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Warum wählen US-Amerikaner Donald Trump? Unsere Podcasts erklären es.

© REUTERS/BRENDAN MCDERMID

Die Mentalität der USA verstehen lernen: Zehn Hör- und Leseempfehlungen zur Präsidentschaftswahl

Der amerikanische Journalismus lebt – allen Attacken und Aushöhlungsversuchen zum Trotz. Wir empfehlen Podcasts und Websites, die Aufschluss über eine zerrissene Nation geben.

Stand:

Auch die Berichterstattung deutschen Medien über die USA kann sich sehen lassen. Aber warum sich nicht aus erster Hand informieren. Wir stellen zehn wichtige und zum Teil überaus unterhaltsame Informationsquellen vor, aus denen man immer etwas Lohnendes erfährt.

1. The Ezra Klein Show

Nehmen wir das Thema Künstliche Intelligenz. Ezra Klein fordert aufgrund eigener Erfahrungen die einschlägigen Gelehrten und CEOs in ihrer eigenen Expertise heraus und bleibt doch stets allgemeinverständlich. Nehmen wir das Thema Gaza. Er war nicht nur selbst gerade in Israel und im Westjordanland, er verwickelt Nahostreporter wie David Remnick oder den Aktivisten Ta-Nehisi Coates mit klugen Fragen (und Nachfragen) in dichte Gespräche, auf die andere ganze Bücher verschwenden. Nehmen wir das Thema US-Wahlen. Er hatte Tim Walz interviewt, noch bevor ihn Kamala Harris zu ihrem Vize erkor. 

Die Ezra-Klein-Show ist einer der erstaunlichsten Podcasts der USA.

© Ezra Klein Show

Der amerikanische Jude Klein, im linksliberalen Spektrum eine durch und durch undogmatische, sich selbst gegenüber skeptische Stimme, ist einer der erstaunlichsten Podcaster der USA: ruhig im Ton und pfeilschnell im Denken, umfassend interessiert und gebildet. Die „New York Times“, die ihn im Meinungsressort beschäftigt, weiß genau, was sie zweimal pro Woche an der Ezra Klein Show hat.

Nicht ohne Grund steht das gesamte Archiv – mit Ausnahme der beiden jüngsten Folgen – seit Kurzem hinter einer Paywall. Ein Buch zur Stunde hat der 40-Jährige übrigens schon im Jahr 2020 geschrieben. Es heißt „Der tiefe Graben – Die Geschichte der gespaltenen Staaten von Amerika“ und ist bei Hoffmann und Campe auf Deutsch erschienen. (dotz)

2. Bari Weiss: Honestly

Bari Weiss teilt einiges mit Ezra Klein. Sie ist wie er im Jahr 1984 geboren. Sie ist eine amerikanische Jüdin. Sie stellt ungewöhnlich kluge Fragen zu Themen aus allen politischen, kulturellen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen. Sie hat das Talent, konträre Geister an einen Tisch zu bringen. So waren in ihrem Podcast „Honestly“ gerade der Neurowissenschaftler Sam Harris und der Anwalt Ben Shapiro zu Gast, um mit vorbildlicher Schärfe über das Für und Wider von Kamala Harris und Donald Trump zu streiten. Und doch ist sie in vieler Hinsicht die weibliche Gegenfigur zu Ezra Klein. 

Bari Weiss stellt im Podcast Honestly ungewöhnlich kluge Fragen.

© Bari Weiss: Honestly

Das fängt schon mit beider Verhältnis zur „New York Times“ zu tun. Während sie das Blatt 2020 wutenbrannt verließ, weil sie sich mit ihren Sticheleien gegen die politisch überkorrekte Linke zusehends isoliert und diskriminiert fühlte, begann sein Siegeszug im Jahr darauf. Sie gründete daraufhin ihr eigenes Medienunternehmen „The Free Press“. Sie verhält sich durchweg israelfreundlich, ihm ist das, was heute als zionistisch gilt, eher unheimlich. Auch sie hat ein Buch geschrieben, das auf Deutsch 2022 in der Edition Tiamat erschienen ist: „Wie man Antisemitismus bekämpft – Eine Streitschrift gegen Geschichtsvergessenheit, Selbstgenügsamkeit und Konfliktscheu“. (dotz)

3. Joe Rogan Show

Es ist unmöglich, diesen Typ auch nur annähernd irgendwo zu verorten. Wahrscheinlich liegt darin sein Erfolg begründet. Joe Rogan gehört zu den einflussreichsten Podcastern in den USA. Er unterstützt gay rights ebenso wie die Waffenlobby, plädiert für einen allgemeinen Zugang zum Gesundheitssystem, hat aber auch seltsame Dinge über Corona-Impfungen gesagt, wie er überhaupt die radikale Kontroverse zu genießen scheint.

