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Parteigründer: Fatih Zingal, Ihsan Ünlü und Mustafa Yoldas (v.l.).

© AFP/YASIN AKGUL / Bearbeitung Tagesspiegel

Neue Erdoğan-Partei Dava: Redet der türkische Präsident bald in Berlin und Brüssel mit?

Kritiker sehen in der Partei Dava den Versuch des türkischen Präsidenten, seinen Einfluss in Deutschland auszubauen. Die Parteigründer weisen dies zurück. Drei Experten geben eine Einschätzung.

Eine Gruppe türkischstämmiger Politiker hat in Köln eine Partei gegründet, die der AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sehr nahesteht. Die „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ (Dava) plant, bereits bei der Europawahl am 9. Juni teilzunehmen.

Die Kritik an der neuen politischen Kraft in Deutschland ließ nicht lange auf sich warten. „Ein Erdogan-Ableger, der hier zu Wahlen antritt, ist das Letzte, was wir brauchen“, schrieb Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf der Plattform X. Auch Unions-Politiker äußerten ihre Bedenken.

Ist Dava der verlängerte Arm von Erdoğan? Und nutzt er sie, um noch stärker auf die hier lebenden Türkinnen und Türken einzuwirken? Wofür steht die Partei? Drei Fachleute geben Antworten. Alle Folgen unserer Reihe „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die Dava hat ideologische Bezüge zur AKP

Dava hat viele Bedeutungen im türkischen Kontext. So kann das Wort Klage, Anspruch, Forderung oder Prozess bedeuten, in seiner politischen Verwendung jedoch steht Dava für den islamisch geprägten „richtigen Weg“ und ist ein etablierter Begriff unter türkischen Rechten.

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Dass diese Allianz nicht für die Vielfalt steht, die offiziell in ihrem Namen steckt, ist offensichtlich. Ein Blick auf die politische Vergangenheit der Gründer zeigt die ideologischen und personellen Bezüge zum politischen Raum der AKP. Ziel sei es, „eine politische Heimat“ für Migrant*innen zu schaffen.

Bereits die Vergangenheit hat gezeigt, dass die steigende rechtsextremistische Gefahr und die rassistischen Diskurse in Deutschland besonders auch Autokraten wie Erdoğan in die Karten spielen. Dass solche Parteien gegründet werden, ist allerdings nicht neu, auch nicht, dass sie kaum Erfolge erzielen. Ausgerechnet konservativ-rechte Stimmen in Deutschland machen sich jetzt Sorgen um einen Ableger der AKP in Deutschland, während ihre Parteien lange enge Beziehungen zum Original pflegen.   


Man darf das Polarisierungspotenzial der Partei nicht unterschätzen

Von der Gründung einer islamistisch angehauchten Partei bis zum „Mitreden“ in Berlin oder Brüssel ist es noch ein langer Weg. Es hat in Belgien und den Niederlanden schon etliche solche Parteigründungen gegeben – bisher ohne durchschlagenden Erfolg.

Das Besondere an Dava, nämlich die enge Anbindung an Erdogans AKP, mag zwar beim Aufbau von Strukturen helfen, wird aber bei der Bildung von politischen Allianzen eher hinderlich sein, denn Erdogan ist in Berlin und Brüssel gleichermaßen unbeliebt.

Scharfe Israelkritik, größtmögliche Freiheit für religiöse Indoktrinierung (unter dem Etikett von Vielfalt) und gesellschaftspolitischer Konservatismus: Diese politischen Leitplanken haben – jede für sich – zwar Schnittmengen zu anderen Strömungen links wie rechts, sorgen in dieser Kombination aber eher für Isolation. Nach den breiten Anti-Israel-Demonstrationen seit dem 7. Oktober in fast ganz Europa sollte man aber das gesellschaftliche Polarisierungspotenzial einer solchen Partei nicht unterschätzen. 


Die Diskussion sollte sich nicht nur um den Einfluss der AKP drehen

Die aktuelle Diskussion um Dava überschätzt die Einflussmöglichkeiten der AKP auf türkische Migranten und ihre in Deutschland geborenen Kinder. Gleichzeitig unterschätzt sie aber auch die tatsächlichen Missstände in der Diaspora in Bezug auf gleiche Anerkennung und Islamfeindlichkeit.

Sicherlich ist die Diasporapolitik unter der AKP-Regierung konzertierter und systematischer geworden, und zwar in dem Maße, dass sie zu einem aktiven Teil der Außenpolitik geworden ist. Ankara ist bestrebt, seinen Einfluss vor allem in Europa, aber auch anderswo zu stärken und auszubauen.

Dennoch scheint auch die AKP aus verschiedenen Gründen an ihre Grenzen gestoßen zu sein. Zum einen verfolgen die Regierungen der Gastländer inzwischen eine restriktivere Politik, z. B. in Bezug auf Ausbildungsprogramme für Imame und Wahlkampfveranstaltungen. Zweitens scheint die AKP ihre Mobilisierungskapazitäten ausgeschöpft zu haben, wenn man sich die Wahlbeteiligung in der Türkei vor Augen führt. Und nicht zuletzt sind die Mitglieder der Diaspora keine passiven Empfänger der AKP-Politik.

Wer diese Situation außer Acht lässt und die Diskussion um Dava lediglich auf Einflussbemühungen der AKP reduziert, riskiert, dass die Partei die tatsächlichen Missstände in der Diaspora über Gleichberechtigung und Islamophobie weiter instrumentalisiert.

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