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Swetlana Gynzhul in Lutsch.

© REUTERS/LISI NIESNER

Ukraine-Invasion Tag 371: Das Leben einiger Dorfbewohner in einem Bunker aus dem Kalten Krieg

G20-Außenministertreffen ohne gemeinsame Abschlusserklärung, US-Justizminister bezeichnet Prigoschin als „Kriegsverbrecher“. Der Überblick am Abend.

Die Bunker sollten in Zeiten des Kalten Kriegs Schutz vor einem möglichen Nuklearschlag bieten. Nun sind sie für einige Ukrainer zu ihrem neuen Zuhause geworden, wie die Nachrichtenagentur Reuters (Quelle hier) und die „Washington Post“ (Quelle hier) berichten.

Getroffen haben die Journalisten Swetlana Gynzhul. Die 55-Jährige ist eine von gerade einmal 50 Einwohnern, die noch in Lutsch, gelegen rund 40 Kilometer nordwestlich von Cherson, leben. Bevor Russland in die Ukraine einmarschierte, waren es noch 935 Menschen, schreibt Reuters. Rund 30 von den Verbliebenen leben nun in zwei Atomschutzbunkern und einem Keller. 

„Vom ersten Tag an, als alles begann, begannen wir, den Bunker zu säubern“, zitiert die „Washington Post“ Swetlana Gynzhul. „Es war sehr gut, dass wir damit begonnen haben, denn am 24. Februar letzten Jahres explodierte nachts um 23 Uhr eine Granate in unserem Dorf“, sagte Gynzhul. Kinder und ältere Menschen seien die ersten gewesen, die in den Bunkern Zuflucht suchten.

Als das Dorf durch die Angriffe mehr und mehr zerstört worden war und viele Einwohner ihr Zuhause verloren, beschlossen sie, die Bunker zu ihrem neuen Heim zu machen. Auf diese Weise, sagt die 55-Jährige, könne sie sich um die wenigen Nachbarn kümmern, die sie noch habe. 

Der Beton-Rasen-Bunker selbst wurde laut den Berichten in den 50er-Jahren gebaut, um sowjetische Soldaten im Falle eines Atomkriegs zu schützen. Dass er jemals benutzt werden würde, daran habe nach dem Kalten Krieg niemand geglaubt. Erreichbar ist er über eine Tür auf einem Grashügel und eine steile Treppe. Elektriker schlossen ihn an das Stromnetz an. Die Anwohner bauten einen Holzofen und einen Generator. Mit Betten, Teppichen und Decken schufen sie sich ihr neues Zuhause.

