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Markenzeichen: pinke Strähnen. Die Kreuzberger Musikerin Kerfor, 31.

© Laura Kaczmarek

Berliner Musikerin Kerfor: Torte für alle

Mehr, mehr, mehr ist das Motto der Kreuzberger Musikerin Kerfor, die in ihren Songs Rap mit Pop mischt. Es geht darin um Mut, Queerness und Freiheit. Ein Porträt.

Das linke Bein kickt in die Luft – ein, zwei, drei Mal. Kerfor setzt es wie ein Ausrufezeichen hinter jeder Wiederholung der Zeile „I’m a lot“. Der Schlagzeuger betont die Stelle mit einem Schlag auf das Becken. Bäm, bäm, bäm, es ist Samstagabend und der Posh Teckel platzt vor Energie. Auf der kleinen Bühne im Hinterzimmer der Neuköllner Bar steht die Berliner Musikerin Kerfor und bringt die Menschen davor mit ihrer Mischung aus Rap, Pop und Rock in Bewegung. Sie selbst lässt ihre schwarz-pinke Mähne fliegen, hüpft in Sneakers, schwarzer Trainingshose und weißem Crop Top auch mal zu den Fans herunter.

Ein Highlight des Konzerts ist die kürzlich erschienene Single „Cake“, auf der Kerfor bisexuelles Begehren feiert. Der zwischen Deutsch und Englisch wechselnde Text spielt auf die Redensart „You can not have the cake and eat it too“ an, was so viel bedeutet wie, man kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen.

Kann man sehr wohl, findet Kerfor und singt im Refrain: „I’m gonna have the cake and eat it too/ I want the cake, and the cake is you/ Und er und sie, und du, du, du/ Keiner sagt mir what to do“. Auf der Bühne gibt’s dazu ein bisschen Headbanging und im Video backt Kerfor für eine Torte, die dann ganz ohne Besteck bei einer Party mit Freund*innen verzehrt wird. „Mehr, mehr, mehr“ fordert sie und singt: „Sie nennt mich immer ‘Baby’, er nennt mich Schatz/ Esse beide auf, lecke mir die Finger ab“.

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Ein paar Tage vor dem Konzert sitzt die 31-Jährige im Büro ihrer Agentur und erzählt bei einem Kräutertee, dass es ihr ein Anliegen war, in den Song nicht nur einen Teil von sich einzubringen, sondern auch zur Bi-Sichtbarkeit beizutragen. „In Deutschland gibt es immer noch nicht so viele bekannte Menschen, die offen über ihre Bisexualität sprechen“. Zwar wäre es schön, wenn das generell nicht mehr nötig wäre, aber so weit seien wir offenbar noch nicht.

Kerfor findet für sich die Begriffe bi und queer passend, wobei sie betont, dass sie Sexualität als Spektrum sieht. „Ich bin auf verschiedensten Ebenen sehr fluide“, weshalb die Ablehnung von Schwarz-Weiß-Denken ein wichtiges Thema bei ihr ist. Sie selbst wird sehr schnell in Schubladen gepackt, was mit ihrer Familie zu tun hat. Bürgerlich heißt Kerfor, deren Künstlername sich von „to care for“ ableitet, nämlich Elisabeth Furtwängler.

Elisabeth Furtwängler mit ihrer Mutter Maria, mit der sie eine Stiftung gegründet hat, die zuletzt eine Studie zur audiovisuellen Diversität vorgestellt hat.
Elisabeth Furtwängler mit ihrer Mutter Maria, mit der sie eine Stiftung gegründet hat, die zuletzt eine Studie zur audiovisuellen Diversität vorgestellt hat.

© picture alliance/dpa

Ihre Mutter ist die Schauspielerin Maria Furtwängler, bekannt aus dem „Tatort“, ihr Vater der Verleger Hubert Burda. Zusammen mit ihm und ihrem Bruder Jacob gehört ihr der Verlag, der unter anderem den „Focus“ und die „Bunte“ herausbringt. Gemeinsam mit ihrer Mutter hat sie die MaLisa-Stiftung gegründet, die unter anderem Studien zur Geschlechtergerechtigkeit und zum Klimawandel durchführt.

Auf keine ihrer Rollen möchte die in München aufgewachsene Kreuzbergerin reduziert werden. Vieles zugleich sein zu können, darum dreht sich auch „I’m A Lot“, der Song mit den gekickten Ausrufezeichen. Darin singt Kerfor: „Du entitled motherfucker/ Du denkst immer nur an dich/ Du sagst mir 'you are a lot'/ Ja, da liegst du richtig/ I’am lot“ – den Songtitel wiederholt sie zehn Mal. Zu viel gibt es bei ihr nicht. Der Punkt kommt an.

