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Vorwahlgewinner Javier Milei: Den Markt von allen Regeln befreien.

© dpa/Natacha Pisarenko

Nach den Vorwahlen in Argentinien: Javier Milei, Hassfigur und Hoffnungsträger zugleich

Der Anarcho-Kapitalist hat die Vorwahlen in Argentinien gewonnen und damit ein kleines politisches Erdbeben ausgelöst. Die einen sehen ihn als Erlöser, andere haben Angst vor ihm.

Javier Milei, der bei den Vorwahlen in Argentinien 30 Prozent der Stimmen geholt hat und dabei die beiden großen, etablierten Parteien des Landes hinter sich ließ, ist eigentlich in keine Schublade zu packen. Der 52-Jährige attackiert seinen Landsmann, Papst Franziskus („Dein Modell ist die Armut“), und den Sozialismus. Beide, so ist Milei überzeugt, brauchen die Armut, um ihre Klientel an Kirche und Partei zu binden – durch Hilfsaktionen oder Sozialausgaben.

Dann aber bezeichnet er wie Franziskus Abtreibung als Mord, weil jede willkürliche Unterbrechung des Lebens von der Empfängnis bis zum Tod ein Anschlag auf die Selbstbestimmung des Lebens sei.

Zu Mileis Geschäftsmodell gehört die Provokation, er spielt mit Tabus, war gar einst Tantra-Sex-Lehrer, und tritt entsprechend auf: Lederjacke, Rockmusik, Wuschelfrisur. So einer ist unverwechselbar.

Als „Anarcho-Kapitalist“, der den Markt von allen Regen befreien will, läuft er bei der Jugend offene Türen ein. Im argentinischen Fernsehen ist er groß geworden. Mit wütenden Kommentaren über das argentinische System – er will die Zentralbank, das Bildungs- und das Gesundheitssystem abschaffen – fand er angesichts einer schweren Wirtschaftskrise, Massenarmut, Alltagskriminalität, Hungersnot in den Armenvierteln und einer Inflation von über 100 Prozent immer mehr Anhänger.

Mit Brasiliens Bolsonaro und Amerikas Trump verglichen zu werden, macht ihm nichts aus: „Uns verbindet, dass wir den Sozialismus als Feind identifiziert haben. Aber es gibt auch Unterschiede.“ Einer ist, dass Milei wirtschaftspolitisch argumentativ in einer höheren Liga spielt. In seinem Haus gibt es zwei Räume, in denen seine großen Hunde leben. Er hat sie nach Wirtschaftsnobelpreisträgern benannt. Dennoch ist Milei definitiv ein Trump-Fan.

Der Aufstieg von Milei wäre nicht möglich, gäbe es in Argentinien nicht diese tiefe Enttäuschung über die bislang dominierenden politischen Kräfte. Milei spricht gerne von einem Kastensystem.

Tatsächlich fühlt sich ein Großteil der Jugend eingesperrt in einem Kreislauf der ökonomischen Aussichtslosigkeit, aus dem es kein Entrinnen gibt, egal wie hart man arbeitet. Wer ein paar Pesos zurücklegt, weiß, dass sie in einem Jahr nur noch die Hälfte wert sein werden. Deswegen ist Mileis Vorstellung des Austauschs vom ewig abschmierenden argentinischen Peso zum US-Dollar für so viele ein verheißungsvolles Versprechen. Milei verbreitet Hoffnung, dass dieses heruntergewirtschaftete Land vielleicht doch noch zu retten ist.

Und gleichzeitig auch Angst, dass mit ihm ein kalter, unberechenbarer, seelenloser, neoliberaler Kapitalismus die Macht übernimmt, in dem für Schwache kein Platz mehr ist.

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