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Die Künstlerin Esther Mahlangu signiert ihr zweites Art Car.

© BMW AG

Das Erbe ihrer Kultur: Was Esther Mahlangu einzigartig macht

Als erste Frau gestaltete die südafrikanische Künstlerin 1991 ein Art Car. Nun wird sie weltweit gefeiert, Stars wie Alicia Keys und Will Smith zählen zu ihren Fans.

Von Eva Karcher

Ein energischer Trommelschlag zum Auftakt. Wie von Geisterhand getippt, erscheinen Buchstaben in blassem Lila und werden auf den Seitenflächen eines noch mattweißen BMW zur Botschaft: „I’d like to see everyone celebrating their heritage“. Dramatische Rhythmen, ein hymnischer Sound: Die Räder färben sich violett, rosafarbene Linien überziehen Motorhaube, Dach und Heck und fügen sich zu geometrischen Mustern. Weitere Farben und Ornamente tätowieren die Karosserie des Fahrzeugs im Zeitraffertempo mit Dreiecken, Rauten und Rechtecken gelb, grün, blau, rot, pink, schwarz. Das Ende der High-Tech-Performance würdigt mit der Signatur „Esther Mahlangu 2024“ die 88-jährige, weltberühmte südafrikanische Künstlerin als Schöpferin des Tech-Spektakels.

Zum Auftakt der Kunstmesse Frieze Los Angeles Ende Februar feierte der bayerische Automobilhersteller gewissermaßen die Uraufführung des BMW i5 Flow Nostokana. Gleichzeitig präsentierte er seine neue Farbwechseltechnologie: 1349 Foliensegmente, die einzeln angesteuert werden können, machen sie möglich.

Das Automobil, das den Namen des ältesten Sohns der Künstlerin trägt, ist eine Hommage an Mahlangus Art Car, das zwölfte der Reihe, das sie 1991 als erste Frau und erste afrikanische Künstlerin mit traditionellen, oft symbolischen Motiven der Kultur ihres Volks, der Ndebele, bemalte. Mit solchen magisch rituellen Ornamenten dekorierten die Frauen zu Hochzeiten und anderen feierlichen Anlässen Häuserwände, Keramik oder Textilien. Die Künstlerin, die in Middelburg, in der Mpumalanga Provinz in Südafrika aufwuchs, lernte die Technik wie viele andere Frauen von Mutter und Großmutter.

Malerei auf Flugzeugen, Skateboards und Schaufensterpuppen

Doch ging Mahlangu, die einmal erklärte „Malen war schon immer ein Teil von mir“, weit darüber hinaus. Sehr bald befreite sie sich aus dem traditionellen Korsett, indem sie die visuelle Sprache ihrer Vorfahren in Acryl auf Leinwand variierte und zu eigenen Kompositionen machte. Gleichzeitig adelte und verbreitete sie, stets in traditioneller Ndebele-Kleidung, das Erbe ihrer Kultur. Nach Leinwänden wurden bald auch Autos, Flugzeuge, Motor- und Fahrräder oder Skateboards und Schaufensterpuppen zu ihren Bildgründen, die von ihrer popkulturellen Intuition zeugten. Dennoch blieb ihr Markt wie der von vielen Künstlerinnen ihrer Generation lange nur lokal.

„Sie verkaufte ihre Werke für ein bisschen cash von zu Hause aus “, erzählt Craig Martin, einer der beiden Direktoren der Johannesburger Melrose Gallery. Vor 20 Jahren lernte er Mahlangu kennen, seit sieben Jahren promotet und vertritt er sie weltweit mit der Galerie. Martin organisierte auch die über 100 Werke umfassende Retrospektive „Then I Knew I Was Good at Painting” der Künstlerin in Kapstadt im Iziko Museum of South Africa (bis August, danach in Johannesburg und den USA), in der auch ihr Art Car nach 30 Jahren erneut zu sehen ist. „Esther war immer und ist bis heute experimentierfreudig und offen für andere Kulturen“, schwärmt Martin. „Sie reist immer noch viel. Inzwischen ist sie eine der populärsten Botschafterinnen ihrer Heimat und Kultur.“

