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Adrain Figueroas Stück "Pauken" am HAU 

© GRAZ DIEZ

Adrian Figueroas „Pauken“ am HAU: Klassenfragen, Breakdance und BÄM!

Schule als Gruppentherapie. Adrian Figueroas Inszenierung „Pauken“ liefert die Momentaufnahme einer Generation heutiger Jugendlicher. Der Text stammt von Schriftstellerin Maike Wetzel.

„Hast du gelernt?“, fragt einer seinen Mitschüler. „Wozu?“, entgegnet der achselzuckend. „Ich brauch’ kein Abitur. Und vom Studium wirst du nur arm.“ Das leuchtet ein. Überhaupt: Wieso sich mit dem Periodensystem herumschlagen, wenn der Traum doch ist, mit der Band unterwegs zu sein, nachts im Tourbus von einer Stadt zur nächsten. Oder wenn der Einstieg in Papas Betrieb gutes Geld verspricht.

Kommt halt drauf an, auf welchem Realismuslevel die Zukunftswünsche sich einpendeln. Die Schule jedenfalls bietet weder Halt noch Orientierungshilfe. Und der größte Nervenkitzel besteht hier in der Sorge, womöglich vor Langeweile zu sterben.

„Pauken“ heißt die jüngste Arbeit des Regisseurs und Dokumentarfilmers Adrian Figueroa im HAU Hebbel am Ufer. Sie handelt von Menschen, über die viel gesprochen wird, die aber selten selbst eine Bühne bekommen, Jugendliche nämlich. Klar, die sind „die Zukunft“. Und wie die nächste Generation so tickt, das interessiert immer dann, wenn sie plötzlich anfängt, in großer Zahl AfD zu wählen. Oder wenn es um Guerilla-Marketing auf TikTok geht.

Aber ihr Alltag – der nun mal zu wesentlichen Teilen aus Klassenraum und Pausenhof, Prüfungen und anderen Tests besteht –, der bleibt ihr eben gern zur privaten Bewältigung überlassen. „Die Hälfte der Klasse geht zur Therapie“, heißt es einmal in diesem Stück, das Figueroa zusammen mit der Theater- und Drehbuchautorin Maike Wetzel entwickelt hat, basierend auf Interviews mit Berliner Schüler:innen.

Szene aus Adrain Figueroas Inszenierung „Pauken“ am HAU.
Szene aus Adrain Figueroas Inszenierung „Pauken“ am HAU.

© GRAZ DIEZ

Es ist ziemlich voll auf der Bühne des HAU 1. Rund 30 junge Spieler:innen sind hier versammelt, um Klassenfragen der anderen Art zu erörtern. Die Produktion läuft im Rahmen der Programmreihe „Wem gehört die Welt?“, in der schon Christiane Rösingers „Die große Klassenrevue“ zu sehen war.

Unterstützung bekommen sie von einer Breakdance-Gruppe (für die Choreografie des gesamten Abends ist „Flying Steps“-Mitgründer Kadir „Amigo“ Memiş verantwortlich), außerdem von der ebenfalls zahlenstark auftretenden Berliner Marching-Drums-Gruppe BÄM!, die bekanntlich Peter Fox mit ins Leben gerufen hat. Es sind sehr dezibelintensive und bildstarke Tableaux, die hier entstehen.

Schulleben zwischen Mobbing und Gaming

„Pauken“ wirft Schlaglichter auf ein Schulleben zwischen Panikattacken, Mobbing, Selbstbehauptungsversuch, Binge-Watching, Gaming – und Pandemie. Die Lockdown-Zeit, die Jugendlichen so viel abverlangt hat und deren Folgen für viele bis heute kein bisschen bewältigt sind, bricht wie die Schattenwelt aus der Serie „Stranger Things“ in die Realität. „Ist das nicht unheimlich, diese Stille?“. „Da draußen ist es wie ausgebombt.“ „Nicht mal Flugzeuge.“

Solche Flashback-Sätze genügen, um wieder wachzurufen, was längst unter anderen Nachrichten verschüttet wurde: Es gab eine Erosion der Gewissheiten, die das Nachdenken über alle Arten von Zukunft auf unbestimmte Zeit vergebens hat erscheinen lassen. „Was würdest du tun, wenn alles vorbei wäre?“, fragt einer der Jugendlichen auf der Bühne.

Von Adrian Figueroa waren am HAU bereits mehrfach eindringliche Inszenierungen zu sehen, die auf Interviews basierten: „Stress“ war eine Collage aus Stimmen von jugendlichen Strafgefangenen (auch mit dem Gefängnistheaterprojekt aufBruch ist Figueroa verbunden), in „Aurora“ haben der Regisseur und der Dramaturg Tuncay Kulaoğlu das Thema Drogen- und Sehnsucht verhandelt.

In „Pauken“ formuliert sich vor allem ein Wunsch nach Verbundenheit. Mit den Peers, vielleicht sogar den Eltern, mit einer Welt, in der „alle nur reden, aber keiner meint, was er sagt.“ Und das Bedürfnis, sich selbst zu spüren, irgendwie wirksam zu werden. Auch wenn die Schule dafür keine Lehrpläne hat.

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