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Unfallwagen nach einem illegalen Autorennen bei Unterensingen in Baden-Württemberg.  Drei Menschen wurden schwer verletzt.

© picture alliance / dpa

Jugendbuch „Crossing The Lines“: Rasen und sterben lassen

Manfred Theisen erzählt in seinem Roman „Crossing The Lines“ von Jugendlichen, die den ultimativen Kick suchen.

Die Welt stand still und die Menschheit hielt den Atem an. Die Seuche war vor einem Jahr von China nach Italien gezogen und schließlich auch in Deutschland angekommen. Wie eine giftige Wolke umhüllte sie die Kontinente. So leise wie in diesem Frühjahr war es noch nie in Köln gewesen.“ So kommt es Lilu vor, die sich trotz Ausgangssperre nachts mit ihren Freunden trifft, denn „die wahre Freiheit war die Straße“.

Freiheitsdrang, Selbstbestimmung, Sich-Ausprobieren, Grenzen überschreiten, darum geht es in Manfred Theisens dialogstarkem Roman „Crossing the Lines - Uns gehört die Nacht. Eine Geschichte aus dem Lockdown.“ Die Pandemie hat die Jugendliteratur erreicht, versucht denen eine Stimme zu geben, die besonders unter der Pandemie gelitten haben, den Kindern und Jugendlichen, die nicht mehr zur Schule gehen konnten, die sich eingesperrt fühlten.

Theisen komponiert seinen Roman um eine Clique aus vier Freund:innen, „Ef-Ef-Pe-Zwei-Leon“, der immer eine Maske trägt, weil sein Bruder Henry unheilbar krank ist. Leon ist unsterblich verliebt in „Gefahrenträumerin Lilu“, die Erdmännchen und traurige Musik von Billie Eilish liebt.

„Google-Chiara“ heißt so, weil sie alles weiß und zusammen ist mit „Blitz-Alexander“, was keiner so richtig versteht, denn der ist ein wahrer Chauvi und Sprücheklopfer, der von illegalen Scooter-Rennen schwärmt, Kampfsport betreibt und aussieht wie ein Navy Seal.

„Die Seuche hat die Menschen träge gemacht“, denkt Lilu, als die Vier nachts auf zwei Scootern, die Alexander über das Paypal-Konto seines Vaters gebucht hat,  durch Köln heizen. Andere Jugendliche folgen ihnen, schneller, zum Teil mit getunten E-Scootern.

Deutschrap im Fahrtwind

Der Fahrtwind verspricht Freiheit, auch wenn sie eigentlich alle zu Hause sein sollten. Deutschrap dröhnt aus einigen Lautsprechern, „das wirkliche Leben findet auf der Überholspur statt“, findet Alexander – und so startet ein illegales Scooter-Rennen durch die Kölner Innenstadt.

Plötzlich tauchen Streifenwagen mit Blaulicht auf, ein Katz- und Mausspiel beginnt, das Lilu und Leon verlieren. Sie landen auf einer Polizeiwache zur Vernehmung. Und dort taucht ein asiatisch aussehender Junge auf, cool, selbstsicher, einer, der weiß, was er will: Er heißt Summer und Lilu kann ihre Augen nicht mehr von ihm lassen.  

Leon hat ständig ein schlechtes Gewissen, seine Mutter ist gestorben und Henry ein Pflegefall rund um die Uhr. Die Pflegerin durfte wegen Corona nicht mehr kommen, also mussten sein Vater und er sich um den Bruder kümmern, keine leichte Aufgabe.

Junger Lebenshunger

Theisen stellt in dem Roman nicht die Pandemie in den Mittelpunkt, sondern den Lebenshunger der Jugendlichen, ihre Seelenlage in einer Ausnahmesituation, auf die sie niemand vorbereitet hat. Und er skizziert in knappen Beobachtungen die Situation der Stadt im Lockdown.

Leon und Summer ringen um Lilus Liebe und die weiß nicht, zu wem sie sich letztendlich hingezogen fühlen soll. Die Jungs spielen sich auf, versuchen Lilu zu beeindrucken, fahren immer gefährlichere Rennen, prügeln sich in einer Wohnsiedlung, dabei gehen auch mal Autospiegel zu Bruch. „Es war der ansteckende Mix aus Übermut und Gewalt. Die Zeit im Land stand still, aber hier passierte etwas. Sie waren Helden, keine Loser…“

Die nächtlichen Aktionen der Freunde werden immer riskanter, schließlich brechen sie in einen Rheindampfer ein, wo Summer Lilu ein Sternzeichen auf den Arm sticht, zum zweiten kommt es nicht mehr, da sich jetzt auch finstere Gestalten im Hafen einmischen, die wiederum die Polizei auf den Plan rufen.

Wenn der Alltag langweilig ist und Schule nur noch online stattfindet, muss die Nacht interessanter werden. Dann sind Scooter nicht mehr ausreichend, dann müssen Autos für ein Rennen her. Und Leon will nicht abseits stehen… Es kommt zur Katastrophe, aber mehr wird hier nicht verraten.

Und was bleibt am Ende? „Immerhin wissen wir, dass sich die Dinge echt schnell ändern können, und Sicherheit ist nur eine Illusion“, sagt Lilu.

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