Sie ist auf der 60. Biennale in Venedig vertreten

International bekannt wurde Esther Nikwambi Mahlangu, die auch einen Ehrendoktortitel trägt und von ihren Verehrern „Mam Esther“ oder abwechselnd „Mutter“ oder „Tochter“ Afrikas, genannt wird, relativ spät. Damals, 1989, rekonstruierte sie, bereits 54 Jahre alt, ihr Haus für die legendäre Ausstellung „Magiciens de la Terre“ von Jean-Hubert Martin im Pariser Centre George Pompidou.

Blick in Esther Mahlangus Ausstellung „ „Then I Knew I Was Good at Painting” in Kapstadt.
Blick in Esther Mahlangus Ausstellung „ „Then I Knew I Was Good at Painting” in Kapstadt.

© BMW AG

Dank ihres ersten gestalteten BMW nahm Mahlangus Karriere 1991 an Fahrt auf. 1992 war sie auf der Documenta IX von Jan Hoet in Münster präsent; ihre Acrylgemälde und monumentalen Wandbilder zeigte sie im Lauf der Jahre in über 20 Ländern in Museen und Institutionen. Außerdem war sie zu bedeutenden Biennalen eingeladen wie nun auch zur 60. Biennale in Venedig. Projekte mit Modemarken wie Comme des Garçons, den Schuhfirmen Melissa und Eytys und immer wieder mit der BMW Gruppe belegen ihr Sendungsbewusstsein. „Sie ist längst ein Symbol für afrikanische Exzellenz und Frauenpower geworden“, erklärt Craig Martin.

Ophrah Winfrey kauft ihre Werke ebenso wie Usher

Seit rund zehn Jahren ist Esther Mahlangu auch zur Ikone von R&B-Stars wie Alicia Keys und Swiss Beatz, Will Smith, Usher oder dem südafrikanischen DJ Black Coffee und dem ebenfalls südafrikanischen Comedien und Schriftsteller Trevor Noah geworden. Mit dem amerikanischen Popstar John Legend und der Marke „Belvedere Wodka“ arbeitete sie 2016 für den Kampf gegen HIV zusammen, auch Ophrah Winfrey traf sie. „Sie sehen sie als Heldin“, sagt Martin, „sie alle sammeln ihre Werke und stabilisieren so ihren Markt“.

Das erste Art Car von 1991 neben dem jüngst von Esther Mahlangu gestalteten BMW.
Das erste Art Car von 1991 neben dem jüngst von Esther Mahlangu gestalteten BMW.

© BMW Group

Die Preise für kleine Formate beginnen aktuell bei etwa 5000 Dollar, größere Formate kosten rund 30.000 Dollar und monumentale Werke überschreiten die 100.000 Dollar-Grenze. Im Vergleich mit dem Preisniveau von Künstlern wie den südafrikanischen Stars William Kentridge, Marlene Dumas und selbst dem Photokünstler David Goldblatt wirken diese Summen moderat. Großes Potenzial für Mahlangus Markt sieht Martin derzeit auch in Europa. „Es gibt zum Beispiel einen großen Sammler in Gstaad, der gerade eine riesige Wandarbeit in Auftrag gegeben hat.“

Auch andere europäische Sammler und Museen signalisierten Interesse, sie hätten ihren Nachholbedarf erkannt. Seit rund drei Jahren spiegelt auch der Auktionsmarkt eine wachsende Nachfrage. Doch zeigt der bisher höchste, für ein Werk erzielte Preis von rund 47 000 Euro, der 2023 bei Christie’s für einen Tondo gezahlt wurde, ebenfalls: Es gibt noch Luft nach oben.

Spät, aber nicht zu spät erlebt Esther Mahlangu, die mit ihren 88 Jahren fit wirkt, eine zunehmend angemessene Würdigung auch des Markts für ihr Werk und ihr Wirken.

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