Der Podcast „The Joe Rogan Experience“ ist tatsächlich eine Erfahrung.

© The Joe Rogan Experience

„The Joe Rogan Experience“ ist tatsächlich eine Erfahrung – ein Kulturschock, was der US-amerikanische Mainstream so alles hergibt und zulässt. Rogan, geboren 1967 in Newark, hat eine Karriere als Stand-Up-Comedian und Serienschauspieler hinter sich, er kommentiert außerdem Kampfsport-Events. Sein Podcast mit über siebzehn Millionen Abonnenten ist im Wahlkampf eine Waffe: Vor einer Woche saß Donald Trump drei Stunden bei Rogan und plauderte über Donald und die Welt, gut gelaunt, locker, kaum gefordert von seinem Host.

Nur als Rogan nach Beweisen für die ewige Behauptung der von Joe Biden „gestohlenen Wahl“ fragte, eierte Trump herum. Drei Stunden Gelaber, wobei Trump es wieder geschafft hat, als cooler alter Sack aufzutreten, mit sympathischen Macken. Echte Männer unter sich. So kam Trump rüber, wenn man nicht wüsste, wer er wirklich ist und was der Welt droht, wenn er gewinnt. (R.S.)

4. Call Her Daddy

Die Geschichte beginnt im Jahr 2018, als zwei junge Frauen einen Podcast über Sex-Themen entwickeln. In wenigen Monaten erreichen Alexandra Cooper und Sofia Franklyn zwei Millionen Downloads. Cooper tritt inzwischen allein auf und spricht vor allem Frauen an. Die 30-Jährige gilt als erfolgreichste Frau im Podcast-Geschäft. Sie unterhält sich mit ihren Gästen über Beziehungsprobleme, das Älterwerden oder ausgefeilte Blow-Job-Technik.

Sex kann man lernen wie Autofahren oder Kochen, Freundinnen bringen es sich gegenseitig bei, um besser mit den Jungs klarzukommen. Keine Tabus, keine Geheimnisse und immer gern ein anzüglicher Witz, den sich Männer heute eher verkneifen – Cooper leitet gut gelaunt an zu praktischem Self Empowerment.

Der Podast „Call Her Daddy“ kennt keine Tabus.

© Call Her Daddy

Mit Jane Fonda sprach sie über Essstörungen, ein hochbrisantes Thema. Kamala Harris tat sich anfangs etwas schwer, als sie kürzlich bei „Call Her Daddy“ zu Gast war. Das Thema Abtreibung kann die US-Wahl entscheidend beeinflussen, in den Südstaaten herrschen da wieder mittelalterliche Verhältnisse. Harris blieb ernst und sagte ihre Meinung über den Macho und Heuchler Donald Trump.

Reproduktionsmedizin gehört zu den Bereichen, in denen die radikalisierten Republikaner die Rechte von Frauen mit Füßen treten. „Call Her Daddy“ räumte dieser hochpolitischen Debatte breiten Raum ein. Wenn es noch eines aktuellen Nachweises bedarf: Das Private war nie so politisch. (R.S.)

5. Real Time with Bill Maher

Kontrovers, frei und fair: Das geht. Seit mehr als 20 Jahren läuft auf dem Bezahlsender HBO die Polittalkshow „Real Time with Bill Maher“ (nachzusehen auf Youtube). Der Moderator ist 68 Jahre alt, sitzt im Vorstand der Tierschutzorganisation Peta und bezeichnet sich selbst als Apatheisten, weil er Religionen verurteilt, die er ursächlich für Kriege und Fundamentalismus verantwortlich macht. Geboren als Sohn einer jüdischen Mutter und eines katholischen Vaters testet Maher die Grenzen des Sagbaren immer wieder aus.

Als Gäste lädt er den niederländischen Islamophoben Geert Wilders ebenso ein wie den antizionistischen ultraorthodoxen Yisroel Dovid Weiss, der Aufsehen erregte, weil er im Dezember 2006 an der sogenannten Holocaust-Konferenz des iranischen Regimes in Teheran teilgenommen hatte. Maher hat keine Skrupel, kein Thema ist ihm zu heiß. In seinen eigenen Kommentaren über die US-Politik ist er sarkastisch, ironisch, spöttisch und polemisch.

Kein Thema ist Bill Maher in der Talkshow „Real Time“ zu heiß.

