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Der Slogan „Jin, Jiyan, Azadi“ ist ein zentraler Aspekt in der Ausstellung „Eyes on Iran“.

© Büşra Delikaya

Gesichter der Revolution: Die Ausstellung „Eyes on Iran“ macht das Unterdrückte sichtbar

Das islamistische Regime im Iran will Frauen in Gefängnissen unsichtbar machen. Eine Ausstellung in Berlin setzt sich zur Wehr – mit Pinsel und Kaffeefiltern.

In der lichtdurchfluteten Galerie Wentrup in Charlottenburg haben sich um die dreißig Leute versammelt. Von den hohe Decken schallen die Lacher der Gäste zurück. Die Ausstellung „Eyes on Iran“ von drei iranischen Künstlerinnen und kuratiert von Galeristin Tina Wentrup, wirft einen Blick auf die Gesichter der Revolution, die unter den Repressionen des Mullah-Regimes zu einer namenlosen Masse zu verschmelzen drohen.

Die Künstlerinnen Ghazal Abdollahi, Farzane Vaziritabar und Golnar Tabibzadeh lenken die Perspektive weg von der nachrichtlichen Verfremdung menschlicher Schicksale hin zum Bild: sie machen die Frauen im Iran auf Steinpapier, Kaffeefiltern und schwarzen Leinwänden sichtbar.

Dem Menschen zugewandt sein

„Es ist wie ein Innehalten, wir werden ja von Nachrichten in den Medien zu dem Thema überflutet. Ich finde, Porträts sind ein guter Zugang zu den Menschen im Iran“, sagt Tina Wentrup. Die Künstlerin Golnar Tabibzadeh zeichnet Porträts, um anderen zu ermöglichen, sich auf persönliche Art mit den Frauen im Iran zu beschäftigen – und weniger mit dem großen Ganzen.

„Ich versuche die Realität durch die Geschichten der Menschen einzufangen“, sagt Tabibzadeh. Ihre Porträts sind auf Steinpapier gezeichnet, die Pinselstriche überlagern sich, so entsteht ein Gefühl von Undurchdringbarkeit.

Hinter den gezeichneten Porträts verbergen sich reale Ereignisse im Iran, die von Betrachter:innen in den Gesichtszügen der Porträtierten aufgespürt werden sollen. Künstler, meint Tabibzadeh, böten eine „Abkürzung der Realität“.

Die Porträts von Golnar Tabibzadeh laufen unter dem Namen der Kunstserie „Shroud“ und thematisieren große Themen wie Weiblichkeit und Traumata auf visueller Ebene.
Die Porträts von Golnar Tabibzadeh laufen unter dem Namen der Kunstserie „Shroud“ und thematisieren große Themen wie Weiblichkeit und Traumata auf visueller Ebene.

© Büşra Delikaya

Die Realität spielt sich auf den Straßen im Iran und der dortigen kurdischen Region ab und das nicht nur seit Jina Amini im September 2022 in Teheran von der iranischen Sittenpolizei so heftig geschlagen wurde, dass sie an den Folgen starb. Die Auflehnung gegen die Unterdrückung der islamistischen Republik war immer da, die Frauen spielten dabei nie eine passive Rolle.

Das drückt auch die Kunst von Ghazal Abdollahi aus. Benutzte Kaffeefilter wollte sie nicht einfach wegschmeißen, also skizzierte sie darauf Frauen, die in iranischer Haft sitzen. Die Fotos hatte ihr ihre Mutter zugeschickt, die ebenfalls im Gefängnis ist.

Ghazal Abdollahi skizziert inhaftierte iranische Frauen auf Kaffeefiltern.
Ghazal Abdollahi skizziert inhaftierte iranische Frauen auf Kaffeefiltern.

© Büşra Delikaya

Gesichter eine Revolution

Die Filter sind mit Stecknadeln an der Wand befestigt, die skizzierten Frauen blicken den Betrachter:innen müde, ernst und traurig entgegen. Frauen mit hängendem Mundwinkel. Frauen mit roten Lippen. Frauen mit langen schwarzen Haaren. Frauen, aus deren persönlichen Überlebenskämpfen eine kollektive Bewegung erwachsen ist.

Dann verstummen plötzlich die Gespräche. Künstlerin Farzane Vaziritabar tritt mit einem Pinsel an drei hängende Leinwände heran. Sie malt live, begleitet von Stille und Neugier.

Farzane Vaziritabar malt das persisch Wort für „Frau“ auf eine Leinwand: Zen. Die Performance war Teil der Ausstellungseröffnung.
Farzane Vaziritabar malt das persisch Wort für „Frau“ auf eine Leinwand: Zen. Die Performance war Teil der Ausstellungseröffnung.

© Büşra Delikaya

Dann tritt sie zurück, blickt auf das Wort in weißer Farbe und persischer Schriftsprache: „Zen“ steht dort, „Frau“. An einer anderen Wand der Galerie sind weitere schwarze Leinwände aufgehängt, darauf wird das kurdische Pendant geschrieben: „Jin“. Am Ende ergibt sich auf den drei Leinwänden ein Ausruf, der als politischer Slogan seit der Ermordung von Jina Amini in aller Munde ist: „Jin, Jiyan, Azadî“ auf Kurdisch. „Zen, Zendegi, Azadi“ in Farsi. Übersetzt: „Frau, Leben, Freiheit“.

Die Worte, weiß auf schwarz, bilden auch farbliche eine Metapher: für Hoffnung in der Dunkelheit des Regimes. Anschließend werden Zettel an die Besucher:innen im Raum verteilt: „Bitte nehmen Sie den Pinsel, schreiben Sie den Spruch ‚Frau, Leben, Freiheit‘ auf Persisch/Kurdisch und geben Sie den Pinsel an andere weiter“. Die ersten greifen zu. Eine kollektive Handlung, wie die Proteste im Iran.

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