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Auf Farewell Yellow Brick Road Tour. Elton John, 76, hier bei seinem Konzert in München.

© dpa/Sven Hoppe

Elton John in Berlin: Mehr Drive als Sentiment

Seit fünfzig Jahren im Geschäft und längst Teil der Musikgeschichte. Nun verabschiedet sich der britische Popstar von der Livebühne und gibt drei Konzerte in Berlin.

Täuscht das, oder sieht Elton John in der zweiten Konzerthälfte jünger aus als zu Beginn? Die Gesichtszüge auf dem Großbildschirm wirken straffer, er lächelt entspannter. Wasser und Liebe, das muss das Elixier sein, von dem das 76 Jahre alte Bühnentier aus Großbritannien lebt. Wobei das Wasser, dass er nach jedem Song als Teil einer kleinen Verbeugungszeremonie trinkt, erst seit seinem Entzug 1990 den Alkohol ersetzt hat. Da hat sich die Liebe des Publikums zum Popstar, die sich am Montagabend in der Arena am Ostbahnhof gleich beim ersten Anblick Elton Johns in Jubelstürmen und stehenden Ovationen entlädt, dann doch als wirksamere Droge erwiesen.

Es ist das erste von drei Berliner Konzerten und die 300. Show der „Farewell Yellow Brick Road“-Tour, mit der sich der Popstar von seinem Publikum verabschiedet. Ein im September 2018 gestartetes und coronabedingt unterbrochenes Unternehmen, das seit Ende Januar 2023 als erfolgreichste Tournee aller Zeiten gilt. Weil Elton Johns Einnahmen da schon bei mehr als 800 Millionen Dollar lagen, einem Wert, den bislang noch kein Act überschreiten konnte, wie das „Billboard-Magazine“ weiß.

Star und Band. Drei Mitglieder von Elton Johns Band sind schon seit Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre dabei.

© dpa/Sven Hoppe

So ein abschließender Superlativ passt zur schillernden Karriere von Elton John, die er auch in Berlin stolz und dankbar in 24 Songs Revue passieren lässt. Nicht ohne sich eingangs mit den Worten „I apologise for the delay“ artig bei den Leuten zu entschuldigen, die ihre Karten teils jahrelang aufheben mussten.

Blues, Rock, Boogie Woogie

Umso größer ist deren Begeisterung darüber, einem Musiker, der seit fünfzig Jahren Teil der Popgeschichte ist, bei der Arbeit zuzusehen. Und die gehen Elton John und seine gut aufgelegte und grundentspannte Altherrenband mit den scharfen Akkordblöcken des Openers „Bennie And The Jets“ wahrhaft ohrenklirrend an. Der Song ist von 1973 und stammt von eben jenem legendären Album, das der Tour den Namen gibt.

Dass Elton John in erster Linie ein Mann des Rock‘ n‘ Roll, Boogie Woogie und Blues ist und erst in zweiter einer der großen Popklavierballade gibt dem Abend mehr Drive als Sentiment. So, als wollten Elton John und seine Bandkollegen, die im Fall von Schlagzeuger Nigel Olsson, Bandleader und Gitarrist Davey Johnstone und Percussionist Ray Cooper seit Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger dabei sind, sich noch mal ihrer musikalischen Wurzeln vergewissern. Die beschlipsten grauhaarigen Herren in smarten schwarzen Einreihern sind auch optisch eine grandiose Truppe, die Elton Johns Glitzerfracks und Glitzerbrille kontrastieren.

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Mit „I Guess That’s Why They Call It the Blues“ und „Tiny Dancer“ und etwas weniger bekannten Titeln, die Elton John sparsamst moderierend aneinanderreiht, geht es zu „Rocket Man“, dem ersten Höhepunkt des Abends, der statt einer Bühnenshow permanent Artwork, Filme, Fotografien und natürlich Fundstücke aus dem Fotoalbum des Meisters über den Großbildschirm flimmern lässt, dessen Rahmen sich rechts und links der Band bis auf die Bühne zieht. Auch Szenen aus dem Kinofilm „Rocketman“ sind zu sehen, der 2019 die Höhenflüge und Abstürze des homosexuellen Popstars nachzeichnete.

Stimme hat er nach wie vor

Verglichen mit der Bühnenpower und dem Kostümirrwitz des jungen Elton John, der hier zu sehen ist, ist der alte saturierter und routinierter, keine Frage, zudem hüftoperiert. Doch live singen kann er nach wie vor. Wenn auch keine langen Melodiebögen mehr, was „Sad Songs“ und „Sorry Seems To Be the Hardest Word“ einen bellenden Duktus gibt. Aber „Candle in the Wind“ und „Don’t Let the Sun Go Down on Me“ lassen sich trotz des über weite Strecken grellen, breiigen Sounds hören. Und Elton Johns Klavierspiel, das eine Kamera immer wieder als Close-Up auf den Bildschirm bringt, sowieso.

Zwischen den Songs tapert Elton John kurz an den Bühnenrand, dirigiert die Menschen und gestikuliert mit den Armen. Schaut mal, ich kann’s noch, scheint er zu sagen und wirkt darüber fast selbst erstaunt. Nach einem tosendem Finale aus „I’m Still Standing“ und „Crocodile Rock“ samt Konfettiregen, wird Elton John dann doch noch persönlich. Beim Zugabenblock, der einen Hit-Kreisschluss von gestern und heute markiert. Mit „Cold Heart“ in der Dua Lipa-Remixversion und „Your Song“, Elton Johns erstem Nummer-eins-Hit von 1970, der die Herzen in der Halle sichtlich überfließen lässt.

Die 300. Show sei ein sehr besonderer Abend, sagt Elton John, und er sehe vorne im Publikum Leute, die sich 36 davon angesehen haben. In Berlin sei er zum ersten Mal 1973 in der Deutschlandhalle aufgetreten, geht die Dankbarkeitsadresse weiter. „All over the years, you offered me nothing but kindness and loyalty“, spricht der Sir, bevor er als sein eigener Rausschmeißer „Goodbye Yellow Brick Road“ anstimmt. So treten Popstars von der Bühne ab.

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