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Als Regisseur und Hauptdarsteller und Drehbuchautor hat Til Schweiger viel Macht. Und er ist Deutschlands populärster Filmstar.

© dpa/Stefan Sauer

Wutausbrüche, Beschimpfungen: Schweiger trank am Set Alkohol und wurde handgreiflich

Ein Kanzlei-Bericht bestätigt die Vorwürfe gegen den deutschen Filmstar Til Schweiger. Mit neuen Maßnahmen will die Produktionsfirma Constantin Machtmissbrauch künftig verhindern.

Ein Regisseur und Hauptdarsteller, der Alkohol am Set trinkt und gewalttätig wird; eine von vielen Mitwirkenden als „eher mäßig“ bis „sehr schlecht“ bezeichnete Stimmung am Set; ein Sprachjargon des Regisseurs, der als „grenzwertig, übergriffig und verletzend“ empfunden wurde; ein schwerer Unfall wegen eines maroden Dachs – und viele viele Überstunden: Das ist das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung der Vorfälle am Set von Til Schweigers Kassenschlager „Manta Manta – zwoter Teil“.

Die Produktionsfirma Constantin hatte sie bei der Anwaltskanzlei Schwarz in Auftrag gegeben, nachdem der „Spiegel“ Ende April schwere Vorwürfe gegen Deutschlands populärsten Filmstar erhoben hatte. Das Magazin berichtete unter anderem von Wutausbrüchen unter Alkoholeinfluss und dass Schweiger einem Constantin-Mitarbeiter ins Gesicht geschlagen habe, der verhindern wollte, dass Schweiger betrunken aufs Set kommt. Der Dreh wurde an diesem Tag abgebrochen.

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Die Kanzlei führte zahlreiche Interviews, mit 40 von 108 „Manta“-Teammitgliedern, neun Constantin-Mitarbeiter:innen und Schweiger selbst, wie Mathias Schwarz beim Pressegespräch im Berlin erläutert. Ergebnis: Die „Spiegel“-Recherchen treffen weitgehend zu. Der „tätliche Übergriff“ wird bestätigt, auch dass Schweiger Weißwein am Set getrunken habe.

Möchte ein gutes Arbeitsklima: Constantin-Chef Martin Moszkowicz.
Möchte ein gutes Arbeitsklima: Constantin-Chef Martin Moszkowicz.

© imago/Sven Simon/Frank Hoermann

Zur angeblichen Beschimpfung einer Mitarbeiterin – „Wenn das Bier nicht kalt genug ist, reiße ich dir den Kopf ab“ – sagte Schwarz, das Getränk habe Schweiger nicht für sich geordert, sondern für eine Szene. Auch sei der Satz von einigen als scherzhaft eingestuft worden. Schweiger selbst könne sich nicht erinnern. Der Spitzname „Imperator“ für den Regisseur habe schon lange vor dem Dreh im Sommer 2022 existiert.

Ist der Bericht tatsächlich unabhängig? Die Kanzlei Schwarz hat die Constantin öfter in Medienangelegenheiten vertreten. Ihr Papier ergibt jedenfalls ein zwiespältiges Bild. Die Mehrheit der Befragten nahm kein generelles Angstklima wahr, sexistische Übergriffe wurden nicht festgestellt, und die Stimmung fand die Mehrheit der Befragten „sehr gut“ bis „okay“. Jedenfalls nicht anders als bei anderen Produktionen.

Genau hier möchte Constanin-Chef Martin Moszkowicz ansetzen. Er bittet nochmals um Entschuldigung, gesteht Fehlverhalten und Versäumnisse ein. Zum Beispiel das Fachkräftemangel-bedingte Fehlen einer veritablen Produktionsleitung bei „Manta Manta – zwoter Teil“, die hätte einschreiten können, als Schweiger während des Drehs 75 zusätzlich zu realisierende Script-Seiten verfasste. Aber Moszkowicz möchte das Gespräch lieber weg von Schweiger und „Manta“ hin auf den Maßnahmenkatalog lenken, mit dem die größte deutsche Kinofilm-Produktionsfirma Machtmissbrauch am Set künftig verhindern will.

Fragen nach Schadenersatzforderungen gegenüber Schweiger („vorerst nicht“) und einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Star („im Moment kein gemeinsames Projekt“) beantwortet er deshalb zwar freundlich, aber knapp. Ausführlich berichten er und Viola Jäger, eine von drei „Manta“-Produzentinnen, von den neuen Maßnahmen bezüglich Arbeitsklima, -sicherheit und -zeit.

