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Ihr Hit heißt „Burka Blue“. Die Videoinstallation der Burka Band ironisiert die eigene Kultur ebenso wie die westlicher Girlgroups.

© Frank Fenstermacher

Das andere Afghanistan: Konzerte, Literatur, Filme und Diskussionen in Berlin

Raum für Kulturschaffende, die zu Hause nicht arbeiten können. Das Goethe-Institut im Exil eröffnet seinen Länderschwerpunkt Afghanistan mit einem Kulturfestival im Kunsthaus Acud.

Auch der afghanische Charlie Chaplin hat sich unter die Leute gemischt, gut schaut er aus mit seiner Melone und dem markanten Schnauzbart. Er posiert für Fotos und heftet einem strahlenden Mann ein Herzchen ans Revers. Als „Afghan Charlie Chaplin“ mit millionenfach geklicktem Youtube-Kanal ist der Schauspieler Karim Asir weit über die Grenzen Kabuls hinaus populär geworden, als Spaßmacher, der Slapstick und soziales Engagement zu verbinden verstand. Bis die Taliban, diese erklärten Feinde der Kunst und des Humors, ihn zur Flucht zwangen. Über Asirs hindernisreichen Weg nach Bochum sind damals viele Berichte erschienen.

Den Tramp vom Hindukusch jetzt im Hof des Kunsthauses Acud zu sehen, das führt einem auch noch einmal vor Augen, wie weit entfernt Afghanistan mittlerweile scheint – in den westlichen Medien, im Bewusstsein, in einer Zeit, die Krise auf Krise türmt. Immerhin: Das Goethe-Institut im Exil, dessen Einladung Asir gefolgt ist, startet jetzt einen mehrmonatigen Länderschwerpunkt Afghanistan. Beginnend mit einem dreitätigen Festival, das Kunst- und Kulturschaffende aus Exil-Communities und der deutsch-afghanischen Diaspora versammelt, das lyrische Lesungen, Filme, Ausstellungen, Puppentheater und Performances zeigt.

Die Theaterperformance „Hans im Glück“ ist auch im Acud zu sehen.
Die Theaterperformance „Hans im Glück“ ist auch im Acud zu sehen.

© Abdul Wahab Mohmand

Das Goethe-Institut im Exil ist in Berlin gegründet worden, um Kulturschaffenden aus Ländern, wo Standorte schließen mussten und keine Vermittlungsarbeit mehr möglich ist, einen Raum zu geben. Es gab bereits Länderschwerpunkte zur Ukraine und dem Iran. Ibrahim Hotak – der jetzt das Afghanistan-Festival kuratiert und lange das Goethe-Institut in Kabul geleitet hat – beschreibt bei der Eröffnung eher beiläufig, wie dort der Alltag aussah.

Wie er mal wegen eines Staus eine Theateraufführung im Französischen Kulturzentrum Kabuls verpasste, was sein Glück war. Dort sprengte sich dann ein Selbstmordattentäter in die Luft. Hotak spricht von den „40 Jahren Krieg“ in Afghanistan, „Jahre, in denen das Land nicht mal in der Lage war, eine Nähmaschine zu produzieren“.

„Einerseits weine ich über mein Schicksal, andererseits singe ich“. Eine Zeile aus einem Gedicht der afghanischen Schriftstellerin und Lyrikerin Mariam Safi, im Acud von Asia Mehrabi intoniert, auch sie ist Dichterin.

Zur Musik der Rubab von Fazila Zamer und der Tabla von Ustad Feraydoon Meyazada – traditionelle Seiten- und Schlaginstrumente – trägt zudem Muzghan Schaffa ihr Poem „Bamiyan und sein Buddha“ vor. „In mir brennt Kabul, Rauch und Flammen überall“, heißt es darin, oder auch: „In mir tausend Frauen, die gebrochen und verschüttet wurden“. Auf das Kunstschaffen von Frauen legt das Festival im ACUD einen besonderen Akzent.

Nicht nur Leiderfahrung, auch widerständige Positionen sollen dabei Raum erhalten. Mit einer Installation aus drei Musikvideos der „Burka Band“ zum Beispiel (unter anderem mit dem Hit „Burka Blue“) – ein 2002 entstandenes Projekt von Musikerinnen, die ihre eigene Kultur genau so ironisch bespiegeln wie westliche Girlgroups. Die preisgekrönte Regisseurin Shahrbanoo Sadat wiederum zeigt ihr Kurzfilmdebüt „Vice Versa One“ sowie den Spielfilm „The Orphanage“, ein Coming-of-Age-Drama über einen entwurzelten 15-Jährigen, der sein Zuhause in den Kinos von Kabul findet.

Eine ganz eigene Perspektive bringt zudem die Co-Kuratorin des Festivals ein, die Künstlerin und Aktivistin Armeghan Taheri, Gründerin des queerfeministischen Diaspora-Magazins „What’s Afghan Punk Rock, anyway?“, das sie im ACUD auch vorstellt. Das versammelt Bilder und Short Stories, die explizit nicht die Erwartung einer Mehrheitsgesellschaft an Schilderungen von Flucht und Trauma bedienen wollen. Es gibt mehr afghanische Geschichten zu erzählen.

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