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Ausschnitt aus dem Poster der Netflix-Serie „1899“.

© IMAGO/Picturelux

Welche Serie ist noch sicher?: Darum setzt Netflix auch beliebte Serien wie „1899“ vorzeitig ab

Die erste Staffel der Mystery-Serie „1899“ endete offen und wird trotzdem nicht fortgesetzt werden. Fans mag das frustrieren – aber Netflix schaut dieser Tage mehr denn je auf die Kosten.

Wer eine Netflix-Serie schaut, investiert eine Menge Zeit: Viele Folgen dauern zwischen 50 und 60 Minuten, eine Staffel hat typischerweise zwischen acht und zehn Episoden . 400 Minuten dauert die erste Season der im November gestarteten Serie „1899“, in der eine Gruppe Immigrant:innen auf einem Schiff mit mysteriösen Ereignissen konfrontiert wird. Doch das Publikum wird nun von Netflix hängen gelassen.

Die erste Staffel „1899“ endet mit einem Cliffhanger, einem offenen Ende also, und ist auch darüber hinaus voller Rätsel. Da Netflix die ursprünglich auf drei Seasons angelegt Serie der „Dark“-Macher Baran bo Odar und Jantje Friese jetzt aber für beendet erklärt hat, wird es keine Beantwortung der vielen offenen Fragen geben.

Die Fans sind frustriert

Das mag für Fans frustrierend sein, insbesondere bei einer Serie wie „1899“, die offensichtlich ganz bewusst so geschrieben wurde, dass in Internetforen mitgerätselt werden sollte. „Wir wissen, dass Millionen von Fans enttäuscht sein werden“, schreiben die Macher in einem Statement auf Instagram.

Aber „1899“ ist längst nicht die einzige Netflix-Serie, die vorzeitig beendet wird. Erst vor kurzem ereilte die Gruselserie „Gänsehaut um Mitternacht“ dasselbe Schicksal. Beide Serien sind nur die jüngsten Beispiele eines Trends, der bereits vor Jahren begonnen hat und nun seinen rigorosen Höhepunkt erlebt: Was nicht erfolgreich genug ist, wird abgesetzt – und zwar auch schon nach nur einer Staffel.

Die Erklärung: Bei Netflix geht es mehr denn je um die Kosten

An Kreativität mangelt es bei Netflix ganz sicher nicht. Allerdings wird mehr denn je aufs Geld geschaut. Das hat mit einem Streamingmarkt zu tun, der sich wandelt. Bis 2022 zählte für Netflix vor allem das Wachstum seiner Abo-Zahlen. Mit mehr als 220 Millionen Abonnenten weltweit liegt der Streamingdienst zwar deutlich vor Konkurrenten wie Disney+. Doch die Zahlen wuchsen zuletzt nicht mehr so stark, wie es das Unternehmen und die Börse gewohnt war. Immer mehr Konkurrenten drängen in den Markt.

Bisher schauten die Investoren an der Börse zuallererst auf die Entwicklung der Abo-Zahlen. Netflix aber will diesen Fokus offensichtlich verlagern. Im jüngsten Geschäftsbericht betonte der Streamingdienst, dass alle Mitbewerber mit ihren Angeboten Geld verlieren würden, während Netflix für 2022 einen Betriebsgewinn erwartet.

Netflix wandelt sich

Und um Geld zu verdienen, tut Netflix so einiges: Obwohl man jahrelang behauptete, dass der Dienst werbefrei bleiben würde, wurde nun doch ein Abo-Modell mit Werbeanzeigen eingeführt. Außerdem soll gegen die unerlaubte Mehrfachnutzung von Kundenkonten durch das Teilen von Passwörtern vorgegangen werden. Und selbst beliebte Serien wie „1899“ werden abgesetzt, wenn sie nicht erfolgreich genug sind.

Was Netflix als „Erfolg“ sieht, ist nicht ganz klar. Es ist davon auszugehen, dass der Konzern intern eine Menge Daten über die Nutzung seiner Filme und Serien erhebt. Darunter zum Beispiel die Information, wie viele Menschen eine Serie komplett geschaut haben und falls nicht, wo sie ausgestiegen sind. Niedrige Abrufzahlen und viele Abbrüche dürften für Netflix ein Signal sein, dass eine Produktion schlecht ankommt – und wer unzufrieden ist, dürfte eher dazu geneigt sein, das Abo zu kündigen.

Die internen Daten zu „1899“ sind nicht bekannt. Doch selbst aus den wenigen öffentlich verfügbaren Daten lassen sich Schlüsse ziehen.

Das Problem: „1899“ lief gut, aber nicht gut genug

„1899“ war ganz sicher kein Flop. Zum Start stieg die Mysteryserie direkt auf Platz 2 der wöchentlichen Netflix-Charts ein. Knapp 36 Millionen Haushalte streamten die Serie im ersten Monat, schreibt der Branchendienst „Meedia“. Die deutsche Serie „Barbaren“, die im Unterschied zu „1899“ um eine zweite Staffel verlängert wurde, habe zum Start 2020 37 Millionen Haushalte erreicht.

Die Kritiken und Bewertungen im Internet zu „1899“ sind gut. Doch offensichtlich blieben die Abrufzahlen insgesamt hinter den Erwartungen des Streamingdienstes. Ein Indiz dafür ist die von Netflix selbst veröffentlichte Gesamtliste der erfolgreichsten Serien-Starts: „1899“ hat es nicht in die Top 10 geschafft, ganz im Unterschied etwa zu dem jüngsten globalen Hit „Wednesday“.

Top-Listen werden für englische und nicht-englische Serien erstellt und beinhalten jeweils die zehn Serien bzw. Staffeln mit den meisten gestreamten Stunden innerhalb der ersten 28 Tage nach Start.

Was sicher nicht geholfen hat: Die unter anderem in Babelsberg gedrehte Serie „1899“ gilt als die bisher teuerste deutsche Serienproduktion überhaupt. Die Kosten für die aufwändigen Sets und Computereffekte mögen sich in beeindruckenden Bildern niederschlagen. Gleichzeitig erhöhen sie bei Netflix aber die Erwartungen an die Abrufzahlen.

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