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Studierende im Hörsaal.

© dpa/Peter Kneffel

Antisemitismus an Berliner Unis: Wie jüdische Studierende allein gelassen werden

Unsere Autorin war Frauenbeauftragte einer Hochschule und erlebte immer wieder, dass jüdische Studierende sich an sie wandten, weil sie sich sonst nirgends gut aufgehoben fühlten.

Eine Kolumne von Debora Antmann

In meiner letzten Kolumne habe ich thematisiert, wie es für mich war, als Jüdin an einer Berliner Hochschule zu studieren. Die Erfahrung, dass Antisemitismus einfach ausgeblendet wird, riss nicht ab, als ich anfing, an einer Berliner Hochschule zu arbeiten. In meiner Position als Frauenbeauftragte hatte ich einige Jahre lang die Chance, die Kultur meiner und diverser anderer Hochschulen aus einer institutionellen Perspektive zu erleben.

Das Problem wird deutlich, wenn Studierende bei Vorfällen von Antisemitismus in Seminaren oder anderen Hochschulkontexten zu mir als Frauenbeauftragter kommen, weil ich Jüdin bin und weil sie nicht wissen, wohin sonst. Weil sie sich mit ihrem Anliegen weder beim AStA, noch bei Profs oder anderen Anlaufstellen gut aufgehoben fühlen. Alles Stellen, die bei anderen sogenannten „problematischen“ Vorfällen oft von Studierenden einbezogen werden, bevor die institutionalisierte Instanz „Frauenbeauftragte“ kontaktiert wird.

Oder wenn absolut antisemitische Ämterentscheidungen auch dann keine Irritation hervorrufen, wenn es bereits die x-te Jüdin trifft. Alles Zufall. Alles normal.

Es ist Fakt, dass mich auch Jahre, nachdem ich den Hochschulbetrieb verlassen hatte, noch immer regelmäßig jüdische Studierende anschrieben, um irgendwem von ihren Erfahrungen erzählen zu können, auf der Suche nach Rat oder Unterstützung. Viele machen konkrete antisemitische Erfahrungen und haben nicht das Gefühl, dass sich jemand dafür interessieren würde.

Andere stellen – ähnlich wie ich – plötzlich mitten im Studium fest, dass jede Form der Diskriminierung Teil ihres Curriculums ist, außer Antisemitismus; und sie nur Schweigen ernten, wenn sie ihre eigenen Erfahrungen thematisieren wollen. Plötzlich wird die kritische Masse um sie herum zum ressonanzlosen Raum. Oder aber, dass in expliziten Antisemitismus-Seminaren jüdische Perspektiven für irrelevant erklärt werden, weil bei Antisemitismus nur das abstrakte Theorem zählt.

Antisemitismus ohne Jüd*innen. Es ist also weder neu noch verwunderlich, was aktuell an Hochschulen passiert. Es ist nur das erste Mal so laut, dass andere es hören.

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