© Bill Maher: Real Time

Gegenüber seinen Gästen ist er fair und gerecht. Er lässt sie ausreden, um sie im nächsten Moment argumentativ gekonnt in die Enge zu treiben. Maher hat die Präsidentschaftskampagne von Barack Obama mit einer Million Dollar unterstützt und 2018 die Demokraten im Senatswahlkampf. Als einer der ersten sagte er 2018 voraus, dass der damalige Präsident Donald Trump im Fall einer Wahlniederlage das Weiße Haus nicht freiwillig verlassen werde. Die Ereignisse im Januar 2021 rund um den Sturm auf das Kapitol bestätigten ihn. (mal)

6. RealClearPolitics

Die Webseite realclearpolitics.com ist das Tor in die amerikanische Zeitungswelt und längst kein Geheimtipp mehr. Im Jahr 2000 wurde sie von einem Börsenspekulanten und einem Versicherungsagenten gegründet. Sie wird mehrmals täglich aktualisiert und will – „ideologisch divers“, wie es heißt – den Nutzern kurz und knapp die wichtigsten Artikel, Reportagen und Kommentare präsentieren. In Wahljahren wird sie besonders stark frequentiert. Häufig zitiert wird der Durchschnittswert aller Umfragen, den die Seite ermittelt.

Die Webseite Realclearpolitics.com wird in Wahljahren besonders stark frequentiert.

© Realclearpolitics.com

Was als Projekt von zwei Männern begann, die täglich um 4 Uhr morgens aufstanden, ist inzwischen ein Unternehmen mit mehr als zwei Dutzend Mitarbeitern. Ein Ende des Expansionskurses ist nicht abzusehen. Im Jahr 2013 wurde RealClearDefense gegründet mit Informationen über Spionage, Militär, Verteidigung. Drei Jahre später ging RealClearInvestigations an den Start.

Allerdings wurde den Betreibern vorgeworfen, in der Präsidentschaftszeit von Donald Trump konservativer geworden zu sein. Außerdem wird der Wahrheitsgehalt der verlinkten Artikel nicht überprüft. Wer das weiß und bei der Nutzung der Seite berücksichtigt, wird sie dennoch als hilfreich empfinden. (mal)

7. Pod Save America

Klar, es sind alles ehemalige Mitarbeiter von Barack Obama. Die politische Grundausrichtung ist also klar. Das schmälert aber nicht die Erkenntnisgewinne, die Jon Favreau, Jon Lovett, Dan Pfeiffer und Tommy Vietor auch sieben Jahre nach ihrem Start immer noch bereiten. Was wir US-Politik-Fans wollen, sind Einblicke in die Denkstrukturen der Parteien. Auch als Korrespondentin kommt man selten direkt an Politiker wie Nancy Pelosi, die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses und damit einflussreichste Demokratin im US-Kongress, ran.

Was die 84-Jährige, die sich am 6. Januar 2021 vor Trump-Anhängern im Kapitol verstecken musste und deren Ehemann zu Hause mit einem Hammer attackiert wurde, über Trumps Geraune von „den Feinden aus dem Innern“ hält und was sie nachts wachhält, geht unter die Haut.

Der Podcast Pod Save America gibt Einblicke in die Denkstrukturen der Parteien.

© Pod Save America

Kann man das auch im TV hören? Klar. Aber die Intimität und Ausführlichkeit solcher Podcast-Gespräche hat eine ganz eigene Qualität. Spannend wird es indes vor allem dann, wenn die vier Podcaster gegenüber ihrer eigenen Partei unbequem werden, etwa nach der TV-Debatte zwischen Joe Biden und Trump. Ihre 892. Folge „A Brutally Honest Debate Recap” gilt als Wendepunkt für das, was Demokraten über Bidens Chancen im Rennen 2024 zu sagen bereit waren. Der Rest ist Geschichte. (js)

8. Substack

Schon mal von Substack gehört? In den USA wächst diese 2017 gegründete Plattform gerade kräftig. Hier veröffentlichen Journalisten und Autoren Newsletter und hoffen darauf, dass ihre Leser zu zahlenden Abonnenten werden. Das klappt mal mehr, mal weniger gut. Wer den Newsletter-Ton schätzt, der häufig auch persönlich ausfällt, für den kann Substack eine wahre Goldgrube sein.

Da ist zum Beispiel Simon Rosenberg ein demokratischer Stratege, der den Newsletter „Hopium Chronicles” verfasst. Er sagte als einer der wenigen den Ausgang der Zwischenwahlen 2022 vorher – und wurde dafür zunächst heftig kritisiert. Dem Tagesspiegel sagte er: „Ich habe damals argumentiert, dass die Wahl im Jahr 2022 knapp und umkämpft sein wird und nicht das, was wir eine rote Welle nennen”, einen großen Sieg der Republikaner.