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Zur Musik hat es Kerfor schon früh gezogen, allerdings hat es eine Weile gedauert, bis sie darin ihren eigenen Platz gefunden hat. Als sie etwa zehn ist, hat sie keine Lust mehr auf den Klavierunterricht, sie will lieber Gitarre lernen. „Ich habe dann selbst bei einem Lehrer angerufen und gefragt: Hallo, können Sie bitte kommen und mir das beibringen? Meine Mutter war sehr beeindruckt“, erzählt sie im Gespräch.

Es läuft dann wieder auf klassische Musik hinaus, wobei es Kerfor eigentlich von Anfang darum geht, Instrumente zu erlernen, um selbst Lieder zu schreiben. Durch MTV und Viva entdeckt sie Hip-Hop, wird ein großer Eminem-Fan, rappt seine Lieder nach. Ein Einfluss, den man noch heute hört, etwa wenn sie Double-Time-Zeilen einbaut.

Sie spielt Gitarre, Klavier und Schlagzeug

Beim Konzert im Posh Teckel spielt sie neben einem Lauryn Hill-Cover auch Eminems „8 Mile“. Mit dem Titel hat sie kürzlich bei einem Wettbewerb mitgemacht – und gewonnen. Dort habe niemand ihren Namen gekannt oder gewusst, wo sie herkomme. „Ich habe mich so unglaublich gefreut, weil ich weiß, dass das wirklich nur mein Verdienst war,“ erinnert sie sich. Von dem Preisgeld hat sie Freund*innen zum Abendessen eingeladen.

Es sei ihr wichtig, mit der Musik eine Sache zu haben, die ganz ihre eigene ist, etwas, das sie sich allein erobert. Dafür war auch ein gewisser Emanzipationsprozess von ihrer Familie nötig. Der Dirigent und einstige Chef der Berliner Philharmoniker, Wilhelm Furtwängler, ist Maria Furtwänglers Großonkel. „In meiner Familie gab es diese Genie-Vorstellung: Man beherrscht das Klavierspielen einfach und kann ein Stück nach einer Stunde vom Blatt spielen.“

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Dass das Unsinn ist und man neben Talent einfach sehr viel Übung braucht, habe sie erst in Los Angeles begriffen, wohin sie nach einem Kunstgeschichtsstudium in Cambridge zog, um Musik zu studieren. Inzwischen spielt sie neben Klavier und Gitarre auch Schlagzeug – und hat das Produzieren gelernt. Denn wenn sie ihren Produzenten erklärte, wie etwas klingen sollte, entsprach das Ergebnis oft nicht ihren Vorstellungen. Also schaute sie unzählige Tutorials, fuchste sich in die Software ein und dreht mittlerweile selbst kleine Videos übers Produzieren.

Andere, vor allem weiblich gelesene Menschen, zu ermutigen, ist Kerfor wichtig. Einer ihrer Songs, der das zum Ausdruck bringt, ist „Never Ready, Go!“, in dem sie zu einem Old-School-Beat und einem Klavier-Loop darüber rappt, dass man einfach loslegen muss und nicht warten soll, bis man meint, etwas sei perfekt. So ging es ihr auch selbst mit der Musik. Wobei sie natürlich viel bessere Startchancen hatte als unzählige ihrer jungen Kolleg*innen, die anders als sie erst mal Geld für Instrumente, Software oder Probenraummiete auftreiben müssen.

Kerfor ist sich ihrer Privilegiertheit bewusst und hat sie in dem Track „Privileg“ von ihrer Debüt-EP „Ferociolicious Part I“ von 2021 angesprochen. Er beginnt mit den Zeilen: „Let me be real with you, I’ve got privilege/ I’ll be up front, was born into it / Never been hungry for a day of my life /Never been worried where I’d be staying at night”, kommt dann zu dem Schluss, dass alle Menschen Gefühle wie Scham und Liebe teilen („But we share the shame and love we feel“). Gerade in Sachen Scham dürfe es jedoch große Unterschiede zwischen den Klassen geben. Es kam zu teils heftigen Reaktionen auf den Song, Kerfor nennt es einen kleinen Shit Storm.

Sie hat daraus gelernt, auch dank der Hilfe von Antirassismustrainerin Tupoka Ogette, mit der sie sehr lehrreiche Gespräche geführt habe. „Ich würde den Song so nicht mehr machen und habe inzwischen verstanden, warum er anmaßend ist. Ich wollte etwas thematisieren, habe es aber nicht richtig hinbekommen.“ Gute Reaktion, könnten sich einige Popstars ein Beispiel dran nehmen.

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