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Palästina-Fahnen beim Glastonbury Festival.

© IMAGO/Avalon.red/IMAGO/Julie Edwards / Avalon

Gaza-Solidarität bei Festivals: Die Free-Palestine-Rufe von der Bühne verkommen zur Folklore

Palästina-Flaggen und „Free Palestine“-Rufe sind in diesem Sommer fester Bestandteil von Rock- und Popfestivals. Nur hat die oft selbstgerechte Inszenierung von Bands und Fans immer weniger mit Gaza zu tun.

Nadine Lange
Ein Kommentar von Nadine Lange

Stand:

Der nigerianische Musiker Seun Kuti hatte kürzlich auf einem Festival in Zagreb einen „Rat an die jungen Menschen in Europa“. Während ihm der Gitarrist und der Schlagzeuger seiner Band Egypt 80 ein freundliches Soundbett bereiteten, sagte der Saxofonist, Sänger und Sohn des Afrobeat-Pioniers Fela Kuti: „Ich weiß, ihr wollt Palästina befreien, ihr wollt den Kongo befreien, ihr wollt den Sudan befreien, ihr wollt den Iran befreien. Jede Woche etwas Neues. Aber befreit Europa.“

Es gelte den Kontinent vom Rechtsextremismus, Faschismus, Rassismus und Imperialismus zu befreien, fuhr er fort. Sobald dieser Job erledigt sei, wären auch Gaza, der Kongo und der Sudan frei.

Vielleicht hat diese Ansage dem einen oder der anderen im Publikum oder auf Social Media zu denken gegeben. Einer Stimme aus dem sogenannten globalen Süden, aus einem einst kolonialisierten Land ist zuzutrauen, dass sie junge Musikfans dazu bringt, ihre derzeit auf Festivals performte Palästina-Solidarität infrage zu stellen.

Denn das ist es inzwischen geworden: eine habituelle Selbstinszenierung, bei der die Palästina-Flagge zum Fan-Accessoire und die Free-Palestine-Rufe von der Bühne zur Folklore verkommen.

Auch wenn dahinter aufrichtiges Mitleid mit den Menschen in Gaza stehen mag – bei einer Pop-Show wird daraus eben Pop, Entertainment, Performance. Es ist das ewige Dilemma jeder Party und jedes Festivals, während woanders auf der Welt Krieg und Leid herrschen.

Das schlechte Gewissen ist angesichts so vieler Krisenherde überwältigend, niemand möchte verständlicherweise gleichgültig erscheinen. Doch es ist eine Überforderung und Überfrachtung von Festivals, wenn versucht wird, all das dort adäquat zu adressieren. Dass die Ukraine, die weiterhin von Russland terrorisiert wird, schon lange von der Soli-Agenda verschwunden ist, spricht dabei Bände.

Musiker*innen haben selbstredend dennoch Möglichkeiten, ihre Reichweite auf Festivals zu nutzen. So können sie auf Organisationen hinweisen, an die ihre Fans spenden können oder ihnen raten, Druck auf ihre politischen Vertreter*innen auszuüben. Oder die Dinge zu tun, zu denen Seun Kuti aufruft. Das sieht auf Instagram natürlich nicht ganz so schick aus.

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