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Schloss Wiepersdorf im Landkreis Teltow Fläming war einst Wohnsitz der Schriftstellerin Bettina von Arnim.

© dpa/Bernd Settnik

Künstlerhaus Wiepersdorf: Das Licht auf dem Land

In dem hoch geschätzten Künstlerhaus Wiepersdorf haben schon viele namenhafte Stipendiaten gewohnt. Trotzdem ist seine Zukunft ungewiss.

„Es ist dieses unglaubliche Gefühl, den Alltag zu verlassen. Raus aus den bekannten Zusammenhängen." Wenn sich die Berliner Malerin Sibylle Prange an ihre Zeit im Künstlerhaus Wiepersdorf erinnert, sieht man ihr an, wie großartig diese Erfahrung für sie war. Zwei Monate – im Februar und März – konnte die 49-Jährige in der Abgeschiedenheit des renommierten Künstlerhauses im Fläming arbeiten. Sie hatte dort ihre eigenen Räume, ein Atelier, drei Mahlzeiten am Tag, eine „großartige, zugewandte Betreuung“ und den interdisziplinären Kontakt zu anderen Künstlern. In ihrem Fall hat das die Lust am Schreiben auf neue Art geweckt.

Insgesamt 21 Stipendiaten sind in diesem Jahr von einer Jury ausgewählt worden, um einige Monate im ehemaligen Musenhof der von Arnims zu verweilen. Sie sind bildende Künstler, Komponisten und Schriftsteller – und möglicherweise die Letzten, die Schloss Wiepersdorf so nutzen konnten. Denn am 31. Juli wird das Haus auf unbestimmte Zeit geschlossen. Grund sind dringende Sanierungsarbeiten: Das Dach muss gemacht werden, an einigen Stellen regnet es bereits durch. Doch die Schließung ist nicht nur für den Erhalt der Anlage nötig, sie bildet möglicherweise auch eine Zäsur in der Nutzungsgeschichte. Um sie zu verstehen, lohnt ein Blick auf die jüngere Geschichte des Wiepersdorfer Schlosses mit der schönen Orangerie.

Im Oktober 2005 erwarb die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) das Gebäude für den symbolischen Preis von einem Euro. Verkäufer: die Stiftung Kulturfonds der neuen Bundesländer, ein Nachfolger des ehemaligen Kulturfonds der DDR. Damals, vor 13 Jahren, hatte sich eine Art Dornröschenschlaf über das Schloss gesenkt, das zu DDR-Zeiten künstlerischer Zufluchtsort vor allem für Schriftsteller war. Christa Wolf, Anna Seghers und Ulrich Plenzdorf gehörten zu den Gästen und nutzten den kreativen Raum, um zu schreiben.

Die Zweckbindung endet 2019

Mit dem Verkauf ging nicht nur das Haus an die DSD über, sondern auch „die Rechte zum Betrieb des Künstlerhauses Wiepersdorf“, wie Stephan Breiding, Pressesprecher des brandenburgischen Kulturministeriums, erläutert. „Der Kaufvertrag erhält eine Zweckbindung, nach der die Käuferin das Schloss bis 2019 für kulturelle und gemeinnützige Zwecke nutzen muss.“

2019 – bis dahin wird das Schloss saniert. Und dann? Damals, im Oktober 2005, so erzählt Breiding weiter, habe es einen zweiten Vertrag gegeben. Und darin ging es ums Geld. Der Stiftung Denkmalschutz wurde vom Land Brandenburg ein Treuhandfonds in Höhe von rund 7,64 Millionen Euro übereignet, aus dessen jährlichen Zinsen sowohl der denkmalgerechte Erhalt als auch die kulturelle Nutzung finanziert werden sollte. Doch die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre machten auch der DSD einen Strich durch die Rechnung. „Wir hatte mit rund 500 000 Euro im Jahr gerechnet“, sagt Steffen Skudelny, DSD-Vorstand. „Tatsächlich mussten wir mit 200 000 Euro jährlich wirtschaften.“ Allein für den Erhalt des Ortes sei viel mehr Geld nötig gewesen.

Die Zinserträge werden vorerst nicht steigen, die Zweckbindung endet 2019 – deshalb ist das Land derzeit im Gespräch mit der Stiftung, um „zu prüfen, wie das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf fortgeführt werden kann“, sagt Pressesprecher Breiding. Modelle dafür seien durch ein vom Ministerium in Auftrag gegebenes Gutachten bereits konzipiert und errechnet worden. Ergebnis: Je nach Modell werden bis zu 723 000 Euro jährlich gebraucht. Dementsprechend sei vom Ministerium ein zusätzlicher Haushaltsbedarf angemeldet worden – über den im Herbst entschieden werde. Immerhin haben in der vergangenen Woche alle Landtagsfraktionen im Finanzausschuss die Fortführung des Betriebes von Wiepersdorf als Künstlerhaus befürwortet.

Aufruf zur Rettung des Künstlerhauses

Doch dieses Statement wird unterschiedlich bewertet. DSD-Vorstand Skudelny spricht von „ungemeiner Freude über die neue Entwicklung“. Und auch Norbert Baas, Vorsitzender des Freundeskreises von Schloss Wiepersdorf, nennt die Nachricht eine Willensbekundung, „Wiepersdorf als Künstlerhaus“ zu erhalten. Die Stipendiaten fürchten dagegen, dass Schließung und Trägerwechsel dramatische Folgen haben könnten. Es sei völlig unklar, „ob und in welchem Umfang das Haus zukünftig als Künstlerresidenz zur Verfügung stehen wird“, heißt es im Aufruf „Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf retten!“, der von allen 21 Stipendiaten dieses Jahrgangs unterzeichnet wurde. Am Montag, 25. Juni, werden sie ab 20 Uhr im Brecht-Haus in der Chausseestraße in einer Protestveranstaltung mit literarischem Rahmenprogramm ihr Engagement für „eines der wichtigsten kulturellen Zentren Deutschlands“ bündeln.

„Für uns ist es schwierig, dass hinter verschlossenen Türen konzeptionelle Überlegungen über die Zukunft des Künstlerhauses angestellt werden, ohne die Künstler oder Vertreter der entsprechenden Berufsverbände einzubeziehen“, kritisiert Sven Gatter, einer der Unterzeichner. Der Fotograf ist bis Ende Juni als Stipendiat im Schloss. Es mache ihn stolz, sich „in die lange Reihe der Wiepersdorf-Stipendiaten einreihen zu dürfen“. Malerin Ulrike Seyboth ergänzt, dass der Aufenthalt ihr ermöglichte, „an die Essenz der Dinge zu kommen“. Sie schwärmt von dem Licht auf dem Land und der wunderbaren Möglichkeit des Rückzugs. „Wir waren hier an einem geschützten, kulturdurchtränkten Ort, der unbedingt erhalten werden muss“, resümiert Sibylle Prange.

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