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Fordert Zeit. Die Ausstellung „Das Heptaeder“ zeigt Fotos, eine kleine Zeitung, Skulpturen und einen Theatertext.

© Ludger Paffrath/ Galerie Mehdi Chouakri

Saâdane Afif in der Galerie Mehdi Chouakri: Am Ende hält der Künstler alle Fäden in der Hand

Die Welt ist eine schiefe Ebene: Der Künstler Saâdane Afif zeigt anregendes state of the art und gibt Einblicke in seine verflochtene Arbeitsweise.

Die Geschichte lässt sich aus vielen Perspektiven erzählen. Sie mäandert, weist zurück in die Geschichte, nach Marrakesch, Paris und Marfa, spielt im Billardsaal wie auch im Theater – und endet beim Künstler Saâdane Afif, der am Ende alle Fäden in der Hand hält, um sie elegant miteinander zu verbinden.

Am besten setzt man sich in der Galerie Mehdi Chouakri auf einen der im Raum platzierten Hocker, denn Afifs Ausstellung „Das Heptaeder“ mit Fotos, einer kleinen Zeitung, Skulpturen und einem Theatertext fordert Zeit.

„Chair“ heißen die siebenflächigen Sitzgelegenheiten, die man im doppelten Sinn besitzen kann und mit denen Afif sein assoziatives Match eröffnet: Sie erinnern an Stühle des amerikanischen Minimalisten Donald Judd. Bloß wäre der kreuzunglücklich angesichts jener Modelle mit ihren ungleichmäßigen Ausformungen, die Judds Idee von totaler formaler Strenge völlig zuwiderlaufen.

Das wirkt nicht, als wolle Afif sich über ihn lustig machen. Eher wie eine Korrektur, die der 1970 in Frankreich Geborene fast drei Jahrzehnte nach dem Tod des weltberühmten Kollegen vornimmt: Die Welt erklärt sich nicht im rechten Winkel. Eher anhand eines vieleckigen Modells mit schiefen Ebenen und Kanten. Wenig ist vorhersehbar und Afifs Werk der beste Beweis dafür, dass man immer wieder am Anfang seiner Arbeit steht.

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Afif lässt immer neue Protagonisten von seinen Ideen profitieren

In Marrakesch, wo der Künstler 2014 an der fünften dortigen Biennale teilnahm, beauftragte er einen Lehrer für Mathematik, Geometrie auf einem zentralen Platz zu unterrichten und als „Souvenirs“ kleine Skulpturen aus Polyedern zu verkaufen. Afif erkundete währenddessen die Stadt, stieß auf ein Museum für Fotografie und dort wiederum auf ein Porträt von Yasmine d’Ouezzan: Muse, Schönheit und Siegerin der ersten Billard-Meisterschaft für Frauen.

Ihr widmet er ein Theaterstück über Absurdität und Abstraktion. Noch besteht es aus reiner Sprache, doch Afif hat schon einmal Kostüme entworfen, die die Charaktere des Stückes beschreiben. Einiges davon kann man – genau wie die Stühle in unlimitierter Auflage – kaufen. Und zwar als Modekollektion des Künstlers, die in Kooperation mit dem Label Starstyling entstanden ist.

So holt Afif immer neue Protagonisten dazu, die von seinen Ideen profitieren und ihrerseits Impulse liefern. Das Skript für die Bühne stammt vom französischen Kunstkritiker und Autor Thomas Clerc, die geometrischen Miniskulpturen in einem Schaukasten der Galerie erinnern an den dozierenden Lehrer in Marrakesch, die Idee einer kompletten Theateraufführung wird dieses Jahr in der Pariser Fondation d’entreprise Ricard fortgesponnen.

Was Saâdane aktuell in der Galerie zeigt, ist anregendes state of the art: ein Einblick in die verflochtene Arbeitsweise des Künstlers, der zu keinem Ende kommt und das auch gar nicht will. Noch Fragen?
[Galerie Mehdi Chouakri, Fasanenstr. 61; 7.–11. Januar, Di–Sa 11–18 Uhr]

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