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Eine Szene aus „Atan von den Kykladen“ von Judith Vanistendael

© Reprodukt

Comiczeichnerin Judith Vanistendael: „Am Rande der Gesellschaft zu arbeiten, bedeutet echte Freiheit“

Judith Vanistendael präsentiert in dieser Woche ihr neues Werk auf der Leipziger Buchmesse. Im Tagesspiegel-Fragebogen gibt die Brüsseler Comicautorin Einblicke in ihre Arbeit.

Wer hat sie künstlerisch geprägt? Welche Comic-Klassiker empfehlen Sie als Einstieg in die Kunstform? Und welche Noten hatten sie im Kunstunterricht? Im Tagesspiegel-Fragebogen geben Zeichnerinnen und Zeichner Einblicke in ihre Arbeit und in ihre Leidenschaft für die Kunstform. Heute: Judith Vanistendael aus Brüssel, die in dieser Woche ihr neues Buch „Atan von den Kykladen“ bei mehreren Veranstaltungen in Deutschland präsentiert.

1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Die kommen zusammen. Aber es hängt auch davon ab, wovon ich erzähle: Eine Landschaft kommt nie in Worten. Ein Gedanke selten in Bildern.

2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Beim Schreiben nicht, weil Musik den gleichen Teil meines Gehirns anspricht. Aber wenn ich zeichne, ja, viel Musik. Viel spanische Musik und Bach. Und viele Podcasts, die die Themen meiner Geschichte behandeln.

3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Kräutertee. 20 Liter Kräutertee pro Tag.

4. Angenommen Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Keine. Ich rette meine Kinder, meinen Mann und eventuell meine Katze

5. Welche Zeichner/innen und Autor/innen waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Marjane Satrapi, weil sie bewiesen hat, dass auch Frauen Comics zeichnen. Und weil sie genial gut ist. 

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6. Welchen Comic würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
„Persepolis“ von Marjan Satrapi,  „Die Leichtigkeit“ von Cathérine Meurisse

7. Glauben Sie, dass der Comic aktuell die Aufmerksamkeit hat, die er verdient?
Nein. Jede Kultur hat ihre Vorliebe für bestimmten Kunstformen, und nimmt bestimmte Kunstformen ernster als andere. Und Comics werden nicht wirklich ernst genommen. Was aber für Comiczeichner eine große Freiheit bedeutet! Am Rande der Gesellschaft zu arbeiten, bedeutet echte Freiheit.  

Judith Vanistendael: „Atan von den Kykladen“, aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann, Handlettering von Judith Vanistendael, Reprodukt, 128 Seiten, 22 Euro
Judith Vanistendael: „Atan von den Kykladen“, aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann, Handlettering von Judith Vanistendael, Reprodukt, 128 Seiten, 22 Euro

© Reprodukt

8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/ innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie sie im Moment haben?
Alle, die an der Peripherie stehen: Farbige, Frauen, Migranten, Nicht-Binäre und so weiter ...

9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Posy Simmonds.

10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Uff, das ist ja nicht einfach. Ich lese in einer Bibliothek für Blinde aus meinen Comics,  offensichtlich funktioniert es … Die Dialoge tragen die Geschichte.

11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Ich zeichne die Geschichte von Ruth: Sie muss im Jahr 2071 aus Belgien migrieren, weil das Land überflutet ist. Sie wird in Norwegen untergebracht und versucht, ihr Leben da wieder aufzubauen. Eine – so hoffe ich – heitere Komödie über den Klimawandel

12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comic-Auto/in zu werden - und wieso würden Sie ihm oder ihr davon abraten?
Ja: Weil Geschichten erzählen der Kern unserer Menschlichkeit ist und sie in einer Zeit aufwachsen wo diese Menschlichkeit in Gefahr ist. Comics ist eine der freiesten Kunstformen, die wir haben. Und es ist ein Massenmedium: Man kann eine Menge Leute erreichen!
Nein: Weil es viel zu wenig Geld einbringt und viel zu anstrengend ist sum machen.

13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Eigenartig. Unglaublich. Wunderbar!

14. Welche Noten hatten Sie im Kunstunterricht?
Ich war 1991/1992 für ein Jahr an der Universität der Künste Berlin, und es war eine Katastrophe, weil ich null Konzeptkünstlerin bin. Später habe ich Kunstgeschichte studiert und danach Comic an der Luca School of Arts in Brüssel. Elf Jahre Studium, zwei Masterabschlüsse und dramatisch schlechte und dramatisch gute Schulnoten. Ich habe dabei verstanden, dass JEDER Talente hat, man muss nur entdecken, welche. Und dann keine Angst haben, auch wenn die Talente nicht konventionell sind.

15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Nichts. Wenn du übst, kannst du alles zeichnen. Alle können das lernen. Zeichnen ist eine technische Sache, nichts Außergewöhnliches. Kunst damit zu machen, ist etwas anderes!

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