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Der Hauptsitz von Fox News in New York.

© dpa/AP/Yuki Iwamura

Nach Rekordzahlung in Prozess um Fake News: Der Fall Fox News ist längst noch nicht erledigt

Dürfen Medien Lügen verbreiten? Am Dienstag sollte der Prozess gegen den konservativen US-Krawallsender Fox News beginnen. Dann lenkte er ein – aus Angst vor der Wahrheit über sich selbst.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Die Mitglieder der „Flat Earth Society“ vertreten die These, die Erde sei flach und Fotos aus dem Weltraum seien lediglich Fälschungen. Auf Facebook hat die 1956 gegründete Organisation rund 220.000 Follower. Der Vorläufer der „Flat Earth Society“, die „Universal Zetetic Society“, brachte ein Magazin mit dem Namen „Earth Not a Globe“ heraus. Würde gelten, dass Medien keine Falschinformationen verbreiten dürfen, hätte das Magazin verboten werden müssen.

Wurde es aber nicht. Denn durch die These, die Erde sei eine Scheibe, entsteht niemandem ein Schaden. Das ist anders, wenn es um Unternehmen und Produkte geht.

Der amerikanische TV-Sender ABC News zahlte im Jahr 2017 knapp 180 Millionen Dollar Schadensersatz an einen Fleischproduzenten, über den er fälschlicherweise verbreitet hatte, seine Waren seien gesundheitsschädlich. Das war in einem derartigen Verfahren eine Rekordsumme.

Sie ist allerdings klein im Vergleich zu jenem Betrag, den der TV-Sender Fox News jetzt an den Wahlmaschinenhersteller „Dominion Voting Systems“ überweisen muss. 787,5 Millionen Dollar ist es dem krawallkonservativen Medienunternehmen wert, dass seine internen Kommunikationswege, seine Absprachen, Intrigen und Strategien nicht wochenlang öffentlich verhandelt werden.

In buchstäblich letzter Minute vor Beginn eines Prozesses, auf den sich bereits die Augen der Nation gerichtet hatten, einigten sich Kläger und Beklagte am Dienstag in einem Vergleich.

Zentrale Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit

Damit ist eine von zwei Verleumdungsklagen, die gegen Fox News eingereicht wurden, vom Tisch. Sie waren angestrengt worden von zwei Herstellern von Wahlmaschinen. „Smartmatic“ will vom Konzern des Medienmoguls Rupert Murdoch 2,7 Milliarden Dollar Schadensersatz, „Dominion Voting Systems“ bezifferte die Verluste durch Geschäftsschädigung auf ursprünglich 1,6 Milliarden Dollar.

Die jetzt vereinbarte Entschädigungssumme beläuft sich auf rund die Hälfte dessen. Über Schuld oder Unschuld und zentrale Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit hätten zwölf Geschworene befinden müssen.

Beide Unternehmen werfen Fox News vor, die Behauptung verbreitet zu haben, sie hätten die Präsidentschaftswahl 2020 manipuliert, um eine Wiederwahl von Donald Trump zu verhindern. Die Lüge von der „gestohlenen Wahl“ verbreitet der Ex-Präsident bis heute. Ein Großteil der Republikaner folgt dieser Auffassung.

Der Sender Fox News, der Trump fast immer vorbehaltlos unterstützt hat, beruft sich auf die Pressefreiheit und den ersten Verfassungszusatz, der eine umfassende Meinungsfreiheit garantiert.

Belastend für den Sender – und wohl ausschlaggebend für seine Bereitschaft, 787,5 Millionen Dollar zu zahlen – dürfte sein, dass Dominion in den vergangenen Wochen umfangreiches Material vorgelegt hatte.

Dieses erhärtete den Verdacht, dass Redaktionsmitglieder, Moderatoren und Murdoch davon gewusst hätten, dass die Manipulationsvorwürfe falsch gewesen seien.

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Es sei um Zuschauerzahlen und Profite gegangen. Die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Belegt wird das Material durch Kommunikationsverläufe und eidesstattliche Versicherungen.

Was darf verbreitet werden? Medien berichten über das, was passiert, und das, was gemeint wird. So soll es sein. Allein dadurch machen sie sich noch nicht mit den Meinungen gemein, die sie verbreiten. In einer Talkshow etwa dürfen Klima- und Corona-Leugner zu Wort kommen, im deutschen Fernsehen wurden auch schon Wladimir Putin und Mahmud Ahmadinedschad interviewt. Allerdings darf erwartet werden, dass kritisch nachgefragt wird, Lügen und Falschinformationen entlarvt werden.

Vor Verleumdungsklagen umfassend geschützt

Hatte nun Fox wider besseres Wissen und aus purer Böswilligkeit die Lügen über eine manipulierte Wahl verbreitet? Das hätten die Kläger zweifelsfrei nachweisen müssen, was nach Auffassung kundiger Beobachter allerdings schwierig gewesen wäre. Denn die rechtlichen Hürden für einen solchen Nachweis liegen hoch. Seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 1964 sind amerikanische Medien vor Verleumdungsklagen umfassend geschützt.

Fox News ging es in erster Linie darum, sich weitere Peinlichkeiten und Enthüllungen über seine internen Praktiken zu ersparen. Ans Licht gekommen war unter anderem, dass die ärgsten Lügner über die „gestohlene Wahl“ – Trump-Anwalt Rudy Giuliani und dessen Kollegin Sidney Powell – immer wieder aus schierer Quotengier interviewt wurden.

Tucker Carlson wiederum, der Radikalste aus der Fox-Moderatorenriege, schrieb an einen Kollegen über Trump, den er vor der Kamera stets lobte: „Ich hasse ihn leidenschaftlich.“ So verdichtete sich das Bild eines scheinheiligen und skrupellosen Medienapparates, dem es um nichts anderes als Profite und Quoten geht.

Ganz beendet ist das Drama freilich nicht. In dem Vergleich mit Dominion musste Fox News zugeben, gewisse Lügen über das Wahlergebnis gesendet zu haben. Auf diesem Geständnis könnten die Anwälte von Smartmatic aufbauen, dem anderen Wahlmaschinenhersteller, der Schadensersatz wegen Verleumdung fordert.

Ein Teil des Fehlverhaltens von Fox News sei durch Dominion aufgedeckt worden, hieß es bei Smartmatic kurz nach Bekanntwerden des Vergleichs. Man selbst werde den Rest aufdecken. Das klingt nach Drohung und Verheißung zugleich.

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