zum Hauptinhalt
Eine ukrainische Frau in Donzek.

© AFP/Dimitar Dilkoff

Ukraine-Invasion Tag 432: Wirtschaftlicher Absturz für 7 Millionen Ukrainer

Russland fehlt es für entscheidende Fortschritte an Munition, die Luftwaffe beendet ihren Nato-Einsatz über dem Baltikum. Der Ukraine-Überblick.

Die Regierung in Kiew hofft, dass mit der Gegenoffensive der Krieg noch in diesem Jahr beendet werden kann. Das ist aus vielen Gründen nachvollziehbar - einer ist die wirtschaftliche Situation im Land, die für viele Millionen Ukrainer prekär ist, und häufig in der Berichterstattung über das Land untergeht. 

Über den Westen des Landes und die Hauptstadt Kiew hinaus grassiert die Armut. Ein Viertel der Ukrainer gelten offiziell als von Armut betroffen - vor dem Krieg waren es fünf Prozent -, das sind mehr als sieben Millionen Menschen. Die Arbeitslosenquote bewegt sich auf die 40 Prozent zu, die Inflation liegt bei mehr als 25 Prozent. Ukrainer berichten, dass sich die Preise, vor allem auch für Lebensmittel, teilweise verdoppelt haben – die Löhne dagegen stagnieren. Ein Supermarkteinkauf wird für viele Menschen unbezahlbar.

Ökonomisch wie militärisch hält die Hilfe aus dem Westen das Land über Wasser - Renten müssen gezahlt und der Sold der Soldaten entrichtet werden. Kürzlich sorgten Kürzungspläne für Unruhe unter den Soldaten. Rund ein Drittel ist das Bruttoinlandsprodukt während des Krieges gesunken, was vor allem damit zusammenhängt, dass das Schwarze Meer als Handelsroute ausfällt (außer für Getreide, hier wird das Abkommen mit Russland in den nächsten Tagen neu verhandelt).

