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Menschen überqueren eine überschwemmte Straße im indischen Mumbai.

© Rafiq Maqbool/AP/dpa

Jakarta und Mumbai: Zur Kreativität der Moloche

Und dem Potential scheinbar improvisierter Lösungen

Ein Kommentar von Katrin Sohns

Auf die Frage, von welcher Metropole sie sich zuletzt etwas abgeguckt habe, antwortete die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey kürzlich in einem Interview mit dem Tagesspiegel: Jakarta. Sie war so begeistert von einer Service-App der indonesischen Hauptstadt, dass sie eine ähnliche zeitnah auch in Berlin launchen will.

Giffeys neues Idol mag überraschen, gilt Jakarta doch nicht zu unrecht als Moloch mit vielen infrastrukturellen Herausforderungen – auch der, dass sie zu versinken droht. Doch genau das macht die Stadt innovativ und zukunftsweisend.

Inzwischen lebt jeder achte Mensch in Großballungsräumen. An diesen Orten ballt sich vieles, auch „brainpower“. Deshalb sind es oft die Bewohner selbst, die Antworten auf die täglichen Herausforderungen ihrer Städte finden. Seit einigen Jahren werden diese eher improvisierten Lösungen von jungen Startups aufgegriffen, optimiert und technisch aufbereitet. Mopedfahrer, die in Indonesiens Hauptstadt traditionell an den Straßenecken warteten und die Bewohner schnell durch die legendären Staus manövrierten, können inzwischen über die erfolgreiche App „Gojek“ gebucht werden. Entwickelt wurde sie von einem indonesischen Harvard-Absolvent.

In Mumbai ist es der „Dabbawala-Service“, dessen Zuverlässigkeit westliche Logistik-Unternehmen erblassen lässt. Sechs Tage die Woche werden 130,000 Mittagessen pünktlich mit einfachsten Mitteln zugestellt. Ein Geheimnis dieses jahrhundertealten Dienstes ist die dezentralisierte Netzwerkstruktur, die den „Dabbawalas“ Autonomie und Entscheidungsfreiheit schenkt. So können sie unmittelbar auf die vielen täglichen Hindernisse bei den Zulieferungen reagieren.

Ganz in Giffeys Sinne sollten wir diese „Moloche“ also nicht voreilig als rückständig abtun. Vielmehr können wir von ihnen lernen. Denn unsere Leben, unsere Großbaustellen sind mehr und mehr von internationalen Lieferketten abhängig. Die Zukunft gehört womöglich nicht mehr der braven Projektplanung, die von A über B nach C denkt, sondern einer, die die Komplexität und Realität unserer Welt von Anfang an kreativ umarmt.

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