zum Hauptinhalt
Lai Ching-te bei einer Pressekonferenz nach seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl in Taiwan.

© REUTERS/ANN WANG

Update

Wahl in Taiwan: Chinakritischer Kandidat William Lai gewinnt Präsidentschaftswahl

Schon in den Umfragen führte er: Lai hat bei der Präsidentschaftswahl in Taiwan über fünf Millionen Stimmen erhalten. Damit setzte er sich gegen den Kandidaten der größten Oppositionspartei KMT durch.

| Update:

Taiwans Präsidentschaftskandidat William Lai von der bislang regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) hat sich zum Wahlsieger erklärt. „Ich möchte den Menschen in Taiwan dafür danken, dass sie ein neues Kapitel in unserer Demokratie schreiben“, sagte der 64-Jährige am Samstag in Taipeh. Die Gegenkandidaten hatten zuvor ihre Niederlage eingeräumt.

Lai konnte sich bei der Wahl am Samstag mehr als fünf Millionen Stimmen sichern. Damit kommt er auf etwas mehr als 40 Prozent und setzte sich gegen die Kandidaten der größten Oppositionspartei KMT und der TPP durch. Lai war Vize-Präsident unter Tsai Ing-wen, die nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren konnte.

Rund 19,5 Millionen Taiwaner waren am Samstag aufgerufen, ihre Stimme bei der Präsidentschafts- und Parlamentswahl abzugeben. Manche reisten nach eigenen Angaben eigens aus den USA oder Australien für das Votum an. Die Wahlbeteiligung lag bei mehr als 60 Prozent. Bei den vergangenen drei Wahlen hatte die Beteiligung bei rund 75 Prozent gelegen.

Lai: „Frieden und Stabilität sichern“

Taiwan habe im großen Wahljahr 2024 mit den demokratischen Wahlen den Anfang gemacht, sagte Lai in seiner Siegesrede am Samstagabend, Ortszeit Taipeh. „Als Präsident habe ich die verantwortungsvolle Aufgabe, Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße zu sichern.“ Der Status Quo müsse erhalten werden, betonte Lai.

In den Beziehungen zu China wolle er auf Dialog statt Konfrontation setzen. Zugleich werde Taiwan selbstbewusst mit China interagieren und sich nicht durch militärische Drohungen einschüchtern lassen. Lai sagte zudem, dass Präsidentin Tsai in der Vergangenheit immer wieder Gesprächsangebote gemacht habe, diese aber von Peking nicht erwidert worden seien. „Wir hoffen, dass China versteht, dass für beide Seiten nur Frieden Vorteile hat - denn auch China trägt Verantwortung.“

Lai Ching-te, wie er auf Chinesisch heißt, galt als aussichtsreichster Kandidat. Bis er von Präsidentin Tsai 2020 zum Stellvertreter ernannt wurde, war der 64-Jährige Premierminister und zuvor Bürgermeister der südtaiwanischen Stadt Tainan.

Lai hat sich in der Vergangenheit explizit für eine Unabhängigkeit Taiwans ausgesprochen. Im Wahlkampf trat er jedoch bewusst moderat auf, schlug einen gemäßigten Ton an und betonte, den Dialog mit China zu suchen. Engster außenpolitischer Verbündeter sollen jedoch die USA bleiben. Seine Vize-Präsidentschaftskandidatin ist Taiwans ehemalige Repräsentantin in Washington, D.C., Hsiao Bi-khim.

Oppositionskandidaten gestehen Niederlage ein

Die beiden Herausforderer der Oppositionsparteien gestanden am Samstag ihre Niederlage ein. Der Oppositionskandidat Hou Yu-ih von der chinafreundlichen Kuomintang (KMT) sagte in Taipeh: „Ich habe euch alle im Stich gelassen.“ Laut Erhebungen lokaler Medien kam der 66 Jahre alte Ex-Polizist auf etwa 33 Prozent der Stimmen. Das offizielle Wahlergebnis wurde für den späten Samstagabend erwartet.

