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Die Schließung des Senders „RT“ habe die Fähigkeit des Kremls, Informations- und psychologische Operationen im Land durchzuführen, nicht geschmälert (Symbolbild).

© dpa / Pavel Golovkin

Trotz Verbot in Deutschland: Das Netzwerk hinter „Russia Today“ arbeitet weiter

Mit RT hatte sich Russland in Deutschland ein Netzwerk an Sympathisanten aufgebaut. Die Verbindungen scheinen sich auch nach dem Sendeverbot für den Kreml weiter zu lohnen.

Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vor nunmehr einem Jahr wurde der Staatssender „Russia Today“ in Deutschland verboten. Doch die Schließung des Senders habe die Fähigkeit des Kremls, Informations- und psychologische Operationen im Land durchzuführen, nicht beeinträchtigt, sagten Analysten des Robert Lansing Instituts (RLI) dem Tagesspiegel.

Den Experten zufolge greift „RT“ dabei auf ein Netzwerk von Personen – darunter Lokalpolitiker, Wissenschaftler und Gewerkschaftler in ganz Europa – zurück, das der Staatssender bereits vor dessen Verbot geknüpft hat. Im Fernsehprogramm hätten sie die Narrative Moskaus an das Publikum in Deutschland und die dort lebenden Russen herangetragen und so prorussische und anti-amerikanische Standpunkte verbreitet.

„Nachdem ,Russia Today’ seinen Sendebetrieb in Deutschland eingestellt hat, nutzt Russland dieses Netzwerk weiterhin“, haben die Experten der US-amerikanischen Denkfabrik, die sich mit Bedrohungen für demokratische Gesellschaften auseinandersetzt, herausgefunden. Demnach treten die Personen als Kommentaren in russischen Medien – auch in Europa – auf.

Bezahlte Kommentare und Informationsgewinnung

In den meisten Fällen würden die Kommentatoren heimlich durch russische diplomatische Vertretungen, Handelsvertretungen oder Kulturzentren bezahlt. Wie die Analysten herausfanden, wurden so auch viele Spitzenbeamte, die Kontakte zu Russland hatten, vergütet. Das RLI konnte zudem nicht herausfinden, ob das Netzwerk auch zur Informationsbeschaffung genutzt werde.

Die Zusammenarbeit mit „Russia Today“ könne in diesen Fällen genutzt werden, „um Zahlungen für Dienste zu verbergen, die dem Kreml während der Ausübung eines öffentlichen Amtes geleistet wurden“, erläutern die Experten des Robert Lansing Instituts. Das entspreche einer Art Rente für Personen, „die Russland denjenigen gewährt, die Moskau Dienste geleistet haben, und die nun für Beeinflussungsoperationen, Lobbyarbeit oder Meinungsbildung verwendet werden.“

Zudem arbeitet das russische Propagandamedium „Ruptly“ trotz der EU-Sanktionen gegen Russland weiter von Berlin aus. Nach Recherchen des Tagesspiegels hat die Videoagentur Ende 2022 neue Räume in der Hauptstadt bezogen und zusätzliche Mitarbeiter eingestellt.

Das Verbot russischer Propagandamedien, im Ausland zu senden, bedeutet also nicht, dass Russlands Einfluss auf das Ausland gestoppt wurde.  Russland nutze das System der Kommentatoren, um „mit Propaganda und Fehlinformationen Protestbewegungen in Europa anzustacheln und zu radikalisieren“, fassen die Analysten zusammen.

Die Hauptstrategie ist seit 2014 die gleiche geblieben

Kürzlich hat das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Jahresbericht den Einfluss der russischen Propaganda aufgezeigt. „Die Bedrohung durch Spionage, illegitime Einflussnahme, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe hat sich, auch durch Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine, weiter verschärft“, heißt es in dem Bericht.

Der österreichische Medienexperte Dietmar Pichler glaubt, dass die Strategie Russlands seit 2014 unverändert ist und ihre Hauptziele darin bestehen, die Ukraine zu dämonisieren, Ängste vor einer „nuklearen Eskalation“ zu verbreiten und die Idee der westlichen Einheit zu untergraben.

„Die russischen Medien versuchen, unser Publikum davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich versucht haben, ‚den Krieg zu stoppen‘ oder ‚dass es immer einen Krieg gab, aber Russland nicht daran beteiligt war‘, und dass die Ukraine die Schuld daran trägt“, erklärt Pichler. Darum sei es wichtig, „die Menschen über die tatsächlichen Ereignisse und die Verantwortung Russlands für die Ereignisse im Donbas seit 2014 zu informieren“.

Ukraine-Flüchtlinge mit russischen Narrativen konfrontiert

Dies habe auch einen politischen Aspekt: Die extreme Rechte hat in den letzten Jahrzehnten enge Beziehungen zur politischen Elite Russlands aufgebaut. „Dazu gehören finanzielle Unterstützung und Propagandaunterstützung bei Wahlen“, so Dietmar Pichler.

Der Medienexperte hat eine Umfrage unter etwa 100 Flüchtlingen aus der Ukraine in Österreich über ihre Erfahrungen in der Kommunikation mit Einheimischen über den Krieg durchgeführt. „Die Ergebnisse waren nicht überraschend, aber dennoch schockierend“, sagt Pichler.

Viele der Ukrainer trafen demnach auf russische Narrative wie „Russisch ist in der Ukraine verboten“, „Nato-Provokation“, „Ihr müsst verhandeln“ oder „Selenskyj ist ein Kriegshetzer“. Nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten würden Flüchtlinge aus der Ukraine mit diesen Mythen und Verschwörungstheorien über ihr Land konfrontiert, sagt der Medienexperte.

Glücklicherweise seien die russischen Streitkräfte weit weniger effektiv als ihre Propaganda-Armee, aber es ist von entscheidender Bedeutung, den russischen Narrativen entgegenzuwirken und ihren Einfluss in den westlichen Gesellschaften zu verringern, um die internationale Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten, betont Pichler.

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