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Befremdliche Nähe: Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann, Ronald Zehrfeld als Max Frisch.

© Alamode

Berlinale-Wettbewerb: Fragmente einer Liebe

Margarethe von Trotta nähert sich in elliptischen Vignetten der Beziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch: „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“.

Sie tanzt in der Wüste und lässt sich im Sand eingraben, wie eine Mumie. Zu Beginn der Ägyptenreise ist sie fast zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten, aber sie erholt sich bald in der Sonne, strahlt manchmal über das ganze Gesicht.

Nicht die an der Beziehung zu Max Frisch zerbrechende Ingeborg Bachmann zeigt Margarethe von Trotta, sondern die Genesende. Nicht allein jene Dichterin, die in „Malina“ den Schlusssatz „Es war Mord“ formuliert, sondern auch jene, deren Romanheldin sich über die Männer amüsiert und sich ihnen kein bisschen unterwirft.

Vicky Krieps leiht Bachmann ihre feingliedrige Gestalt, die leise Stimme, das umwerfende Lächeln. Ronald Zehrfeld hat sich einen Körperpanzer zugelegt, für den verliebten Macho Max Frisch, der mit seinen 47 Jahren hingerissen ist von der 32-jährigen Kollegin, aber nicht im Traum auf die Idee käme, an seinem Schreibmaschinen-Geklappere etwas zu ändern, bloß weil es sie in den Wahnsinn treibt.

„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ ist keine Chronik einer für Bachmann fatalen Affäre, auch kein Psychogramm einer Beziehung, die beide sofort literarisch verarbeiteten, Frisch in „Mein Name sei Gantenbein“, Bachmann in „Malina“, ihrem einzigen vollendeten Roman. Sondern eine Liebe in Fragmenten, ein Impromptu, mäandernd zwischen der Reise, die Bachmann 1964 mit dem jungen Schriftsteller Adolf Opel (Tobias Resch) unternahm, und Rückblenden zu Schlüsselmomenten der vierjährigen Beziehung mit Frisch, von der ersten Begegnung 1958 in Paris über die Zeit in seinem Haus in der Schweiz bis zum Versuch, es in Rom hinzubekommen.

Das Schrillen des Telefons in ihren Alpträumen. Zigaretten, Tabletten, der Kampf mit der Sprache, die er zu handhaben weiß, während sie ihr misstraut. Bachmanns Unbekümmertheit, wenn sie ihre Gefährten trifft, Hans Werner Henze (Basil Eidenbenz) vor allem. Ihre Rede zum Hörspielpreis der Kriegsblinden, mit dem berühmten Satz von der Wahrheit, die dem Menschen zumutbar ist. Von Trotta versammelt Vignetten, verzichtet auf filmische Gegenwart. Das passt zum Beginn von „Malina“, in dem die Erzählerin mitteilt, es sei ihr „fast unmöglich, ,heute’ zu sagen“.

Nach ihren Dramen über Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen und Hannah Arendt widmet sich die mittlerweile 80-jährige Regisseurin erneut einer historischen Frauenfigur, holt Bachmann aus jeglicher Opfer-Identität und schlägt gleichzeitig einen persönlichen Ton an. Womöglich auch deshalb, weil von Trotta in ihren Anfängen in der Beziehung und der Zusammenarbeit mit Volker Schlöndorff selbst um ihren Platz als Künstlerin zu kämpfen hatte.

Das Heimliche und das Unheimliche der Liebe: Der Gegensatz zwischen dem intimen Ton, den die Bilder anschlagen, und der aufwändigen Ausstattung bleibt befremdlich. Sechs Länder, 40 Drehtage, 9 Millionen Euro Budget, nostalgisches Flair – und Vicky Krieps trägt in jeder Szene ein anderes Kleid, manches wunderschön.

Weil Identität für Bachmann oft eine Verkleidung war? Ihrer Sprache, diesen lakonischen, zugleich glühenden Sätzen kommt der Film nicht bei. Aber vielleicht geht das auch gar nicht.

Das „Bachmann“-Team in der Pressekonferenz

Vicky Krieps, Margarethe von Trotta und Ronald Zehrfeld bei der Pressekonferenz zu „Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste“.
Vicky Krieps, Margarethe von Trotta und Ronald Zehrfeld bei der Pressekonferenz zu „Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste“.

© REUTERS/NADJA WOHLLEBEN

Also so richtig herunter ist Ronald Zehrfeld vom seinem Max-Frisch-Kampfgewicht noch nicht. Und als eine Journalistin ihn bei der Pressekonferenz zu Margarethe von Trottas Bachmann-Biopic feststellt, dass er seinen Umfang für den Film offensichtlich verdoppelt habe, während Vicky Krieps’ Bachmann dünner ausfiele als die echte Bachmann war, hebt er fröhlich seinen Daumen. Krieps dagegegen betont, dass es für sie bei der Rolle nicht darauf ankam, das Aussehen der Schriftstellerin zu imitieren, sondern es ihr vielmehr darum gehe, Bachmanns „Seele zu ergründen“.

Nimmt man den in der Pressekonferenz geäußerten Stand der gegenseitigen Zuneigung zwischen Produzentin, Regisseurin und ihren beiden Stars als Maßstab für das Gelingen eines Drehs, ist mehr Liebe gar nicht denkbar. Ronald Zehrfeld preist von Trottas auch mit 80 Jahren als ungebrochen begeisterungsfähig, wenn sie „mit kindlichen Augen hinter der Combo sitzt“, was die Videoausspielung an einem Filmset bezeichnet.

Trotta lobt Zehrfeld als Mann von Statur, der trotzdem höchste Sensibilität in winzige Gesten lege. Und Vicky Krieps streicht der von den Lobeshymnen der Weltpresse immer wieder zu Tränen gerührten Regisseurin fürsorglich über die Hand. Beim Film jedenfalls funktioniert es, das Miteinander der Generationen. „Sag doch mal jemand was richtig Gemeines“ fordert die von so viel Raumharmonie gebeutelte von Trotta. „Anstrengend war der Dreh schon“, erfüllt Vicky Krieps ihr den Wunsch. Gemein sein will auf diesem Podium der Herzen keiner.

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