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Australiens Premier Anthony Albanese wurde bei seiner Rede zum Referendum emotional.

© Reuters/stringer

Mehr Rechte für Indigene?: Australier sollen per Referendum entscheiden

Die Ureinwohner Australiens sollen mehr Mitspracherecht bekommen. Darüber soll in einem Referendum entschieden werden. Nicht alle sind dem Vorschlag einverstanden.

Australiens Premierminister Anthony Albanese musste mehrmals innehalten: Immer wieder überkamen ihn die Emotionen, als er während einer Pressekonferenz am Donnerstag die Details eines Volksentscheids verkündete, der Ureinwohnern künftig mehr Mitspracherechte im Land geben soll.

Angedacht ist, ein Gremium indigener Vertreter einzurichten, das sowohl das Parlament als auch die Regierung in Canberra bei indigenen Themen beraten soll. Da es dafür eine Verfassungsänderung braucht, muss die australische Wählerschaft in einem Referendum abstimmen.

Sollte die Änderung abgesegnet werden, würden die Ureinwohner damit auch als erste Menschen in Australien in der Verfassung anerkannt werden – ein Meilenstein in der Geschichte des Landes.

„Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Am Donnerstag verkündete Albanese – flankiert von Generalstaatsanwalt Mark Dreyfus und indigenen Anführerinnen und Anführern – nun den genauen Wortlaut der Frage, die er an das australische Volk richten möchte.

Darin geht es um das neue Gremium, das den Ureinwohnern Anerkennung im Land zollen soll, und die dafür notwendige Verfassungsänderung, die in der kommenden Woche dem australischen Parlament vorgelegt wird. Die Abstimmung dazu findet im Juni statt. Das Referendum selbst soll im letzten Viertel des Jahres abgehalten werden.

Eine Person, eine Stimme. Menschen aller Glaubensrichtungen, Hintergründe… wir alle werden das gleiche Mitspracherecht haben.

Australiens Premierminister Anthony Albanese

Albanese musste mehrmals Tränen zurückhalten, während er das Vorhaben erläuterte. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragte er. Dies sei eine Gelegenheit, die nicht den Politikern zustehe, sondern gleichermaßen jedem Australier.

„Eine Person, eine Stimme. Menschen aller Glaubensrichtungen, Hintergründe… wir alle werden das gleiche Mitspracherecht haben.“ Jeder könne daran teilnehmen, was seiner Meinung nach „ein inspirierender und einigender australischer Moment“ sein werde.

800.000
Indigene leben in Australien

Das neue Gremium soll Parlament und Regierung unabhängig beraten. Die Mitglieder werden aus den Reihen der Aborigines sowie der indigenen Bewohner der Torres-Strait-Inseln ausgewählt. Dabei soll auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet werden und auch junge Menschen sollen mit einbezogen werden.

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Ein Vetorecht soll die neue „indigene Stimme“ nicht erhalten. Der prominente indigene Führer Pat Dodson forderte die australische Wählerschaft auf, für das neue Gremium zu stimmen. Er bezeichnete das Referendum als eine Gelegenheit, die Beziehungen zu den Ureinwohnern zu verbessern. „Dafür braucht es alle Australier“, sagte Dobson. „Wir brauchen Ihre Hilfe.“

Dass die Pressekonferenz am Donnerstag so emotionsgeladen war, liegt nicht nur an dem Unrecht und den zahlreichen Gräueltaten, die die Ureinwohner seit der britischen Kolonialisierung im 18. Jahrhundert hinnehmen mussten. Auch heute herrscht nach wie vor eine teils tiefe Kluft zwischen der indigenen Bevölkerung und dem Rest des Landes.

Tiefe Kluft im Land

Der aktuelle „Closing the Gap“-Bericht, der die Fortschritte der Ureinwohner im Land analysiert, zeigte erneut auf, dass Indigene bei etlichen Themen hinter dem Rest Australiens hinterherhinken: Nach wie vor sind im Verhältnis mehr indigene Kinder in Fremdbetreuung und auch die hohe Selbstmord- und Haftrate in der indigenen Bevölkerung gibt Grund zur Sorge.

Warum sollten wir Millionen von Weißen erlauben, über uns abzustimmen?

Michael Anderson, Aborigine-Repräsentant, Anwalt und Menschenrechtskämpfer

Zudem ist in den vergangenen Monaten eine heftige Debatte über das neue Gremium in der australischen Gesellschaft entbrannt. Gegenwind kam dabei nicht nur von den konservativen Oppositionsparteien, sondern auch von manchen indigenen Vertretern. Die indigene Senatorin Jacinta Price behauptete beispielsweise, der Vorschlag der Albanese-Regierung würde die Australier „nach Rassen“ spalten.

Michael Anderson, ein Repräsentant der Aborigines, Anwalt und Menschenrechtskämpfer, der sich seit Jahrzehnten für einen Vertrag zwischen den indigenen Völkern und der australischen Regierung einsetzt – ähnlich wie die Māori in Neuseeland dies im „Treaty of Waitangi“ getan haben – sträubt sich dagegen, alle australischen Wähler abstimmen zu lassen.

„Warum sollten wir Millionen von Weißen erlauben, über uns abzustimmen?“, sagte er. Wenn es schon eine Abstimmung gebe, dann solle diese rein unter der indigenen Bevölkerung – rund 800.000 Menschen in Australien – stattfinden. Anderson warnte zudem, dass eine „indigene Stimme“ lediglich „ein nettes Stück Symbolik“ wäre. Praktische Reformen wären dagegen überfällig.

Groß ist auch die Angst vor einem Scheitern des Vorschlags. Denn grundsätzlich ist die Bilanz des Referendums in Australien keine positive: Seit der Föderation im Jahr 1901 haben die Australier nur acht von 44 Vorschlägen für eine Verfassungsänderung angenommen. Ein Scheitern des neuen Referendums wäre nicht zuletzt für Australiens internationalen Ruf katastrophal.

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