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Oleksij Resnikow, Verteidigungsminister der Ukraine.

© picture alliance/dpa/AP/Daniel Cole

Ukraine-Invasion Tag 378: „Munition, Munition und noch einmal Munition“

Wagner-Gruppe nimmt Osten von Bachmut ein, Gespräche zu Getreideabkommen ohne Ergebnis. Der Überblick am Abend.

„Munition, Munition und noch einmal Munition“ – das hat der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow heute bei einem Treffen der EU-Verteidigungsminister in Stockholm gefordert. Es ist nicht das erste Mal, dass Offizielle aus Kiew das tun (u.a. hier). Aber Resnikows Appelle werden dringlicher. Kein Wunder, häufen sich doch die Berichte, dass die Ukrainer aktuell bei der Artillerie Munition einsparen müssen. Dass Russland derzeit ähnliche Probleme plagen, hilft dabei wenig. 

Die Herausforderungen bei der Munitionsversorgung stehen dabei exemplarisch für die Probleme bei der Unterstützung der Ukraine. Von „too little, too late“ (zu wenig, zu spät) sprechen Beobachter in diesem Zusammenhang. Zu selten wird offensichtlich in den westlichen Hauptstädten bedacht, was in der Zukunft von Kiew benötigt werden könnte, entsprechend ist dann die Verzögerung, wenn die Engpässe in der Ukraine sich zuspitzen.

Die Munitionsproduktion anzukurbeln, dauert, obwohl die EU jetzt eine Milliarde Euro für Artilleriegeschosse bereitstellen will. Die finanziellen Mittel kommen aus der sogenannten Friedensfazilität; ein Geldtopf der schon 2021 geschaffen wurde, um unter anderem militärische Ausbildungsmissionen zu unterstützen. In ganz Europa produziert die Industrie laut einem Bericht des „Spiegel“ (Quelle hier) rund 300.000 Artilleriegeschosse pro Jahr (an anderer Stelle ist von bis zu 600.000 Geschossen die Rede, allerdings beinhaltet die Zahl auch Munition für Panzer).

Die Ukraine verbraucht laut eigener Aussage pro Monat aktuell etwas mehr als 100.000 Geschosse; immer seltener kommt dabei Munition sowjetischer Bauart zum Einsatz. Die Ukraine bezifferte den Bedarf, um gegen Russland zu bestehen, kürzlich auf mindestens 250.000 Geschosse monatlich.

Dass der Munitionsmangel der Ukrainer bei der Artillerie jetzt schon akut sein soll, überrascht dennoch. Die USA hatten bis zum Oktober 2022 rund eine Million Stück Munition mit dem Kaliber 155 Millimeter, also für Geschütze westlicher Bauart, geliefert. Seitdem war in den zahlreichen Hilfspaketen immer wieder auch Munition enthalten. Beim aktuellen Verbrauch würde allein die Menge aus den USA für rund ein Jahr reichen.

Denkbar ist, dass die Ukrainer einkalkulieren, dass es dauert, bis der Westen die Wünsche erfüllen kann; die Forderungen aus Kiew kämen damit mit einem Sicherheitspuffer. Wahrscheinlich ist auch, dass die Ukrainer für ihre Frühjahrsoffensive beträchtliche Mengen an Munition in der Hinterhand halten. 

Die USA jedenfalls haben sich schon auf den Verbrauch in der Ukraine eingestellt. Die Unternehmen dort fahren die Produktion hoch: Bis zum Frühjahr sollen pro Monat 20.000 Geschosse hergestellt werden. Auf 90.000 Geschosse pro Monat soll die Produktion bis 2025 ansteigen. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Geht die EU zu Unrecht gegen Familienmitglieder des Chefs der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, vor? Die Richter in Luxemburg haben darauf eine klare Antwort. Die Sanktionen gegen Prigoschins Mutter sind nicht rechtens. Mehr hier.
  • Prigoschin ist laut einer Videoaufnahme im Osten der ukrainischen Stadt Bachmut. Seine Söldner hätten das Gebiet bis zum Ufer des Flusses Bachmutka unter ihre Kontrolle gebracht. Mehr hier.
  • Pferd von Tschetschenen-Anführer Ramsan Kadyrow offenbar gestohlen: Am Wochenende sollen Unbekannte das Zuchttier von Putins „Bluthund“ entführt haben. Das Pferd gehörte zu den Vermögenswerten, welche die EU im Krieg eingefroren hatte. Mehr hier.
  • Der ehemalige FSB-Offizier Igor Girkin kritisiert bei Telegram Wagner-Chef Prigoschin und den russischen Verteidigungsminister Schoigu. Die „Ergebnisse von mehr als zwei Monaten brutalen Gemetzels“ in Bachmut würden „alles andere als die Führungstalente belegen“, schreibt er. Mehr in unserem Liveblog.
  • Eine vollständige Einnahme Bachmuts hätte laut Selenskyj für Russland nicht nur symbolische, sondern auch strategische Bedeutung. „Uns ist klar, dass sie nach Bachmut noch weiter gehen könnten“, sagte der ukrainische Präsident dem US-Sender CNN. Die russischen Truppen hätten dann „freie Bahn in andere ukrainische Städte, in Richtung Donezk“. 
  • Russlands hat nach wie vor Bedenken, heißt es bei türkischen Diplomaten auf die Frage, ob die Vereinbarung zur Ausfuhr ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer verlängert wird. „Die Bedenken Russlands oder vielmehr die Probleme, mit denen Russland konfrontiert ist, sind noch nicht ausgeräumt“, sagt der Insider. Die Türkei arbeite aber hart daran, dass es zu einer Verlängerung komme. 
  • Der Chef der Vereinten Nationen, António Guterres, ist zu einem Besuch in der Ukraine eingetroffen. Guterres sei in der Nacht zum Mittwoch in der Hauptstadt Kiew angekommen, bestätigte Sprecher Stéphane Dujarric mehreren Medien. Der UN-Generalsekretär war am Dienstag in Polen gelandet. Bei seinem dritten Besuch in Kiew seit Kriegsbeginn soll der 73-Jährige unter anderem Präsident Wolodymyr Selenskyj für Gespräche über die Verlängerung des Getreideabkommens treffen.
  • Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat vor einer russischen Einnahme der umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut gewarnt. „Wir können nicht ausschließen, dass Bachmut in den nächsten Tagen fällt“, sagte Stoltenberg am Mittwoch am Rande von Beratungen mit den EU-Verteidigungsministern in Stockholm. Dies wäre nach seinen Worten zwar „kein Wendepunkt“ in dem russischen Angriffskrieg. Es zeige aber, „dass wir Russland nicht unterschätzen sollten und wir die Ukraine weiter unterstützen müssen“.
  • Die von Deutschland und Portugal versprochenen Kampfpanzer für die Ukraine werden nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bis Ende März geliefert. Das sagte der SPD-Politiker am Mittwoch am Rande eines EU-Verteidigungsministertreffens in Schweden.
  • Die Schweiz hat angesichts des Ukraine-Kriegs ihre in der Verfassung verankerte Neutralität bekräftigt und sich hinsichtlich etwaiger Waffenlieferungen in die Ukraine weiterhin unnachgiebig gezeigt. „In Anbetracht unseres rechtlichen Rahmens in der Schweiz sind Waffenexporte nicht möglich“, sagte Präsident Alain Berset am Dienstag in New York. „Für die Regierung und den Bundesrat müssen und wollen wir diesen Rechtsrahmen beibehalten.“

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