Noch ist Gynzhul nicht gewillt, den Bunker zu verlassen, doch auch sie hat Träume: „Wir werden uns bemühen, so gut es geht, wieder in einem Dorf mit Blumen, einem sauberen Haus und grünen Bäumen zu leben. Alles wird gut werden“, sagt sie.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Im Westen Russlands, nahe der Stadt Bryansk, sollen sich wohl mehrere bewaffnete Männer Kämpfe mit russischen Sicherheitskräften geliefert haben. Das legen Videos nahe, die sich derzeit in den sozialen Netzwerken verbreiten. Der Gouverneur von Bryansk sprach von einer „ukrainischen Sabotagegruppe“, die auf russisches Gebiet eingedrungen sein soll. Dahinter stecken wohl russische Rechtsradikale. Mehr dazu hier.
  • Wegen des Ukrainekriegs wird es beim Treffen der G20-Außenminister in Neu Delhi nach Angaben mehrerer Staaten keine gemeinsame Abschlusserklärung geben. Russland und China haben sich bei dem Treffen in Indien geweigert, die Erklärung mitzutragen. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der russische Oligarch Oleg Deripaska geht davon aus, dass Russland aufgrund der westlichen Sanktionen infolge des Ukraine-Krieges das Geld ausgehen wird. „Schon nächstes Jahr wird es kein Geld mehr geben“, sagte der Milliardär laut Bloomberg auf einem Wirtschaftsforum in Sibirien. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • US-Justizminister Merrick Garland hat Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet. Das US-Justizministerium helfe Kiew dabei, mutmaßlich begangene Kriegsverbrechen zu untersuchen, sagte er in einer Anhörung des US-Senats – darunter auch Verbrechen, die den Söldnern zugeschrieben werden. Mehr hier.
  • In der umkämpften Stadt Bachmut leisten die ukrainischen Soldaten nach Angaben des russischen Söldner-Chefs Jewgeni Prigoschin erbitterten Widerstand. Die ukrainische Armee werfe zusätzliche Reserven in die Schlacht, sagte er in einer Sprachnachricht. „Sie versucht mit aller Kraft, die Stadt zu halten.“ Mehr dazu hier.
  • Außenminister Antony Blinken hat am Rande des G20-Treffens der Außenminister in Indien ein knapp zehnminütiges Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow geführt. Dabei soll es sich um ein außerplanmäßiges Treffen gehandelt haben, wie die „New York Times“ berichtet. Mehr in unserem Newsblog.
  • Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bestätigte in einer Anhörung im Senat, „dass es Gespräche mit den Ukrainern über die Flugzeuge und die Formation gibt“. Der Sender BFM TV zitierte aus der Sitzung. Es gebe jedoch Schwierigkeiten bei der Logistik, Ausbildung und mechanischer Wartungskapazität. 
  • Russland hat laut einer internationalen Ermittlergruppe in der Region Cherson mindestens 20 Folter-Einrichtungen betrieben. „Neue Beweise aus dem zuletzt befreiten Cherson zeigen, dass Folterkammern vom russischen Staat geplant und unmittelbar finanziert wurden“, teilte das Mobile Justice Team mit. 
  • Die russische Söldner-Gruppe Wagner ist nach Angaben von Jewgeni Prigoschin fast bis ins Zentrum von Bachmut vorgedrungen. Prigoschins Umfeld veröffentlicht auf dem Kurznachrichtendienst Telegram ein Video, das Wagner-Söldner „praktisch im Stadtzentrum“ von Bachmut zeigen soll.
  • Die russische Besatzungsbehörde versucht womöglich, die Arbeit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im AKW Saporischschja weiter einzuschränken. Ziel sei es, die Anerkennung der russischen Kontrolle über das Kernkraftwerk zu erzwingen, wie das Institute for the Study of War analysiert.
  • Russland will die Zusammenarbeit mit China umfassend ausbauen. Außenminister Sergej Lawrow sprach bei einem Treffen mit seinem neuen chinesischen Kollegen Qin Gang in Indiens Hauptstadt Neu Delhi von „weitreichenden Plänen zur Entwicklung unserer bilateralen Zusammenarbeit“. 
  • Deutschland will Waffenexporte nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) künftig deutlich „selektiver“ zulassen. Rüstungsexporte sollten wertegeleitet genehmigt werden, kündigte der Vizekanzler in der „Wirtschaftswoche“ an. 
  • Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland beim G20-Treffen von Wirtschaftsmächten aufgerufen, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden. „Stoppen Sie diesen Krieg. Stoppen Sie die Verletzung unserer internationalen Ordnung. Stoppen Sie die Bombardierung ukrainischer Städte und Zivilisten“, forderte sie.
  • Bei einem russischen Raketenangriff auf Saporischschja im Süden der Ukraine sind nach Angaben der Behörden mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Die Rakete habe in der Nacht ein fünfstöckiges Wohnhaus getroffen, das dann eingestürzt sei, teilte der Sekretär des Stadtrats, Anatolij Kurtjew, mit. 
  • Die Streitkräfte der Ukraine haben die Lage an den Fronten des Landes nach Einschätzung von Präsident Wolodymyr Selenskyj im Griff. „Wir haben jedes Gebiet an der Front unter Kontrolle“, sagte er in seiner Videoansprache. Allerdings müssten die Menschen im Hinterland der Fronten weiterhin unter den russischen Angriffen leiden.

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