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Der Strand von Buenos Aires mit - mit Foto von Jeanine Meerapfels Malou.

© Unafilm

Jeanine Meerapfels Essayfilm „Eine Frau“: Die Bilder von Maman

Spurensuche bis nach Buenos Aires. Die Filmemacherin und Präsidentin der Akademie der Künste zeichnet die Exilgeschichte ihrer Mutter nach.

Wie hat sich das angefühlt, als Maman mich umarmte? Die Erzählerin versucht, sich zu erinnern, aber es funktioniert partout nicht. Die Erinnerung ist trügerisch, lückenhaft. Immer schieben sich die Familienfotos davor.

Die sonnendurchfluteten Szenen vom Badestrand, von Tennismatches in weißen Dress, von fröhlichen Kaffeetafeln. Sie erweisen sich als wirkmächtiger als das brüchige menschliche Gedächtnis. „Die Reproduktion der Wirklichkeit hat die Wirklichkeit ersetzt“, stellt die Filmemacherin Jeanine Meerapfel in ihrem Dokumentarfilm „Eine Frau“ fest.

Seit 2015 ist Meerapfel an ihrem Wohnort Berlin auch als Präsidentin der Akademie der Künste präsent. Mit „Eine Frau“ schließt sich für die 1943 in Buenos Aires geborene Regisseurin, Autorin und Produzentin gewissermaßen ein Kreis. Schon 1980 hat sie einen Spielfilm „Malou“ genannt.

Mutters Spitzname lautet Malou

Es ist der Spitzname ihrer Mutter Marie Louise Chatelaine, Jahrgang 1911, ein Waisenkind aus dem französischen Burgund, das es als Gattin des jüdischen Tabakkaufmanns Carl Meerapfel erst nach Deutschland, dann ins Exil nach Amsterdam und schließlich nach einer Flucht über Berlin nach Argentinien, nach Buenos Aires verschlägt. Dort wächst auch ihre Tochter Jeanine auf, bevor sie nach Deutschland geht.

Hinter Malous eleganter Erscheinung, ihrem auf Fotografien und in Filmaufnahmen unzerbrechlichen Strahlen kommt in Meerapfels assoziativem Filmessay ein durchaus tragisches, geschichtssattes Frauenleben des 20. Jahrhunderts zum Vorschein.

Gezeichnet von Emigration und materieller Abhängigkeit vom wohlhabenden Ehemann. Vom Gefühl der Entwurzelung und Fremdheit, von der Sehnsucht nach einer Heimat und dem unbedingten Willen zur Anpassung. Als die Ehe und damit auch das gute Leben dahin sind, schlittert Malou mit ihren Töchtern in eine Abwärtsspirale des Alkoholismus.

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Meerapfels Erinnerungsabgleich anhand der Familienaufnahmen, kombiniert Kameramann Johann Feindt, der zuletzt für die Schwarzweiß-Ästhetik von Andreas Kleinerts Brasch-Hommage „Lieber Thomas“ verantwortlich war, mit ruhigen Impressionen von französischen, holländischen, deutschen und argentinischen Städten, Häusern, Landschaften. Ein konzentrierter Bilder- und Sprachstrom, in den die Filmemacherin auch Interviewszenen webt. Gespräche mit den Menschen, die jetzt an Malous Lebensstationen leben.

Das erweitert die persönliche, aber nie sentimental ausfallende Reise zu einem Kaleidoskop, das auch vom sozialen Leben der Gegenwart erzählt. Etwa als Meerapfel die letzte, schimmelige Bleibe ihrer mit 61 Jahren verstorbenen Mutter besucht, die heute von einer genauso armen argentinischen Großfamilie bewohnt wird.

Was von Maman bleibt? Ein 24-teiliges Fischbesteck, französische Bücher, Kleidungsstücke, Briefe und die Frage, ob man dem eigenen Gedächtnis trauen kann. 

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