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„The Receptionists“ vom Kallo Collective treten im Chamäleon im Rahmen des „Play“ auf.

© BamBu

Jubiläumsprogramm im Chamäleon Theater : Die Zirkus-Erneuerer in den Hackeschen Höfen werden ausgezeichnet

Das Chamäleon Theater erhält den „Theaterpreis des Bundes 2023“ in der Kategorie „Privattheater und Gastspielhäuser“. Ein Blick auf ihr Erfolgsrezept und die Pläne für 2024.

Über das Chamäleon Theater in den Hackeschen Höfen ist im Laufe der Jahre schon viel Lobendes gesagt oder ins Besucher:innenbuch geschrieben worden, aber als „Speerspitze einer dynamischen Entwicklung der Darstellende Künste“ geadelt zu werden – das dürfte der Intendantin Anke Politz und dem Geschäftsführer Hendrik Frobel aber besonders gut gefallen.

Zumal die Worte von einer Jury stammen, die im Auftrag der Kulturstaatsministerin Claudia Roth über den „Theaterpreis des Bundes 2023“ zu befinden hatte. Der wird alle zwei Jahre vergeben und soll im weitesten Sinne „die deutsche Theaterlandschaft fördern“.

Der Theatersaal im Chamäleon Berlin.

© Lucia Gerhardt

Für Berlin ist es ein Theaterpreis-Erfolgsjahr, die mit 200.000 Euro dotierte Hauptauszeichnung geht nämlich an das Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße in der Leitung von Wagner Carvalho, das „einen der wichtigsten Reflexionsräume innerhalb der deutschen Theaterlandschaft für postkoloniale Strukturen in Alltag und Kunst“ biete, wie es in der Begründung heißt.

Das Chamäleon wiederum gewinnt in der Kategorie Privattheater und Gastspielhäuser – kein kleiner Erfolg für ein Haus, das sich lange genug mit dem Vorurteil herumschlagen musste, eine touristische Amüsierbude zu sein. Wo aber tatsächlich der Zeitgenössische Zirkus gepflegt und gefördert wird wie an kaum einer anderen Bühne der Republik.

Hurra, wir leben noch

Für das Chamäleon Theater sind die 100.000 Euro Preisgeld eine Art vorgezogenes Geburtstagsgeschenk. Das Haus feiert 2024 sein 20-jähriges Jubiläum – gerechnet ab der Neuaufstellung 2004. Das ursprünglich in den wilden 90ern an gleicher Stelle von Künstler:innen gegründete Varieté musste damals Insolvenz anmelden.

Politz und Frobel wiederum hatten ihre große Krise während der Pandemie, als anderthalb Jahre kein Spielbetrieb möglich war. Eigentlich der Genickbruch für ein Haus, das sich 70 Prozent aus den Ticketerlösen finanziert. Aber dem erfinderischen Überlebenstrotz des Leitungsteams – und maßgeblich auch dem umsichtigen Agieren des damaligen Kultursenators Klaus Lederer – ist es zu verdanken, dass jetzt bei einem Pressetermin im Theater zusammen mit Dramaturg Geordie Brookman ein Ausblick auf die Jubiläumsspielzeit unternommen werden konnte.

Zeitgenössischer Zirkus

Die beginnt mit einer vielversprechenden zweiten Ausgabe der Gastspielreihe „Play“, die acht kleinere Formate aus dem internationalen Feld des Zeitgenössischer Zirkus‘ zumeist an drei Abenden zeigt – die großen Chamäleon-Koproduktionen sind im Gegensatz dazu ja auf En-suite-Serien von mehreren Monaten ausgelegt. Das Stück „Pss Pss“ der Compagnia Baccalà beispielsweise ist eine Clownerie als Hommage an die Stummfilmära eines Charlie Chaplin oder Buster Keaton, die schon in mehr als 50 Ländern zu sehen war. Das finnische Kallo Collective zeigt mit „The Receptionists“ eine akrobatische Slapstick-Extravaganza über all die Abläufe, die in einem Luxushotel schiefgehen können.

Showdown und Wolf

Die Gruppe still hungry wiederum – deren Mitglieder Anke van Engelshoven und Romy Seibt bei der Spielzeitpräsentation im Chamäleon auch auf der Bühne waren – hinterfragt in „Show Pony“ mit Mitteln, weshalb die Zirkusjobs für Akrobat*innen ab einem gewissen Alter einfach verschwinden?

Als Großproduktionen kommen in 2024 die Castingshow-Satire „Showdown“ der britischen Company Upswing mit ihrer ebenfalls zur Präsentation angereisten Leiterin Vicki Dela Amedume. Sowie die animalische Inszenierung „Wolf“ der australischen Company Circa, die bereits zum siebten Mal mit dem Chamäleon zusammenarbeitet.

Was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass das Haus sich eine besonders soziale Künstler:innen-Betreuung auf die Fahne geschrieben hat, die von der Wohnungsbeschaffung bis zum medizinischen Versorgungsnetzwerk reicht. Übrigens auch ein Umstand, den die Jury des Theaterpreises des Bundes gewürdigt hat.

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