Die Plattform Substack veröffentlicht Newsletter von Journalisten und Autoren.

© Substack

Dafür sei er von Umfrage-Gurus wie Nate Silver und Amy Walter verspottet worden. „Diese klugen Leute sagten, ich würde Hopium rauchen: Hoffnung mit Opium.” Wer bei all den Umfragen mal etwas gegen den Strich lesen will, ist hier gut aufgehoben.

Genauso kann man auf Substack auch Autoren lesen, die über Parteigrenzen hinaus argumentieren – eine selten gewordene Spezies. Vor wenigen Tagen schrieb etwa Ruy Teixeira, Senior Fellow am konservativen American Enterprise Institute und Ex-Stabschef von Bill Clinton, darüber, warum seiner Meinung nach die Progressiven in der Demokratischen Partei an Einfluss verlieren. Kann man sich an dem Artikel reiben? Ganz sicher. Aber genau das fehlt zu oft: eine offene Debatte über Fehler, die gemacht wurden, auch wenn die Absichten gut waren. (js)

9. vox.com

Es fällt oft schwer, sich objektiv über die Polarisierten Staaten von Amerika zu informieren. Die liberalen und konservativen Medienblasen haben sich verfestigt: CNN gegen Fox News, „New York Times“ gegen „New York Post“, X gegen alle. Glücklicherweise gibt es die 2014 von ehemaligen „Washington Post“-Redakteuren gegründete Nachrichten-Website Vox.com.

Die US-Kolleginnen und -Kollegen sind für ihren erklärenden Journalismus bekannt, bei dem aktuelle Themen detailliert, mit zahlreichen Grafiken und in verständlicher Sprache aufbereitet werden. Ob Website, Newsletter oder Podcast: Vox.com bietet ein breites Produktportfolio für Jung und Alt, für Liberale und Konservative. 

Die Webseite Vox.com bietet erklärenden Journalismus.

© Vox

Ein besonderes Markenzeichen sind die „Atlas“-Erklärungsvideos, die auch schwierige Themen, zum Beispiel den Nahost-Konflikt oder die Klimakrise, einfach und trotzdem tiefgründig erklären. Wer sich besonders detailliert mit einem Thema beschäftigen möchte, wird bei den „Explainers“, den Erklärstücken, fündig.

Die dortige Beschreibung steht letztlich für die gesamte Vox-Mission: „Wir leben in einer Welt mit zu vielen Informationen und zu wenig Kontext. Zu viel Lärm und zu wenig Einblick.“ Genau dort komme Vox.com ins Spiel. Gefühlt wird unsere Welt jeden Tag komplizierter, diese Website hilft dabei, den Überblick zu behalten.  (jal)

10 Saturday Night Live

„Live from New York, it’s Saturday Night!“ Wer sich für die USA interessiert, kommt an diesem Satz nicht vorbei. Er läutet nach einem „Cold Open“-Sketch erst den Vorspann und dann die neue Folge der Comedy-Show „Saturday Night Live“ ein. „SNL“, so die Abkürzung, wird seit 1975 auf dem TV-Sender NBC ausgestrahlt und ist bekannt für einen Mix aus Live-Sketchen, Parodien und Musikauftritten.

Eddie Murphy, Bill Murray, Will Ferrell, Tina Fey oder Amy Poehler: Die Sendung hat Generationen von Comedians und Schauspielern geprägt. Der Humor von „SNL“ mag sich im Laufe der Jahrzehnte verändert haben, die Sendung bleibt jedoch ein wichtiger Bestandteil der US-Popkultur.

Die Comedy-Show „Saturday Night Live“ verändert mitunter die Wahrnehmung von Politikerinnen und Politikern.

© SNL

Besonders in Wahljahren sorgt „Saturday Night Liveoft für Diskussionen, da die einzelnen Sendungen politische Ereignisse aufgreifen und manchmal sogar die öffentliche Wahrnehmung von Politikerinnen und Politikern verändern. Bestes Beispiel dafür: Von 2016 bis 2020 parodierte Schauspieler Alec Baldwin den damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.

Die Auftritte brachten Baldwin weltweit Aufmerksamkeit ein, schnell entwickelte er sich zum Feindbild für Trump. Dieser kommentierte die Darstellungen häufig auf Twitter (heute X), was die Show noch berühmter machte. Egal, wie die Wahl ausgeht: „SNL“ wird es auch in den kommenden Jahren nicht an Material fehlen. (jal)

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