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Baschar al Assad herrscht seit mehr als 20 Jahren in Syrien.

© AFP/Anwar Amro

Schmutzige Geschäfte in Damaskus: Wie Assads Anhänger von UN-Geld profitieren

In Syrien sind viele Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Ein Teil der Mittel geht aber an Vertreter des Assad-Regimes. Wie ist das möglich?

Gefesselt und mit verbundenen Augen werden die Opfer zu ihrem Grab geführt: ein frisch ausgehobenes Erdloch in Tadamon, einem Außenbezirk der syrischen Hauptstadt Damaskus. Am Rande der Grube werden sie erschossen, manche mit Schnellfeuergewehren, andere mit Pistolen.

Bis zu 280 Menschen sterben am 16. April 2013 beim so genannten Tadamon-Massaker. Die Täter filmen sich dabei, wie sie die gefangenen Rebellen töten – so sicher sind sie, dass sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Verantwortlich für das Massaker ist die Miliz „Nationale Verteidigungskräfte“, die Präsident Baschar al Assad treu ergeben ist. Milizenchef Fadis Sakr steht auf der US-Sanktionsliste.

Trotzdem kann er als Geschäftsmann heute Schuhe und Kleidung im Millionenwert an UN-Hilfswerke in Syrien liefern. Mehr als 20 Milliarden Dollar hat die internationale Gemeinschaft seit 2014 für die Unterstützung von Bürgerkriegsopfern in Syrien ausgegeben.

UN-Organisationen arbeiten vor allem in Gebieten, die von Assad beherrscht werden, denn dort leben die meisten Syrer, die nicht ins Ausland geflohen sind. Rund 15 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe.

Deutschland ist der größte Einzelgeldgeber in der Syrienkrise: Seit dem Ausbruch des Krieges im Jahr 2011 hat Berlin nach Regierungsangaben rund 8,6 Milliarden Euro für Syrien und die Nachbarländer bereitgestellt. Im Frühjahr sagte die Bundesregierung eine weitere Milliarde zu.

8,6
Milliarden Euro stellte Deutschland als humanitäre Hilfe für Syrien und Nachbarländer bereit.

Um in Syrien arbeiten zu können, brauchen UN-Vertreter das Einverständnis der Assad-Behörden. Kritiker sagen schon lange, dass Assad einen Teil der internationalen Hilfe für sein Regime abzweigt. Ein Bericht zeigt nun, wie eng die Verflechtungen zwischen UN-Einrichtungen und der Clique um den Machthaber sind.

Experten der Organisationen „Observatory of Political and Economic Networks“ (OPEN) aus Kanada und „Syrian Legal Development Programme“ (SLDP) aus Großbritannien untersuchten die hundert größten Partner der UN in Syrien.

Sie kamen zu dem Ergebnis, dass 2019 und 2020 rund 140 Millionen Dollar aus UN-Beschaffungsprogrammen an Lieferanten und Dienstleister gingen, die als regimetreu eingestuft werden.

Geberstaaten wie Deutschland sollten von den UN verlangen, dass eine Prüfung von Menschenrechtsfragen bei der Beschaffung berücksichtigt werden.

Eyad Hamid, Mitautor der UN-Studie

Die Summe entspricht fast der Hälfte aller UN-Aufträge. Milizenchef Sakr ist mit Aufträgen im Wert von einer Million Dollar noch ein relativ kleines Licht.

Millionengeschäft für einen syrischen Geschäftsmann

Eine Sicherheitsfirma, die von den UN mehr als zwei Millionen Dollar erhielt, wird Maher al Assad zugerechnet, einem Bruder des syrischen Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, einer berüchtigten Einheit der Armee. Der Geschäftsmann Samer Foz verdiente sogar 25 Millionen Dollar an den Vereinten Nationen.

Einen Teil davon strich Foz, der europäischen und amerikanischen Sanktionen unterliegt, als Inhaber eines Luxushotels in Damaskus ein, in dem UN-Vertreter abstiegen; nach UN-Angaben ist das Hotel das einzige in Damaskus, das aus Sicherheitsgründen für UN-Gesandte infrage kommt.

Nizar al Asaad, der ebenfalls von EU-Sanktionen betroffene Inhaber einer Olivenöl-Firma, konnte sich laut der Studie Aufträge im Wert von fast 26 Millionen Dollar sichern. In der Studie heißt es aber auch, dass die UN in Syrien „unter sehr schweren Bedingungen“ arbeiten müssen.

Das Assad-Regime versuche, „humanitäre Operationen zu kontrollieren und zu manipulieren“. Dennoch könnten die UN und Geberländer einiges tun, um die Lage zu verbessern, sagt Eyad Hamid, Mitautor der Studie.

Die Hälfte aller UN-Aufträge in Syrien geht an sanktionierte Personen, nicht an bedürftige Menschen.
Die Hälfte aller UN-Aufträge in Syrien geht an sanktionierte Personen, nicht an bedürftige Menschen.

© Reuters/ Khalil Ashawi

„Geberstaaten wie Deutschland sollten von den UN verlangen, dass eine Prüfung von Menschenrechtsfragen bei der Beschaffung berücksichtigt werden“, sagte Hamid dem Tagessiegel.

Außerdem sollten die Geldgeber die Verwendung der Mittel stärker als bisher überwachen, „damit das Geld bei denen ankommt, die es brauchen, und nicht in den Händen von Leuten, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind“, fordert Hamid.

Die Bundesregierung nimmt die Studie ernst. Die Empfehlungen des Berichts würden derzeit im Kreis der Geberstaaten ausgewertet, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes dem Tagesspiegel.

Es besteht grundsätzlich die Erwartung, dass die Vereinten Nationen die humanitären Grundsätze der Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität einhalten.

Das Auswärtige Amt über die Ergebnisse der UN-Studie für Syrien

„Es besteht grundsätzlich die Erwartung, dass die Vereinten Nationen die humanitären Grundsätze der Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität einhalten“, verlautet aus dem Ministerium.

Alle Kontrollmechanismen nutzen allerdings nichts, wenn hohe UN-Vertreter enge persönliche Verbindungen mit dem Regime pflegen.

So schlugen Mitarbeiter in der Vertretung der Weltgesundheits-Organisation WHO in Damaskus Alarm, weil ihre Chefin Akjemal Magtymowa mehrere Getreue von Assad mit teuren Geschenken verwöhnt haben soll.

Computer und Autos seien demnach an Regimevertreter gegangen, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Magtymowa habe zudem UN-Jobs an Verwandte von Mitgliedern des Assad-Apparates vergeben, obwohl sie fachlich nicht qualifiziert gewesen seien. Einigen von ihnen würden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Die Turkmenin Magtymowa wurde von ihren Mitarbeitern als prunksüchtig beschrieben; sie soll viel Geld für eine luxuriöse Suite in dem Hotel von Assad-Freund Samer Foz in Damaskus ausgegeben haben, in der sie wohnte.

Die WHO zeigt sich bestürzt über die Vorwürfe gegen Magtymowa und leitete eine Untersuchung ein, die noch läuft. Magtymowa wurde aus Damaskus abgezogen. Sie bezieht aber weiterhin ihr Gehalt.

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