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Auch Architekturbücher gehören auf den Gabentisch.

© dpa/Jan Woitas

Architekturbücher für den Gabentisch: Bauen mit Substanz

Vom Corbusierhaus bis zum Wendehammer in der DDR. Architekturkritiker Nikolaus Bernau gibt Tipps für Buchgeschenke.

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Wenn es Ihnen geht wie mir, dann beginnt langsam die Hektik: Habe ich alles für die Lieben zusammen? Oder was Liebes fällt mir noch ein? Geht ein Klassiker? Immer. „Vers un Architecture“ von Le Corbusier, dem Architekten auch des Berliner Corbusier-Hauses. Er verabscheute allerdings die Berliner Bauordnung, die sich nicht an seinem eher zarten Körper orientierte, sondern statt 2,26 Meter stur 2,50 Raumhöhe forderte.

Eine Beleidung für ihn, den Propheten der Avantgarde, der in dem ziemlich genau vor 100 Jahren erschienenen Büchlein behauptete: Nicht eine, sondern seine Architekturauffassung ist die einzig richtige. Und: Die Stadt und das Haus seien eigentlich industrielle Arbeits- und „Wohnmaschinen“, zu bauen wie ein Auto: praktisch, schnell, massenweise, standardisiert. Kennen Sie die Parolen? Genau. Das sind auch die Schlagworte der aktuellen Wohnungsbaudebatte. Muss in jedem Architekturregal stehen (Bauwelt Fundamente Bd. 2, Birkhäuser Verlag, Basel, 27,95 Euro).

Das Corbusierhaus in Berlin-Charlottenburg.

© Thilo Rückeis TSP

Gehen wir über zu dem leider bisher nur auf Englisch erhältlichen Buch von Rainier de Graaf „The New Language of Building“ (verso Verlag London, 266 S, 25 Euro). Nicht nur des giftgelben Einbands wegen ein tolles Buch. De Graaf lästert aus tiefstem Herzen über seine Kollegen Architekten und deren inhaltsleeres Marketing-Sprech. Für alle, die trotz der gebauten Misere um uns rum auch mal herzhaft lachen wollen und trotz all der ästhetischen und intellektuellen Korruption dieses Berufsstands (von der wirtschaftlichen ganz zu schweigen) fest daran glauben, dass intelligent, spannend gestaltete Architektur ohne Architekten gar nicht geht. Übrigens: Ein Architekturbuch ganz ohne Bilder. Toll.

Reichlich Bilder bringt dafür der Berliner Architekturjournalist Ulrich Brinkmann: „Vorsicht auf dem Wendehammer! Die Straße als Element des Städtebaus. Ansichtspostkarten in der DDR und Bundesrepublik 1949 bis 1989. (DOM Publishers, Berlin 2023, 28 Euro). Ein mit Verve geschriebenes und brillant illustriertes Schreckenspanorama der Nachkriegszeit, des Stolzes der Deutschen Ost wie West auf die autogerechte Stadt, auf irgendwo ins Abstandsgrün gestellte Hochhäuser, breite Straßenringe um die im Fortschrittswahn abgerissenen Altstädte, unermesslich viele Verkehrsschilder, Unterführungen, deren Zufahrtsschächte ganze Stadtviertel zerschlagen. Kaum ließ ich das Buch ein paar Minuten alleine im Cafe, schon war es weg. Hab’ Freude damit, lieber Dauerentleiher.

Und zuletzt: Schon mal Charles Dickens Weihnachtsgeschichte gelesen? Vollkommen zu Unrecht als viktorianischer Schmachtfetzen verachtet. Wie der sturzgeizige Scrooge durch das arme London gejagt wird, das soziale Desaster des Frühkapitalismus sich entfaltet und die Kraft der Liebe – was für ein Architekturbuch. Und was für ein herzerweichender, weihnachtsglöcklicher Schluss. Bis zum nächsten Kommentar an dieser Stelle – Fröhliche Festtage.

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