An diesem Punkt schließt sich auch der Kreis zur Gegenoffensive: Sollte tatsächlich eine Rückeroberung der Südukraine das Ziel sein und gelingen und auch die Krim in Reichweite der Artillerie kommen, wäre das Schwarze Meer für ukrainische Schiffe sehr viel sicherer, militärisch wie ökonomisch ein großer Schritt für die Ukrainer.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Russland fehlt es für entscheidende Fortschritte an Munition: Moskau soll der Stärkung der Rüstungsindustrie bereits oberste Priorität einräumen. Dem hohen Kriegsbedarf werde die Branche aber weiterhin nicht gerecht, berichtet der britische Geheimdienst. Mehr hier. 
  • Mehr als 30 Alarmstarts in neun Monaten: Weil die Balten keine eigenen Kampfjets besitzen, sichert die Nato seit 2004 deren Luftraum. Dabei kommt es immer wieder zu Zwischenfällen mit Flugzeugen ohne Kennung, zu denen es keinen Funkkontakt gibt. Die Lustwaffe beendet nun ihren Einsatz im Baltikum. Mehr hier.
  • Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland zu Entschädigungszahlungen verurteilt. Unter anderem habe Moskau gegen das Folterverbot verstoßen. Mehr hier.
  • Vor der erwarteten Frühjahrsoffensive der Ukraine stellt Dänemark dem von Russland angegriffenen Land weiteres militärisches Material zur Verfügung. Das Unterstützungspaket im Wert von 1,7 Milliarden dänischen Kronen (rund 228 Millionen Euro) ist das größte, das die Ukraine bislang von dem skandinavischen EU-Land erhalten hat. Mehr in unserem Liveblog.
  • Mehr als 14 Monate nach dem russischen Einmarsch hat die Ukraine das Kriegsrecht sowie die allgemeine Mobilmachung um weitere 90 Tage bis zum 18. August verlängert. Für die beiden Anordnungen ergab sich am Dienstag im Parlament eine deutliche Zweidrittelmehrheit, wie Abgeordnete mitteilten.
  • Für den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba ist eine Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen an Kiew nur eine „Frage der Zeit“. „Ich denke, dass diese Entscheidung der USA an die Resultate der (ukrainischen) Gegenoffensive geknüpft wird“, sagte der 42-Jährige am Dienstag im ukrainischen Fernsehen. Die Jets seien eine der drei Prioritäten bei der Unterstützung durch die Verbündeten gemeinsam mit Artilleriegeschossen und Panzertechnik. Gleichzeitig merkte der Minister jedoch an: „Wenn wir die F-16 bereits jetzt hätten, wäre die Gegenoffensive weitaus schneller.“
  • Tinder und andere Dating-Plattformen des US-Konzerns Match Group ziehen sich aus Russland zurück. „Wir sehen uns dem Schutz der Menschenrechte verpflichtet“, teilte Match Group am Montag (Ortszeit) in Dallas mit. Bis zum 30. Juni will der Konzern, zu dem neben Tinder unter anderem die Dating-Apps Hinge und OkCupid gehören, aus Russland verschwunden sein.
  • Dass Belarus russische Atomwaffen auf alten sowjetischen Flughäfen stationiert, scheint immer wahrscheinlicher zu werden. Das berichtet „Table.Media“ mit Bezug auf Satellitenbilder von „Vertical52“, die das Medienhaus ausgewertet hat. Auf ihnen soll zu erkennen sein, dass seit August 2021 auf dem Militärstützpunkt Nowokolosowo vier große überdachte Abstellflächen entstanden sind.
  • Deutschlands Verwicklung in den Ukraine-Konflikt nimmt nach Auffassung des russischen Präsidialamts von Tag zu Tag zu. Das erklärt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Zudem habe Berlin keinerlei Möglichkeiten sicherzustellen, dass die von Deutschland an die Ukraine gelieferten Waffen nicht gegen russisches Territorium eingesetzt würden. Schon jetzt würden sie in der Donbass-Region verwendet. 
  • Ukrainische Streitkräfte haben nach Angaben des örtlichen Gouverneurs ein Dorf in der an die Ukraine grenzenden russischen Region Brjansk beschossen. „Am Morgen haben die Streitkräfte der Ukraine das Dorf Kurkovichi im Stadtbezirk Starodubsky beschossen“, schreibt der Gouverneur von Brjansk, Alexander Bogomaz, via Telegram. Verletzte habe es nicht gegeben.
  • der Verlängerung des am 18. Mai auslaufenden Getreideabkommens gibt es russischen Angaben zufolge bislang keine Fortschritte. Teile des Abkommens, die es der Regierung in Moskau ermöglichen sollen, eigene landwirtschaftliche Erzeugnisse über die Schwarzmeerhäfen zu exportieren, würden nicht eingehalten, schreibt Andrey Ledenew von der russischen Botschaft in den USA auf Telegram. Es gebe wegen der „Sanktionsstrategie“ des Westens immer noch keine Lösung bei den finanziellen und logistischen Problemen bei der Verschiffung von russischem Getreide und Düngemitteln.
  • Die Hoffnungen der Ukraine auf eine konkretere Nato-Beitrittsperspektive drohen vorerst enttäuscht zu werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben zuletzt Bündnismitglieder wie die USA und Deutschland hinter verschlossenen Türen deutlich gemacht, dass sie vorerst keine Zusagen machen wollen, die substanziell über eine vage Nato-Erklärung aus dem Jahr 2008 hinausgehen. In ihr hatten die damaligen Staats- und Regierungschefs vereinbart, dass die Ukraine und Georgien Nato-Mitglieder werden sollen. Einen konkreten Zeit- oder Fahrplan dafür gab es allerdings nicht. 
  • Nach den neuesten russischen Raketenangriffen auf ukrainische Städte kündigte Präsident Wolodymyr Selenskyj eine effektivere Flugabwehr an. „Wir arbeiten mit unseren Partnern so aktiv wie möglich daran, den Schutz unseres Luftraums noch zuverlässiger zu gestalten“, sagte Selenskyj am Montag in seiner allabendlichen Videoansprache. 
  • Der Söldner-Truppe Wagner fehlt es nach Angaben ihres Chefs Jewgeni Prigoschin weiter an Munition. Für den Kampf um Bachmut seien etwa 300 Tonnen Artilleriegranaten pro Tag nötig, Wagner erhalte aber nur ein Drittel dieser Menge, schreibt Prigoschin auf seinem Telegram-Kanal. „300 Tonnen pro Tag entsprechen zehn Frachtcontainern - das ist nicht viel.“ In einer separaten Mitteilung erklärt er, dass seine Truppen unter Verlust von 86 seiner Kämpfer etwa 120 Meter in Bachmut vorgedrungen seien.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false