Auch der Kandidat der populistischen Taiwanischen Volkspartei, Ko Wen-je, gestand seine Niederlage ein. Die konservative KMT hatte sich im Wahlkampf für eine Wiederaufnahme des Austauschs zum mächtigen Nachbarland China ausgesprochen. Allerdings wollte Hou auch weiter die Kommunikation mit den USA aufrechterhalten und mit deren Rüstung in die Verteidigung Taiwans investieren. Auch Ko vertrat in Bezug auch China eine ähnliche Position.

Bedrohung durch China dominierte den Wahlkampf

Im Wahlkampf war das angespannte Verhältnis mit dem mächtigen Nachbarn China ein bestimmendes Thema. Als Favorit galt schon vorab der bisherige Vizepräsident Lai Ching-te. Der Politiker von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) kam nach Auszählung der Stimmen aus mehr als 60 Prozent der Wahllokale auf 41,6 Prozent, wie die Wahlkommission am Samstag mitteilte. 

Sein wichtigster Widersacher Hou Yu-ih war von der chinafreundlichen Kuomintang (KMT) aufgestellt worden. Er lag demnach mit 33,2 Prozent deutlich dahinter. Als dritter Kandidat nahm der Anti-Establishment-Politiker Ko Wen-je von der Taiwanischen Volkspartei (TPP) an der Präsidentschaftswahl teil.

...es gibt einen Kandidaten, der Hoffnung für die Zukunft Taiwans bringen kann.

54-jährige Wählerin in einem Wahllokal der Hauptstadt Taipeh

Lai Ching-te galt bei vielen als Hoffnungsträger

Vizepräsident Lai hatte die Bevölkerung aufgerufen, in großer Zahl zu den Urnen zu gehen, als er in einer Schule in der Stadt Tainan im Süden Taiwans seine Stimme abgab. Dies würde „die Lebenskraft von Taiwans Demokratie zeigen“. „Das ist Taiwans hart erkämpfte Demokratie“, sagte Lai. „Wir alle sollten unsere Demokratie wertschätzen und mit Begeisterung wählen.“

Eine 54-jährige Wählerin sagte in einem Wahllokal in der Hauptstadt Taipeh, sie sei noch nie so „aufgeregt“ gewesen wie bei dieser Stimmabgabe. „Denn es gibt einen Kandidaten, der Hoffnung für die Zukunft Taiwans bringen kann.“ Eine 70-jährige Rentnerin sagte: „Ich hoffe, die nächste Regierung wird es so gut machen wie die jetzige.“

Amtsinhaberin Tsai durfte nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten. Ergebnisse wurde noch am Samstagabend erwartet.

China diskreditierte vorab Favoriten Lai Ching-te

China hatte vor dem Wahltag Stimmung gegen Kandidat Lai gemacht und ihn als „ernste Gefahr“ bezeichnet. Sollte der derzeitige Vizepräsident die Wahl gewinnen, werde er „separatistische Aktivitäten“ für eine Unabhängigkeit Taiwans vorantreiben, erklärte die chinesische Taiwan-Behörde. Das chinesische Verteidigungsministerium teilte mit, mit Härte gegen jegliches Vorgehen für eine Unabhängigkeit Taiwans vorgehen zu wollen.

Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll - notfalls mit militärischer Gewalt. Der Ausgang der Wahl gilt als entscheidend für das künftige Verhältnis zwischen Taipeh und dem zunehmend aggressiv auftretenden Peking. China hat in den vergangenen Jahren den militärischen Druck auf Taiwan erhöht, unter anderem mit Militärmanövern, was immer wieder Befürchtungen über eine mögliche Invasion schürt.

Stunden vor Wahlbeginn traf US-Außenminister Antony Blinken in Washington einen ranghohen Vertreter der Kommunistischen Partei Chinas. Er appellierte dabei nach Angaben des US-Außenministeriums, „Frieden und Stabilität“ in der Region zu bewahren.

Am Samstag wurde in Taiwan auch ein neues Parlament gewählt. Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sorgten offenbar auch bei chinesischen Internetnutzer für großes Interesse: Der Hashtag „Taiwan Wahl“ war am Samstag auf der Onlineplattform Weibo ein Trendthema - bevor er blockiert wurde. „In Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen, Regularien und Regeln wird der Inhalt zu diesem Thema nicht angezeigt“, hieß es auf der Website. (AFP, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false