Er stamme aus einer Künstlerfamilie und sei mit einer Künstlerin verheiratet, so Moszkowicz, Ehemann der Filmemacherin Doris Dörrie. Sein Leben lang wollte er ein respektvolles Umfeld für Kreative schaffen. Wenn nur eine Person mit dem Arbeitsklima nicht zufrieden sei, sei das eine Person zu viel. Was also tun, wenn Alkoholkonsum am Set schon vertraglich ein „No Go“ ist, Compliance-Regeln schon länger gelten (bislang für die Festangestellten der Firma, weniger für die Freischaffenden bei Produktionen), es aber trotzdem zu grobem Fehlverhalten kam?

Neuerdings gibt es bei Constantin-Drehs eine externe Vertrauensperson vor Ort, die jederzeit ansprechbar ist. Führungskräfte und Teamleitungen erhalten „Conduct-Coachings“, vor jeder Produktion. Die Teams wählen einen „Captain“ als internen Ansprechpartner, zur Verbesserung der Kommunikation – wobei es da anders als bei den anderen Maßnahmen laut Viola Jäger noch hakt, da etliche vor der Verantwortung zurückschrecken. Ebenfalls neu: Über Feedback-Boxen können mit dem Handy per QR-Code anonym Beschwerden eingereicht und nach Drehschluss Bewertungen durchgeführt werden.

Ein hoher Zeit-, Geld- und Kreativitätsdruck bleibt trotzdem

Es geht um Niedrigschwelligkeit; Mitarbeitende sollen sich trauen, sich zu melden, wenn sie sich schlecht behandelt fühlen. Und auch wenn der Bericht keine Missachtung der Sicherheitsstandards als Unfallursache beim „Manta“-Dreh feststellt, soll bei der Sicherheit mehr evaluiert werden. Und die Arbeitszeit? Überstunden sind unvermeidlich, aber weiterhin nur einvernehmlich möglich und werden selbstverständlich vergütet. Voraussetzung dafür ist eine „Null-Toleranz-Linie“ bei der Dokumentation: Jede Arbeitsstunde muss korrekt erfasst werden.

Herrschen bald paradiesische Verhältnisse an Constantin-Sets, vorbildhaft für andere Produktionen? Nein, nicht alle Probleme können die Maßnahmen lösen, die mit einem dreiköpfigen Beraterteam erarbeitet wurden, der Münchner HFF-Präsidentin Bettina Reitz, der Schauspielerin und Filmakademie-Präsidentin Alexandra Maria Lara und dem ehemaligen Chef der bayerischen Filmförderung, Klaus Schaefer.

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Millionen Kinozuschauer hatte „Manta Manta – zwoter Teil“, trotz des Skandals.

Denn erstens ist der hohe Zeit-, Geld- und Kreativitätsdruck bei Filmproduktionen deshalb nicht über Nacht verschwunden, es gilt weiterhin, die Balance zwischen künstlerischer Freiheit und verbindlichem Reglement zu finden.

Die Constantin, erklärt ihr Chef, lässt sich die Verbesserung des Arbeitsklimas auch deshalb etwas kosten, weil die Firma weniger volumen-, als „hitgetrieben“ ist. „Qualitativ und kommerziell bestmögliche Filme entstehen nur mit zufriedenen Crews.“ Zweitens können Sanktionen wie etwa eine Trennung von Führungskräften nach gravierendem Fehlverhalten zum Filmabbruch führen. Mit immensen finanziellen Folgen für freischaffende Cast- und Crew-Mitglieder sowie für zuarbeitende Dienstleister. Eine Havarie-Regelung müsste her, die Sender, Filmförderer und Produktionsfirmen gleichermaßen an den Ausfällen beteiligt, findet auch die Produzentenallianz.

„Manta Manta - zwoter Teil“ ist einer der größten deutschen Kinohits 2023, mit 1,24 Millionen Besuchern. Im Dezember startet der nächste, schon vor „Manta“ abgedrehte Schweiger-Film, Titel: „Das Beste kommt noch!“. Auch diese Produktion verantwortet Viola Jäger mit, laut Kanzlei-Bericht gab es dort „keine alkoholbedingten Vorfälle“. Und auch die Freundschaftskomödie hat das Zeug zum Kassenschlager. Es ist wie bei Rammstein. Das Publikum bleibt seinen Idolen treu, auch wenn diese ihre Macht mutmaßlich oder nachweislich missbraucht haben.

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