militärkommandeuren bei Kämpfen um Bachmut gemeldet. Bei den Toten handele es sich um den Kommandeur der 4. motorisierten Gewehr-Brigade, Wjatscheslaw Makarow, und den stellvertretenden Kommandeur des Armeekorps für militärisch-politische Arbeit, Jewgeni Browko, erklärte ein Ministeriumssprecher.

Beide Kommandeure seien getötet worden, als russische Truppen ukrainische Angriffe zurückgeschlagen hätten. Ukrainische Quellen behaupten, dass die Kommandeure hinter der Front in einem Sammelpunkt mit einem Präzisionsschlag getötet wurden.

Die Schlacht um Bachmut ist die am längsten andauernde und blutigste des seit Februar 2022 andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Bei den Kämpfen in Bachmut spielt die russische Söldnertruppe Wagner eine zentrale Rolle.

Prigoschin beklagte zuletzt immer wieder fehlende Unterstützung durch das russische Verteidigungsministerium sowie den Armee-Generalstab. Zuletzt prangerte er insbesondere einen Mangel an Munition für seine Kämpfer an und drohte dabei auch mit dem Abzug der Wagner-Gruppe aus Bachmut.

Die vor Beginn des Krieges 70.000 Einwohner zählende Stadt ist mittlerweile weitgehend zerstört und verlassen. Die Einnahme von Bachmut hat jedoch angesichts der seit Monaten andauernden Gefechte mit großen Verlusten für beide Seiten hohe symbolische Bedeutung erlangt. (mit AFP)

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